Der C.S.I.-Effekt - Teil 1
C.S.I. und die Gerichtsmedizin
In Fernsehserien wie "C.S.I" löst ein Team von kriminaltechnischen Ermittlern Folge für Folge die spektakulärsten Verbrechen; und zwar rasch, präzise und unfehlbar. Die Fiktion weckt Erwartungen, die in der Realität nicht umgesetzt werden können.
8. April 2017, 21:58
Wenn Horatio Caine, der Leiter der Spurensicherung von C.S.I. Miami in der gleichnamigen US-Fernsehserie am Tatort eintrifft, hat sein Team von Kriminaltechnikern und Gerichtsmedizinern den Ort bereits in Beschlag genommen. Fingerabdrücke werden abgerieben, Fasern und Haare werden gesichert, unsichtbare Blutspuren sichtbar gemacht. Horatio Caine sondiert den Kreis der Verdächtigen und führt erste Verhöre.
Die Stories unter der Lupe
Richard Scheithauer, der Leiter des Gerichtsmedizinischen Institutes der Universität Innsbruck, beurteilt die Fernsehserien als Fiktion, die mit brillanten optischen Effekten ausgestattet sind: "Würde in den Serien das kleine ABC der Polizeiarbeit befolgt, dann wären die Stories oft nach fünf Minuten zu Ende."
Denn weder ein US-Amerikanischer noch ein österreichischer Gerichtsmediziner treten mit einem möglichen Täter oder einer Täterin in persönlichen Kontakt. Außer: der Tatverdächtiger ist verletzt, oder er steht unter Drogen und Alkohol. Verhöre führen ausschließlich Kriminalbeamte.
Auch im Bereich der Spurensicherung werden in den C.S.I.-Fernsehserien die Funktionen häufig vermischt, bemerkt Birgit Reiter vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität Wien. Denn die Spurensicherung, wie das Abnehmen von Fingerabdrücken, Werkzeugspuren oder der Abrieb von Lack oder Farbpartikeln, wird in Österreich von den Kriminaltechnikern der Landeskriminalämter durchgeführt.
Diese Spuren werden in den Labors der Kriminaltechnik selbst ausgewertet. Hingegen werden die biologischen Spuren wie Speichel, Sperma, Blut oder Hautpartikel in den Spurenlabors der Gerichtsmedizin untersucht.
Bedürfnis nach Orientierung
Trotz - oder vielleicht gerade wegen - der Divergenz zur Wirklichkeit sind die C.S.I.-Folgen derzeit die erfolgreichsten Serien, die über die Bildschirme flimmern. Ob es die Lust am Actionkrimi oder das Bedürfnis nach der Wahrheitsfindung ist: Die mediale Auseinandersetzung mit den Berufsbildern von Richtern, Anwälten und Gerichtsmedizinern wird in den USA bereits seit Jahrzehnten geführt.
C.S.I. löste die Erfolgsserie L. A. Law ab, die in den 1980er Jahren mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Der US-amerikanische Autor Darren Devine brachte die Begeisterung für C.S.I. auf den Punkt, wenn er schrieb: "Wissenschaft ist wieder cool - und das alles verdankt sie C.S.I." Klare Fakten, Zahlen und Ergebnisse. Offensichtlich entspricht C.S.I. dem Bedürfnis nach Orientierung.
Hochspezialisierte Teamarbeit
Wie sieht das Berufsbild der Gerichtsmediziner nun tatsächlich aus? Welche Aufgaben haben er oder sie zu erfüllen? Für Edith Tutsch-Bauer, Leiterin des Institutes für Gerichtsmedizin an der Universität Salzburg, ist es die Vielfalt der Tätigkeiten, die den Beruf interessant macht: "Heute umfasst die Gerichtsmedizin den klassischen Bereich der Medizin, der DNA-Analytik und der Chemie, die sich in den vergangenen Jahren enorm weiter entwickelt hat.
Gerichtsmediziner rekonstruieren Wirklichkeit. Sie identifizieren Opfer, sie liefern Indizien zu Tatverläufen und möglichen Täter, und mit ihren Gutachten dienen sie der Rechtssicherheit. Denn auf der Basis naturwissenschaftlicher Untersuchungen liefern sie den Gerichten Argumente, die einer Wahrheitsfindung dienen.
Dass sich ein Gerichtsmediziner aber nur mit Toten befasse, dem widerspricht Walter Rabel vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität Innsbruck. Denn nur fünf Prozent der Aufträge, die im Jahr 2007 an die Gerichtsmedizin Innsbruck ergingen, waren Obduktionen. Hingegen wurden 7.000 toxikologische Untersuchungen durchgeführt und rund 7.000 Gerichtsgutachten verfasst.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 21. April bis Donnerstag, 24. April 2008, 9:30 Uhr
TV-Tipp
C.S.I. Miami, montags, 20:15 Uhr, ORF 1
Link
tv.ORF.at