Talking Balkans - Teil 1

Eröffnung des Symposions im RadioKulturhaus

Am 3. und 4. April diskutieren Vertreter/innen aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft zum "Balkan-Begriff". Erwartet werden etwa EU-Südosteuropa-Koordinator, Erhard Busek, und Österreichs Außenministerin, Ursula Plassnik. oe1.ORF.at streamt live ab 9:00 Uhr.

Donnerstagabend begann im ORF RadioKultuhaus das zweitätige internationale Symposion "Return to Europe.Talking Balkans." Angekündigt wurde damit die erste Staffel der 10-teiligen TV-Dokumentation "Balkan Express", die ab Mitte April auff ORF und 3sat zu sehen sein wird und auf Initiative der Erste Stiftung von pre tv gemeinsam mit 3sat und ORF in Kooperation mit der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) produziert wurde.

Das RadioKulturhaus streamt live ab 9:00 Uhr.

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Vor allem jene Menschen, die seit Mitte der 1990er Jahre am Aufbruch der Region in Richtung Europäische Union, am Aufbau von Frieden und Zivilgesellschaft mitgewirkt haben, kommen zu Wort: Künstler/innen, Rechtsanwält/innen, Journalist/innen, Aktivist/innen, aber auch Bürgermeister und Fußballspieler erzählen ihre Version der Geschichte.

Balkan und Balkanisierung
"Ich mag den Namen ‘Balkan‘ nicht", sagt die kroatische Autorin Slavenka Drakulic anlässlich der Symposionseröffnung. Es sei ein alter Name, der eine völlig andere Bedeutung in der Gegenwart angenommen habe. Das zugehörige Verb, die "Balkanisierung" stehe heute in aller Welt für das feindliche Auseinandersplittern von Territorien, sei es in Afrika oder Belgien. "Die Bewohner des Balkan sind Gefangene in dieser dunklen Bedeutung, zu der sie nicht gehören wollen", so Drakulic.

Lässt sich also der Begriff "Balkan" heute aufpolieren, schöner machen? Eine Vorraussetzung dafür sieht Drakulic darin, zuzugeben, dass "schlussendlich wir diesen Krieg gemacht haben und daher Mitschuld an der heutigen Begriffsbedeutung tragen.“

Start in Montenegro

"In 180 Tagen haben wir 600 Stunden Rohmaterial zusammengefilmt und 200 Interviews gemacht", erzählt Boris Marte von der Erste Stiftung in Wien. Und sie sind darauf gekommen, dass es heute "leichter ist, eine Moschee in Republika Srpska, einem hauptsächlich von serbisch-orthodoxen Menschen bewohnten Gebiet, aufzubauen, als in Österreich."

Einiges hat sich seit Mitte der 1990er Jahre deutlich gebessert: Gab es in Bosnien 1995 noch drei Armeen mit 419.000 Soldaten, so ist es heute nur noch eine, reduziert auf 10.000 Mann.

Und Montenegro, wo der "Balkan Express" seinen Anfang nehmen wird, verschwand völlig aus den westlichen Medien, "eben weil hier nichts schief gelaufen ist", so Gerald Knaus, Vositzender des ESI. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung bezeichnet sich heute als Montenegriner, aber das Zusammenleben funktioniert.

Niemand habe hier nur eine Identität, erzählt ein Montenegriner in einem der vorgeführten Filmausschnitte. Sein Vater sei Kroate, seine Mutter Serbin - er selbst identifiziere sich zu allererst mit dem Ort, in dem er lebe.

Positive Entwicklungen fördern
Läuft also alles zum Besten am Balkan? Sicherlich nicht, darin sind sich die Redner einig. Dennoch gelte es, die positiven Entwicklungen zu fördern, statt sich in Schuldzuweisungen vergangener Kriegstaten zu verlieren.

Einen besseren Titel für das Symposium hätte er sich nicht vorstellen können, lobt Bundeskanler Alfred Gusenbauer das Projekt. Der Blick in die Zukunft und die Perspektiven der Bewohner des Balkans sei das Entscheidende am "Balkan Express", mit dessen politischem Auftrag von europäischer Integration durch einen Prozess der Diskussion mit und über den Balkan er sich vollstens identifiziert.

Bewusstsein in Österreich schaffen
Österreich könne, so Gusenbauer, als westliches Ende des Balkans gesehen werden. Wichtig ist daher das Bewusstsein der Österreicher und Österreicherinnen für die Situation am Balkan zu stärken, so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: "Wissen ist die Basis für Verständnis."

"Ich glaube, leider sind die meisten Menschen in Österreich nicht interessiert an dem, was dort los ist", meint Andreas Treichl, Vorsitzender der Erste Stiftung. Mit 10.000 Zusehern aus Österreich rechnet er, "aber für die lohnt es sich schon, so etwas zu machen."