Wade Schuman, Maler und Musiker
Hazmat Modine in Wien
Hazmat Modine lässt sich im Konzert nicht lumpen. Unter zwei, drei Stunden tun sie's kaum, und dann wird aus dem unauffälligen Brillenträger Wade Schuman ein ausgelassener Showman, der auf der Bühne improvisiert, blödelt, tanzt.
8. April 2017, 21:58
Der Blues war eigentlich auch nur eine Form von Popmusik.
Hazmat Modine stellt die Regeln im Showgeschäft auf den Kopf. Sieben biblische Jahre war es eine reine Live-Band mit lokaler Berühmtheit in New York. Nein, fast zehn Jahre, korrigiert Wade Schuman die Pressetexte. Und erst dann das, 2007, die erste CD, die Hazmat Modine recht buchstäblich in die Erdumlaufbahn katapultiert. Fünf Jahre lang hat Wade Schuman daran gefeilt, Stück um Stück hinzugefügt, dazwischen rätselhafte Fundstücke eingepasst: die Nacht in einem Regenwald auf Sri Lanka, ein Hund auf Bali in Indonesien, der Bericht einer Frau in Maine über ihre Begegnung mit Außerirdischen.
"Es ist erstaunlich, man macht so ein kleines Ding, und das geht dann in alle Welt", wundert sich Wade Schuman. "Auf einmal bekomme ich E-Mails aus Australien und Neuseeland und Slowenien und Rumänien. Das ist schön, obwohl es meinen E-Mail-Verkehr unerträglich macht, weil ich nicht einmal richtig tippen kann."
Bunter Instrumenten-Mix
Mit der CD "Bahamut" scheint Wade Schuman eine Zauberformel gefunden zu haben - wie man Elemente traditioneller Musik aus verschiedenen Kontinenten miteinander montieren kann und dabei trotzdem einen unverwechselbaren eigenen Sound kreieren, frei von der glatten Beliebigkeit vieler Weltmusik-Produktionen.
Da stoßen E-Gitarren auf Sousaphon und Marimba, Hawaii-Gitarren auf ein rumänisches Cimbalom, da stößt Wade Schumans Bluesharmonika auf das Gesangsquartett Huun-Huur-Tu aus Tuwa mit ihrer Schafsknochen-Perkussion und ihrem Kehlkopfgesang. Und das Ergebnis klingt so skurril und schräg wie andererseits stimmig, so als hätte es diese Musik immer schon gegeben - oder zumindest geben müssen.
"Es ist wie Alchimie", meint Schuman. "Man macht, was man gerade fühlt, und fixiert dieses Gefühl, dann kann man weggehen und jemand anderer findet es und bekommt genau dieses Gefühl. Das ist doch Magie, oder nahe dran - eine Übertragung von Gefühlen auf einen anderen Menschen, ohne dass man anwesend ist."
Jüdische Wurzeln
Wade Schumans magisches Pathos kommt an, vor allem in Europa. Beim Auftritt in Linz ist Hazmat Modine schon zum dritten Mal in Europa, im Sommer kommt die Truppe schon zum vierten Mal innerhalb eines Jahres. Und in kaum einem Feuilleton, vor allem keinem deutschsprachigen, fehlt der Hinweis auf die Klezmer-Musik als ein wesentlicher Bestandteil der Erfolgs-Mischung. Die jüdische Musik aus dem Osten Europas, transformiert in der Rührmaschine amerikanischer Kultur, und danach zurück nach Europa gebracht von Wade Schuman und seinen Leuten. Eine schöne Erzählung - mit dem kleinen Nachteil: dass es so nicht ganz stimmt.
"Die Familie meines Vaters ist jüdisch. Ich bin zwar religiös aufgewachsen, aber nicht jüdisch-religiös", erzählt Schuman. "Meine Mutter kommt aus einer Baptisten-Familie, das ist eine ganz andere Geschichte. Ich würde sagen, ich sehe mich ebenso als Juden wie als Baptisten."
