Robert Spaemann zur Hybridembyonenforschung
Schlimmer, als einen Menschen zu töten
Vor wenigen Tagen wurde in England ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, Chimären, das sind Misch-Embryonen aus menschlichem Erbgut und tierischen Eizellen, herzustellen. Der deutsche Philosoph und Theologe Robert Spaemann kritisiert diese Entwicklungen scharf.
8. April 2017, 21:58
Vor wenigen Tagen wurde in England ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, Chimären, das sind Misch-Embryonen aus menschlichem Erbgut und tierischen Eizellen, herzustellen.
Schlimmer, als einen Menschen umzubringen
Der deutsche Philosoph und Theologe Robert Spaemann kritisiert diese Entwicklungen scharf: "Das ist ein ungeheuerlicher Tabubruch! Allein so etwas anzufangen scheint mir kriminell zu sein, denn es ist ein Angriff auf den Gedanken einer Menschheitsfamilie! Ist ein solches Halbschwein mein Bruder, oder meine Schwester, oder was? Begriffe wie Menschenrechte kommen alle ins Wanken, wenn man das anfängt. Ich persönlich finde das schlimmer, als einen Menschen umzubringen!"
Robert Spaemann setzt sich in seinen Reden und Veröffentlichungen vehement für den Schutz des menschlichen Lebens von seinem Beginn bis zum natürlichen Ende ein. Seine Positionen, insbesondere zur Ökologie und zur Bioethik, werden über die Grenzen verschiedener Weltanschauungen und Parteien hinaus beachtet.
Experimente mit Stammzellen und verbrauchende Embryonenforschung sowie aktive und passive Sterbehilfe haben rund um den Beginn und das Ende des Lebens heftige ethische Diskussionen in vielen Ländern der Welt entfacht. Die Frage ist, ob Forscher dürfen, was sie können? Und wer kann und darf ihnen eine Grenze setzen? Und wo?
Kriminelle Forschung
Der deutsche Philosoph und Theologe Robert Spaemann sagt: "Es geht nicht um Regeln, es geht um die Rechte anderer. Es gibt immanente Schranken der Grundrechte der Freiheit der Forschung und der Kunst, die auf der Hand liegen."
Der 81-jährige erinnert an das Beispiel von KZ-Ärzten, die Unterkühlungsversuche machten, die in der Folge Soldaten an der Ostfront zugute kamen. Diese Versuche wurden mit Häftlingen gemacht, mit Juden und anderen, und sie dienten der Forschung und dem medizinischen Fortschritt. Spaemann wörtlich: "Aber trotzdem waren diese Forschungen kriminell. Das heißt, der Forscher kann nicht machen, was er will."
Keine tödlichen Experimente!
Relevant wird diese ethische Diskussion um die Freiheit der Forschung, wenn es um den konkreten Beginn des Lebens geht.
Robert Spaemann: "Ich würde hier auch nicht sagen, der Mensch ist eine menschliche Person mit einer menschlichen Seele vom Moment der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an, sondern ich würde sagen, wir wissen es nicht. Und das genügt. Sie können auch nicht im Wald, wenn es hinter einem Busch raschelt, hinschießen, wenn sie nicht genau wissen, ob es ein Mensch ist oder ein Reh. Wahrscheinlich ist es ein Reh. Und so ist es in diesem Fall auch. Wir wissen zu wenig, um uns das Recht herausnehmen zu können, mit Menschen in irgendeinem Stadium ihrer Entwicklung tödliche Experimente zu machen."
Robert Spaemann wurde 1927 in Berlin geboren. Er studierte Philosophie, Geschichte, Romanistik und Theologie in München, Fribourg und in Paris. Nach eigener Auskunft hat sich Spaemann nach dem Krieg "für kurze Zeit der Faszination der Lektüre von Marx und Lenin hingegeben".
Wir brauchen Eindeutigkeit und Sicherheit
Ebenso vehement, wie sich Robert Spaemann für den Schutz des menschlichen Lebens am Beginn einsetzt, tat und tut er es auch am Ende des Lebens, vor allem in Bezug auf aktive Sterbehilfe. Er hat sich immer strikt gegen jegliche Relativierung des Rechts auf Leben mit Zeitpunkten, Fristen und anderen Bedingungen ausgesprochen.
"Ich denke wir, brauchen Eindeutigkeit in Bezug auf den Tod. Auch hier geht es um die Sicherheit - wie am Anfang."
Die Frage, ob die Forschung darf, was sie kann, stellt sich immer wieder. Müsste ich als Forscher nicht einfach in ein anderes Land gehen, das weniger strenge Gesetze diesbezüglich hat, um weiterforschen zu dürfen und Erfolge feiern zu können? Wie sinnvoll sind weltweit gleich geltende Regeln und Gesetze?
Robert Spaemann sagt dazu: "Die wären wünschenswert, aber nicht Bedingung. Sonst würde das ja bedeuten, dass man sich immer auf dem niedrigsten Niveau einpendelt. Sollen wir jetzt die Todesstrafe wieder einführen, weil es in den USA die Todesstrafe gibt? Niemand verlangt das. Globalisierung, Universalisierung kann nicht bedeuten, dass man immer dort hingeht, wo das meiste erlaubt ist!"
Das Recht, nicht getötet zu werden
Robert Spaemanns Position über die Vernünftigkeit des Glaubens an Gott und sein Einsatz für Werte und Tugenden sind bekannt. Papst Benedikt XVI. kennt und schätzt den deutschen Philosophen und Theologen seit vielen Jahren auch als Berater und Diskussionspartner. Ihr Einsatz für Werte und Tugenden eint sie. Spaemann: "Wenn sie zum Beispiel vom "Wert des Lebens" sprechen, statt vom "Recht auf Leben", dann werden ihnen die Forscher sagen, dass ihre Forschung mit Embyonen ja auch dem Leben dient. Eigentlich gibt es auch kein "Recht auf Leben", sondern nur das "Recht, nicht getötet zu werden". Das ist die eigentliche Diskussion. Denn jeder muss einmal sterben, und das ist ja an und für sich noch keine Verletzung eines Menschenrechtes."
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Hör-Tipps
Logos, Samstag, 31. Mai 2008, 19:05 Uhr
Radiodoktor, Montag, 2. Juni 2008, 14:20 Uhr