Das süße Geheimnis unbekannter Partituren
Echt Mozart. Oder doch nicht?
Sie könnten sich als Weltsensation entpuppen: einige der Partituren, die im Archiv des polnischen Klosters Jasna Góra gefunden wurden. Denn möglichweise stammen die Kompositionen aus der Feder keines Geringeren als Wolfgang Amadeus Mozart.
8. April 2017, 21:58
Mozart oder nicht Mozart?
Ende Mai ging durch die Weltpresse die Meldung, dass im Paulinen-Kloster Jasna Góra in Tschenstochau an die 20 Partituren gefunden worden wären, die zum Großteil von Wolfgang Amadeus Mozart stammen. Die Noten liegen freilich nicht in seiner Handschrift vor. Es handelt sich um Kopien. Und jene Person, die diese Kopien angefertigt hat, hat Mozart als Urheber der Kompositionen angegeben.
Um eine völlig neue Entdeckung handelt es sich bei diesen Funden aber nicht. Von der Existenz dieser Noten und auch anderer möglicher Werke von Mozart weiß man schon länger Bescheid. Bereits in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Öffentlichkeit davon informiert. Die damaligen politischen Gegebenheiten in Polen waren für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen Funden aber nicht besonders förderlich.
Musikalische Schätze
Dabei enthält das Archiv von Jasna Góra eine Fülle von Noten: über 3.000 handgeschriebene Partituren aus mehreren Jahrhunderten lagern hier. Erst seit dem Jahr 2000 wird daran gearbeitet, diese Musik auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Eine wertvolle Arbeit leistet dabei der Pauliner Mönch Vater Nikodemus. Ihm ist es zum Beispiel zu verdanken, dass inzwischen schon an die 30 CDs mit Musik aus dem Archiv veröffentlicht wurden.
Musik zu Ehren Gottes
Das Kloster Jasna Góra ist seit vielen Jahrhunderten Anziehungspunkt für unzählige Wallfahrer. Es handelt sich um das größte Marienheiligtum Mittel- und Osteuropas. Schließlich befindet sich hier das Bild der "Schwarzen Madonna".
Das Kloster verfügte über 300 Jahre lang über ein eigenes Musikensemble, für das polnische Komponisten geschrieben haben. Darüberhinaus wurde Jasna Góra mit Partituren von Pauliner Mönchen versorgt, die in anderen Klöstern außerhalb von Polen lebten. Vielleicht sind auf diese Weise die Noten von Wolfgang Amadeus Mozart nach Jasna Góra gekommen.
Berechtigte Zweifel
Unter den gefundenen Partituren gibt es sieben Werke, die unbestritten W. A. Mozart geschrieben hat, wie zum Beispiel sein Requiem und die Krönungsmesse. Bei vier der gefundenen Partituren konnte bereits geklärt werden, dass er nicht der Urheber ist. Aber es bleiben noch immer sieben Kompositionen, die möglicherweise doch von ihm stammen.
Ulrich Leisinger, der Wissenschaftliche Leiter der “Internationalen Stiftung Mozarteum” in Salzburg steht diesen Funden reserviert gegenüber. Er hält es für höchst unwahrscheinlich, dass es sich um bislang unentdeckte Werke handelt. W. A. Mozart habe seit 1784 alle seine Werke in einem Katalog verzeichnet und diese seien auch vorhanden.
Erstaufführung im Internet-Zeitalter
Wie auch immer: Anfang Mai erlebte eines der potentiellen Werke von Mozart seine erste Aufführung im 21. Jahrhundert: die Sopran-Arie "Jesu dulcis memoria". Die österreichische Formation Morphing Vienna Chamber Orchestra unter Johannes Meissl sowie die Sopranistin Aleksandra Zamojska und der Klarinettist Hidan Mamudov präsentierten diese Komposition beim polnischen Festival "Gaude Mater".
Eine CD-Veröffentlichung mit sämtlichen potentiellen Werken von W. A. Mozart aus dem Archiv von Jasna Góra ist für Ende des Jahres geplant.
Hör-Tipp
Intrada, jeden Freitag, 10:05
Veranstaltungs-Tipp
Eröffnungskonzert der Kleinen Festspiele Burg Golling, Freitag, 20. Juli 2008
Link
Morphing Vienna Chamber Orchestra
Jasna Góra