Von kulturellem Reichtum und geringem Sozialprestige

Sprachförderung statt Sprachtod

Deutsch wird als wichtiger Schlüssel zur Integration angesehen. Den Muttersprachen, die die Migranten und Migrantinnen nach Österreich mitbringen, wird hingegen zu wenig Bedeutung beigemessen. Dabei wäre Mehrsprachigkeit ein wichtiges Bildungsziel.

"Reden Sie mit ihrem Kind Deutsch", wurde Migranten und Migrantinnen in den letzten Jahren nahe gelegt. Spätestens zum Zeitpunkt der Einschulung folgten viele Eltern diesem Rat, in der besten Absicht, ihren Kindern den Weg in die österreichische Gesellschaft zu erleichtern.

Das Problem daran: Viele dieser erwachsenen Zuwanderer konnten selbst nicht ausreichend Deutsch, um den Kindern eine gute Basis bieten zu können. Außerdem verdrängten sie damit ihre eigene(n) Muttersprache(n). Heute weiß man, dass Eltern mit den Kindern das sprechen sollten, was sie am besten können. Sicherheit in der Erstsprache ist das beste Fundament, eine Zweitsprache rasch zu erlernen.

Wertschätzung der Muttersprachen

Oft ist es nicht nur eine, sondern sind es meist sogar mehrere Familiensprachen, die in den Zuwandererfamilien gesprochen werden. Doch insbesondere Volksgruppen, die in Österreich ein niedriges Prestige haben, tendieren dazu, ihre eigene Sprache zu verdrängen, es komme zum vielfachen Sprachtod, beobachtet die Migrationsexpertin Katharina Brizic.

Sprachförderung wird oft gleichgesetzt mit Deutschkursen. Doch zu einer gelingenden Integration führt neben der intensiven Förderung des Deutschen ein wertschätzender Umgang mit den nach Österreich mitgebrachten Sprachressourcen. Diese Anerkennung würde sich zum Beispiel in einem entsprechenden Angebot zur Förderung in der Muttersprache oder auch in verbesserten Arbeitsbedingungen muttersprachlicher Lehrer ausdrücken.

Es ist eine eigenartige Diskrepanz in unserer Gesellschaft zu beobachten: auf der einen Seite das Bekenntnis zu Mehrsprachigkeit in europäischen Programmen und die Etablierung von Diversitätsämtern, auf der anderen Seite die immer wieder zu bemerkende Definition der österreichischen Gesellschaft als monolingual, bemerkt der Sprachwissenschafter Rudolf de Cillia.

Zwang und Sanktionen kontraproduktiv
Sprache ist ein entscheidender Faktor der Integration von Migrant/innen, Sprachförderung daher eine wichtige Integrationsmaßnahme.

Die im Jahr 2003 durch die Integrationsvereinbarung eingeführte Pflicht zu Deutschkursen, die mit einer Prüfung positiv abgeschlossen werden müssen, halten Unterrichtende für kontraproduktiv. Ihre Erfahrungen zeigen, dass Zwang und Sanktionen weder dem Erlernen einer Sprache noch der Integration förderlich sind.

Außerdem seien die Kurse auch vor der Integrationsvereinbarung gut besucht gewesen, sagt etwa die Leiterin des Alphabetisierungzentrums an der VHS Wien-Ottakring, Monika Ritter. Der Wille, Deutsch zu lernen, sei bei den allermeisten Zuwanderern vorhanden.

Es bedürfe aber eines differenzierteren Angebots, denn nicht wenige Zuwanderer brauchen erst eine Alphabetisierung, die in der Integrationsvereinbarung in viel zu geringem Ausmaß berücksichtigt wird.

Als besonders problematisch sehen die Vertreter und Vertreterinnen des "Netzwerk SprachenRechte" an, dass ein pädagogisches Ziel wie eine Deutschprüfung mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen verknüpft werde. Und sie weisen darauf hin, dass Deutschunterricht keine aktive Integrationspolitik ersetzen kann.

"Das Deutschniveau spiegelt genau wider, in welcher Position sich die Zuwanderer befindet", sagt Sprachwissenschafterin Verena Plutzar. "Wer damit rechnet, sowieso nichts zu sagen zu haben, ist weniger motiviert Deutsch zu lernen. Jede Deutschförderung bleibt daher wirkungslos, wenn sie keine Perspektiven der sozialen und beruflichen Eingliederung und der Stärkung bürgerlicher Rechte eröffnet."

Mehr zum Thema Integration in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Journal Panorama, Dienstag, 1. April 2008, 18:25 Uhr

Links
Netzwerk SprachenRechte
Universität Wien - Institut für Sprachwissenschaft
Universität Wien -Institut für Germanistik
Universität Wien - Institut für Germanistik/Deutsch als Fremdsprache
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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VS Wien Pfeilgasse