Wenn es da etwas Jüdisches in seiner Musik geben soll, dann in derselben Weise wie bei vielen Jazz- und Unterhaltungsmusikern des 20. Jahrhunderts, von A wie Harold Arlen zu Beginn des Jahrhunderts bis zu Z wie John Zorn.
"Doc Pomus war Jude und schrieb Hits für Ray Charles. 'Strange Fruit', der Song von Billie Holiday, wurde von einem Juden geschrieben, Abel Meeropol. Und dieses Lied über das Lynchen und die Rassenspannungen kam auch aus seiner Einstellung oder seiner Betroffenheit von Rassenbeziehungen in Amerika. Es hat also immer eine gegenseitige Befruchtung gegeben."
Künstler haben keine Wahl
Ann Arbor, Michigan. Das war der Schauplatz, an dem sich Wade Schumans Sozialisation vollzogen hat. Eine für amerikanische Verhältnisse kleine, aber ausgesprochen liberale Universitätsstadt. Hier hört Wade den älteren Bruder am Klavier und Akkordeon unablässig Ragtime, Stride, Blues und Boogie Woogie spielen, bevor er Musik aus Bulgarien und Rumänien entdeckt. Hier bekommt Wade mit zehn seine erste Mundharmonika und spielt seither. Danach typische Stationen einer Hippie-Jugend in den 1970er Jahren: Mit 15 trampt Wade auf Güterzügen und per Autostopp durch die USA, mit 19 geht er nach Frankreich zum Weinlesen, schlägt sich durch in Marokko, Griechenland und der Türkei. Kommt zum Kunststudium in die Vereinigten Staaten zurück.
"Nein, man hat keine Wahl", meint er. "Meine Mutter ist Künstlerin, mein Urgroßvater war Künstler, es hat immer Künstler in der Familie gegeben. Ich hatte eine ziemlich ungewöhnliche Kindheit, meine Eltern ließen mich immer tun, was ich wollte. Zum Glück bin ich dabei nicht ums Leben gekommen. Ich habe also Malerei studiert und daraus meinen Beruf gemacht. Ich habe also lange parallele Leben geführt, und als ich 1997 nach New York gezogen bin, habe ich gedacht: ich will jetzt so Musik machen, wie es mir gefällt, und es ist mir ganz egal, ob es irgend jemand gefällt und ob ich es professionell machen kann. Die Musik hat langsam die Oberhand gewonnen, auch, weil sie einfach Erfolg hatte."
New York ohne Pause
Das Leben im Druckkochtopf New York bewirkt zweierlei. Einerseits Leute, die ihre Sache extrem gut machen, machen müssen, um sich die Miete und die Krankenversicherung leisten zu können. Andererseits: viel Zeit für Freizeitkreativität bleibt nicht, wenn man nicht professionell kreativ ist.
"Mein Agent ist Deutscher und er arbeitet sehr viel und sehr gut, aber am Freitagabend sagt er: OK, sprechen wir am Montag weiter. Das ist in New York unvorstellbar!", so Schuman. "Was soll das heißen, wir sprechen am Montag weiter, und was ist mit Samstag und Sonntag? Da kann man doch wenigstens Emails schicken! In Amerika hat man keine Pausen und die Leute verabschieden sich nicht ins Wochenende. Und mir scheint, je mehr man tun muss, desto mehr schafft man auch."
Bei allem amerikanischem Arbeitsethos, ob protestantisch oder jüdisch oder beides, der große Erfolg seines Projekts Hazmat Modine, meint Wade Schuman, der liegt auch an seinem höchst eigenwilligen, intuitiven und sozusagen unprofessionellen Zugang: "Viele Künstler beginnen einen Dialog mit der Kunstform, aber nicht mit anderen Menschen; das gilt für bildende Künstler oder Musiker. Sie setzen sich künstlerisch mit Jazz oder moderner klassischer Musik auseinander, aber sie fragen sich nicht, welchen Bezug jemand von der Straße dazu haben kann."
Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 7. Juni 2008, 17:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Link
Hazmat Modine