Wolfgang Wagner tritt zurück
Wird Wolfgang Wagner zurücktreten? So lautete die Gretchenfrage vor der mit Spannung erwarteten Sitzung des Stiftungsrats der Bayreuther Festspiele. Noch vor Sitzungsbeginn meldete die dpa, dass der Rücktritt, laut "sicherer Quelle", im August erfolgen werde.
8. April 2017, 21:58
Der Bayreuther Festspielleiter Wolfgang Wagner (88) wird Ende August von seinem Posten zurücktreten. Dies will die Deutsche Presse-Agentur dpa am Dienstag in Bayreuth aus sicherer Quelle erfahren haben. Wagner steht seit 1951 an der Spitze der Festspiele, die von Wolfgang Wagners Großvater, Richard Wagner, gegründet wurden.
Eine Sitzung des Stiftungsrats, wo über die Nachfolge des eigentlich auf Lebenszeit bestellten Wagners diskutiert werden soll, findet heute, Dienstag, Nachmittag in Bayreuth statt.
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Seit 1876 spielt man im Festspielhaus am Grünen Hügel über Bayreuth ausschließlich Richards Wagners große Opern. Aber auch hinter den Kulissen spielt man Wagner, als ginge es um den Nibelungenring.
Der 88-jährige Wolfgang Wagner hat einen Vertrag auf Lebenszeit. Ob er zur Sitzung des Stiftungsrats erscheinen wird, ist mehr als fraglich. Wahrscheinlich wird er seinen Rechtsanwalt schicken, denn seit Monaten gibt es keine Kommentare oder öffentliche Stellungnahmen des greisen Festspielleiters. Vor allem nach dem Tod seiner zweiten Frau Gudrun, der man nachsagte, sie hätte schon lange Zeit das Sagen am Grünen Hügel gehabt.
Zwei verschiedene Konzepte
Mit dem überraschenden Tod von Gudrun wurden aber die Karten um die Nachfolge Wolfgang Wagners neu gemischt. Zuvor standen sich zwei Konzepte gegenüber: Zum einen jenes von Katharina Wagner, der 29 Jahre jungen Tochter aus der Ehe von Wolfgang und Gudrun, die ihre Bewebung - taktisch klug - mit zwei erfahrenen Namen schmückte: mit dem Dirigenten Christian Thielemann und dem ehemaligen Intendanten der Salzburger Festspiele Peter Ruzicka.
Zum anderen wollten sich die erfahrene Festivalleiterin Eva Wagner-Pasquier, Wolfgangs Tochter aus ersten Ehe, und Nike Wagner, die Tochter des verstorbenen Bruders von Wolfgang, Wieland Wagner, zusammentun, was seine Logik gehabt hätte, wären doch beide männlichen Stämme des Hauses Wagner in dieser Lösung zusammengeführt worden. Außerdem haben beide Damen ein ähnliches Alter und können auf internationales Renommee und entsprechende Erfahrung verweisen.
"Verrat" an Nike
Dann aber geschah das, was Nike Wagner, die Wieland-Tochter, Wahlösterreicherin und erfolgreiche Intendantin des Kunstfestes Weimar, nun Verrat nennt: Eva ließ die Cousine fallen und tat sich mit ihrer um 30 Jahre jüngeren Halbschwester, der Regisseurin Katharina, zusammen. Nike glaubt, dass Eva es nicht allzu lange machen werde und dann hieße es leider "Katharina forever", was ja offenbar der Wunsch des alten Wolfgang immer gewesen ist.
Peter Ruzicka, der erfahrene Musikexperte und Bayreuth-Intimus, sieht das naturgemäß anders und hofft auf das Tandem Eva und Katharina: "Die beiden Damen werden hoffentlich ein Konzept oder Statut finden, innerhalb dessen sich Bayreuth weiterentwickeln kann". Und die Weiterentwicklung und Öffnung ist dringend angeraten. Ruzicka wird sich indes zurückziehen.
Genervte Politiker
Ruzicka glaubt an Katharina, an deren künstlerischer Kompetenz indes nicht nur ihre Cousine Nike zweifelt, die ihr "Kinderkram und Boulevardisierung" vorwirft. Allein wäre sie wohl kaum im Stiftungsrat durchzubringen, denn auch der bayerische Kunstminister Goppel und der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann, die wichtigsten Geldgeber, wären kaum für eine alleinige Lösung mit Katharina zu haben. Sie haben immer wieder signalisiert, dass ihnen die heftigen Familienzwistigkeiten der Familie Wagner doch schon recht auf die Nerven gehen. Bisweilen war schon davon die Rede, dass man sich auch Bayreuther Festspiele ohne ein Mitglied aus dem Haus Wagner vorstellen könne, denn die Festspiele sind schon lange keine Privatangelegenheit der Familie Wagner mehr, wenn auch in der Stiftungssatzung von 1973 steht, das Haus müsse "grundsätzlich an ein oder mehrere Mitglieder der Familie Wagner" vermietet werden, Zusatz: "Dies gelte nur dann nicht, wenn andere, besser geeignete Bewerber auftreten".
Wer heute in Bayreuth auftritt, ist eher voraussehbar: Weder Eva und Katharina, noch Nike und wohl auch kaum der alte Wolfgang. Um den geht es allerdings, denn nur wenn der seinen Rücktritt bekannt gibt, kann das Nachfolgeverfahren eingeleitet werden.
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