Von höllischen und paradiesischen Inseln

Kroatiens Hölleninseln

Irgendwo im wenig benutzten Teil des Gehirns ist das persönliche Traumbild "Insel" abgespeichert, das sich je nach Erschöpfungsgrad mehr oder weniger drängend in den Vordergrund schiebt. Auf manchen Inseln aber haben Alpträume überlebt.

Elf Geschichten über dalmatinische Inseln hat Marica Bodrozic in ihrem jüngsten Erzählband "Der Windsammler" veröffentlicht. Elf Geschichten, die ihre Entstehung einem "Grenzgänger-Stipendium" der Robert-Bosch-Stiftung zu verdanken haben. Elf Geschichten, in denen von Menschen und ihren Träumen und Alpträumen die Rede ist.

Das Grauen des Ungewissen
Eine dieser Geschichten erzählt von einem einsamen alten Mann auf der Insel Hvar, dessen einziger wertvoller Besitz ein Kästchen ist. Dieses Kästchen schleppt der Alte überall mit sich herum. Manchmal schaut er hinein. Das Kästchen erregt natürlich die Neugier vieler Menschen, aber der Alte hält es vor ihnen verborgen. Nur einem Kind gönnt er einen kurzen Blick ins Innere. Man erzählt, dass der Alte eine schlimme Zeit auf einer der Hölleninseln erlebt habe, aber etwas Genaueres erfahren die Leser nicht.

Es ist nicht einmal klar, ob es sich bei der beschriebenen Insel wirklich um Hvar handelt. Zwar gibt es vor Hvar eine Gruppe von Felsen und Inselchen, die man "Hölleninseln" nennt, aber reicht das wirklich, um die Hölleninsel, auf der der Alte Schlimmes erlebt hat, zu lokalisieren?

Makabere Touristenziele
Im paradiesischen Inselreich Kroatiens gibt es zumindest zwei Inseln, denen man den Beinamen Hölleninsel geben müsste. Die eine ist Goli Otok, die andere Sveti Grgur. Beide liegen zwischen Krk und Rab, und beide hatten eine Vergangenheit als Gefängnisinsel, die eine für Männer, die andere für Frauen. Beide Lager existieren nicht mehr, beide Inseln sind makabre Touristenziele geworden.

Wenig erfährt man über das ehemalige Frauenlager auf Sveti Grgur: dass Tito-Gegnerinnen dort gefangen waren, dass es wie die Nachbarinsel Goli Otok 1949 errichtet worden ist. Dass den Frauen Zwangsarbeit in der ehemaligen Bauxitmine erspart geblieben ist, weil das Vorkommen ausgebeutet war. Dass es, nachdem das Lager von den Gefangenen errichtet worden war, keine sinnvolle Arbeitsmöglichkeit gab, so dass die Frauen sinnlos Steine von einem Ort zum anderen schleppen mussten. Ein großer Tito-Stern soll so entstanden sein. Auf Goli Otok gab es sehr viel mehr "zu tun": Schweine wurden gezüchtet, Fliesen hergestellt, Möbel gebaut, Marmor gewonnen, Unbelehrbare umerzogen.

Auf Grgur sind vielleicht noch die Grundmauern des Lagers zu sehen, aber das interessiert die Taucher sicherlich nicht, die auf der Ostseite Ausflüge in die Unterwasserwelt unternehmen. Auf Goli Otok ist noch sehr viel mehr erhalten. Und: Über Goli Otok wird geforscht, geschrieben, berichtet. Nach Goli Otok kommen "Horror"-Touristen, ehemalige Häftlinge und Pornofilm-Produzenten.

Noch mehr Hölleninseln
Auf der Halbinsel Kampor im Nordwesten der Insel Rab errichteten die italienischen Besatzer ein KZ, in dem Slowenen, Kroaten und Juden in verschiedenen Abteilungen gehalten wurden. Es existierte nicht lange, vom Juli 1942 bis zur italienischen Kapitulation im September 1943. Diejenigen, die es überlebten, schlossen sich den Partisanen an.

Und dann gab es da noch den alten Mann, den ich getroffen habe, vor vielen Jahren. Er lebte auf der Insel Silba. Er wirkte seltsam, tappte umher wie blind, murmelte gezischte Flüche vor sich hin. Manchmal sang er auch. Mir gab man die Auskunft, er wäre von den Ustaschi auf einer der felsigen Inseln ausgesetzt worden, wo es keinen Baum und kein Wasser gab. Er hätte überlebt, weil er den Tau und das Blut der Fische getrunken habe. Und er hätte, nachdem man ihn gefunden habe, den Verstand verloren.

Hör-Tipp
Terra incognita, Kroatien, Donnerstag, 17. April 2008, 11:45 Uhr

Buch-Tipp
Marica Bodrozic, "Der Windsammler", Suhrkamp

Links
NZZ - Goli Otok - Geschichte und Pornographie
Hvar - Touristenziel Hölleninseln
Goli Otok
NICOLE Münnich -
Titos tabuisiertes "Hawaii (pdf)
shoa.de - Juden im jugoslawischen Widerstand 1941-1945: "Ein Kampf um Würde"