Weltläufiges Wien der Aufklärung

Ausstellung im Wiener Musikverein

Im zweiten Stock des Wiener Musikvereins ist derzeit eine Ausstellung zu besichtigen, die allerlei Türkisches enthält. Die Schau ist aus den Archivbeständen des Musikvereins zusammengestellt worden, nur einige Kaffeetassen sind Leihgaben.

Nicht nur der Kaffee und einige erbeutete Kanonenkugeln blieben uns Österreichern als Andenken an die Türkenbelagerung - auch in der Musikgeschichte haben die Türken interessante Spuren hinterlassen.

Zum Beispiel auf Stichen von Wiener Veduten der Mozart Zeit, wo inmitten von einheimischen Passanten plötzlich Turbane auftauchen. Oder in den Wiener Kaffeehäusern der Gründerzeit, in denen zur Nachmittags-Melange gelegentlich auch auf türkischen Instrumenten musiziert wurde.

Solche - eher für die Begleitung von Ständchen geeignete - türkische Mandolinen kann man derzeit in Wien ebenso besichtigen, wie militärische Instrumente der Janitscharen, Trommeln, Becken, Tschinellen, mit denen Alla-turca-Klänge wie in Mozarts "Entführung aus dem Serail" erzeugt werden.

Neue Musikvereinsausstellung

Wenn man seine Schritte zu jenem Haus zwischen Imperial und Karlsplatz lenkt, in dem die "Gesellschaft der Musikfreunde" beheimatet ist, dann wird man derzeit im zweiten Stock eine Ausstellung besichtigen können, die allerlei Türkisches enthält. Sie ist von Otto Biba fast zur Gänze aus den Archivbeständen des Musikvereins zusammengestellt worden, nur einige Kaffeetassen sind Leihgaben. Die Musikinstrumente gehören sogar zu den ältesten Beständen, die schon seit 1814 bald nach der Gründung der Gesellschaft Aufnahme in die Sammlung gefunden haben.

Die enthält natürlich nicht nur Instrumente, Gemälde und Autographen, sondern auch Noten - gedruckte, sowie handgeschriebene - von Gluck, Haydn, Mozart und vielen anderen, die im 18. Jahrhundert nach der Alla-turca-Mode komponiert haben: Die "Pilger von Mecca", die "Militärsymphonie", die Klaviersonate KV 331.

Überraschende Umdatierung

Apropos Mozart: Da werden auch Daten richtig gestellt, die in der bisherigen Mozart-Literatur zu ganz anderen Schlüssen geführt haben. Etwa das Jahr 1779, in dem Mozart in Paris - gleich nach dem Tod der Mutter - den fröhlichen Alla-turca-Sonatensatz geschrieben haben soll. Papieruntersuchungen der letzten Jahrzehnte haben bewiesen, dass das Autograph erst 1783 entstanden ist, in jenem Jahr, in dem gerade eine türkische Delegation Wien besucht hat.

Undifferenzierter Exotismus
Damals hat man es sich leichter gemacht und so gut wie alles - von nahen, bis zum allerfernsten Osten - in den Alla-turca-Begriff einbezogen. Nicht nur die Serails, aus denen entführt wurde, nicht nur maurische Fürsten, von denen - ganz im Sinne der Aufklärung - oft mehr Vergebung zu erwarten war, als von den Christen, sondern man rechnete sogar Glucks "Le Cenesi" zu den Alla-turca-Opern der ersten Jahrhunderthälfte.

Einen Höhepunkt erlebte die Modeerscheinung des Alla-turca-Stils im Zeitalter der Aufklärung, das damit musikalisch geprägt wurde, ganz besonders durch die schlagzeugdominierten, klanglichen Schockwirkungen in der Janitscharenmusik. Oder sollte das nur überraschen? In England jedenfalls hat man Joseph Haydns "Symphonie mit dem Paukenschlag", "Surprise Symphony" genannt. Nicht in dieser, aber in Haydns so genannter "Militärsymphonie" Nr. 100 hören wir auch türkische Instrumente.

Harnoncourts "Peitschenschlagsymphonie"
Seine Aufnahme mit dem Concertgebouw Orchester kommentierte Nikolaus Harnoncourt mit den Worten: "Der zweiter Satz, ein zärtliches Allegretto, beruhigt alle Auseinandersetzungen des ersten, bis plötzlich, völlig unvorbereitet, die türkische Musik diese Idylle unterbricht, das Triangel, die Cinelli und die türkische Trommel werden abwechselnd mit einer wuchtigen Keule und einer peitschenden Rute geschlagen. Es klingt, als würde ein Mensch ausgepeitscht werden."

Für Harnoncourt ist Haydns Werk ein musikalisches Plädoyer für den Frieden und damit eigentlich eine Anti-Militär-Symphonie.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 19. Mai 2008, 10:05 Uhr

Ausstellungs-Tipp
Alla turca, bis Freitag, 27. Juni 2008, Wiener Musikverein

Link
Wiener Musikverein