Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern des Südens

Das Gesicht der Armut ist weiblich

Die Aktion "Brot für Hungernde" ist die entwicklungspolitische Aktion der Evangelischen Kirchen in Österreich. Sie unterstützt Frauen-Projekte in Burkina Faso, Nicaragua und vielen anderen Ländern des Südens. Porträt eines Partnerprojekts in Burkina Faso.

Referentin und Leiterin der evangelischen Aktion "Brot für Hungernde" in Österreich ist seit knapp drei Jahren Eva Dürr. Sie setzt sich für die Frauen in den Ländern des Südens ein, "weil diese besonders benachteiligt sind, hohe Arbeitslast zu tragen haben und wenige oder keine Rechte haben. Die weltweite Solidarität unter den Frauen finde ich enorm wichtig. Ich erlebe sie immer wieder: bei Besuchen bei unseren Projektpartnern oder bei ihren Besuchen in Österreich. Obwohl diese Frauen oft keine gemeinsame Sprache sprechen und ihre Lebensbedingungen und Probleme so unterschiedlich sind, ist da sofort Solidarität und Sympathie - und das merkt man gleich."

Beispiel: Burkina Faso

"Das Gesicht der Armut ist weiblich, denn es sind die Frauen, die es am schlimmsten trifft. Sie sind es, die in den Familien als Letzte zu essen bekommen. Und sie sind es, die als Erste krank werden. Wir möchten ihre Lebenssituation verbessern", sagt Lizéta Niampa Mande, Mitarbeiterin im Projekt "Naam" in Burkina Faso.

Burkina Faso zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Regelmäßig wird das afrikanische Land von Dürreperioden heimgesucht, dann wieder folgen Überschwemmungen.

"Der Norden des Landes ist extrem trocken und sandig. Die Regenzeit dauert normalerweise vier, die Trockenzeit acht Monate. Heuer kam es zu so heftigen Regenfällen, dass große Teile des Landes überschwemmt wurden. Man kann sagen, dass der Hunger ein guter Bekannter der meisten Familien in Burkina Faso ist", erzählt Lizéta Niampa Mande.

Bis 1960 stand das heutige Burkina Faso unter französischer Kolonialherrschaft, dann hieß das Land bis zum Jahr 1984 "Obervolta". Burkina Faso hat knapp 14 Millionen Einwohner. Etwa 60 verschiedene Völker leben in Burkina Faso. 50 Prozent der Bevölkerung gehören zur Ethnie der Mossi. Amtssprache ist weiterhin französisch.

Weiblicher Alltag in Burkina Faso

Lizéta Niampa Mande ist verheiratet und hat fünf Kinder. Zusätzlich kümmert sie sich noch um vier Kinder ihrer Geschwister. Sie ist die einzige Frau ihres Mannes. Das ist ungewöhnlich. Ihr Schwiegervater hat, wie der Mehrzahl der Männer in Burkina Faso, mehrere Frauen, erzählt die Aktivistin:

"Ein Großteil der Familien in Burkina Faso lebt polygam, weil die Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind. Meist leben drei Generationen unter einem Dach. Die Frauen haben viel Arbeit. Sie stehen um drei, vier Uhr morgens auf und entzünden das Feuer und machen die Kinder für die Schule fertig. Die meisten Kinder gehen viele Kilometer weit zu Fuß in die Schule. Es gibt aber auch reiche Menschen bei uns. Die haben Autos und elektrisches Licht zu Hause, sogar Fernsehen! Meist ist es extrem heiß und staubig, aber zu Beginn der Regenzeit, da beginnt alles zu blühen und die Vegetation ist wunderschön. Dann kommt wieder die Trockenzeit und die Erde springt auf und färbt sich rot. Der Staub ist dann manchmal so dicht, dass man keine zehn Meter weit sehen und nichts erkennen kann. Während der Regenzeit ist es sehr kalt, es hat manchmal nur 17 Grad, und während der Trockenzeit klettert das Thermometer auf 45, 46 Grad. Die Menschen arbeiten bei jeder Temperatur. Auch in der Hitze, bei praller Sonne, ohne Pause. Wenn es so heiß ist, ist es unmöglich, in den Häusern und Hütten zu schlafen. Da liegen während der Nacht alle draußen. In dieser Zeit wird das Wasser zur Mangelware. Die Frauen müssen oft kilometerweit bis zur nächsten Wasserstelle gehen. Sie tragen das Wasser in Gefäßen auf dem Kopf nach Hause, damit die Familie etwas zu trinken hat und die Frauen kochen können."

Aufklärung gegen Genitalverstümmelung

Lizéta Niampa Mandi ist im Norden von Burkina Faso als Koordinatorin von verschiedenen Frauenprojekten vor allem für Alphabetisierungsprojekte, Erosionsschutz und Kleingewerbe verantwortlich. Der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelungen ist das zentrale Anliegen der 42-Jährigen.

Offiziell ist die weibliche Genitalverstümmelung in Burkina Faso verboten. Praktiziert wird sie dennoch bei einem Großteil der Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren.

"Man macht das meist ohne Narkose und unter schrecklichen hygienischen Umständen. Die Ansteckungsgefahr mit Tetanus und HIV dabei ist hoch und einige Mädchen verbluten. Die Menschen glauben, dass eine Frau, die nicht beschnitten ist, nicht treu sein kann. Sie glauben auch, dass eine unbeschnittene Frau keine Kinder bekommen kann, weil das Baby durch die Schamlippen nicht durchkommt und bei der Geburt im Mutterleib erstickt. Es gibt auch die fixe Meinung, dass ein Mann impotent wird, wenn die Frau unbeschnitten ist."

Ist der Kampf gegen Genitalverstümmelungen dann nicht ein "Kampf gegen Windmühlen", ein fast aussichtsloser Kampf angesichts dieser fest verankerten Vorstellungen und Traditionen? Seit 24 Jahren ist Lizéta Niampa Mande nun in diesem Bereich tätig:

"Wir laden die Menschen im Rahmen unserer Organisation zu Informationsveranstaltungen ein. Wir versuchen den Frauen zu erklären, dass alle diese Argumente, die für die weibliche Beschneidung angeführt werden, einfach falsch sind. Wir versuchen ihnen auch zu beweisen, dass es im Koran keine Stelle gibt, die die zwangsweise Beschneidung der Frau vorschreibt. Das versuchen wir auch den Männern zu erklären. Und wir legen ihnen nahe, auch unbeschnittene Frauen und Töchter zu akzeptieren. Es geht ja auch um das Gesundheitsrisiko der Mädchen bei diesen Eingriffen!"

Wirtschaftshilfe durch Mikrokredite

Lizéta Niampa Mande und ihre Mitarbeiterinnen vergeben auch Mikro-Kredite. Mikro-Kredite sind ein wichtiges Instrument, um den Frauen in Ländern wie Burkina Faso zu mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu verhelfen.

"Mit dieser Finanzhilfe können die Frauen unter anderem Tiere kaufen, die sich vermehren und den Frauen so Geld bringen. Oder sie kaufen Saatgut. So können sie ein kleines Gewerbe eröffnen und ihre Produkte auf dem Markt verkaufen. Langfristig möchten wir so helfen, die Situation der Frauen zu verbessern. Aber es ist noch ein langer Weg und sehr schwierig.

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Hör-Tipp
Motive, Sonntag, 25. Mai 2008, 19:05 Uhr

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Brot für Hungernde