Tribut an zwei Primadonnen des 19. Jahrhunderts

Die Opern-Schwestern

Sie sprengte alle Stimmgrenzen und von ihr schwärmten Frauen wie Männer gleichermaßen: Maria Malibran. Ihre jüngere Schwester Pauline Viardot Garcia war ebenfalls als Sängerin erfolgreich. Erstaunlich bei beiden sind Repertoirevielfalt und Tonumfang.

Musik von Malibran und Viardot

Wo immer Maria Malibran mit ihrer schlanken Figur, den großen Augen und den langen dunklen Haaren erschien, knisterte es vor Spannung, schwärmten Frauen wie Männer gleichermaßen, versetzte sie ihr Publikum in einen schwindelerregenden Sinnenrausch.

"Ach! Das wunderbare Geschöpf! Sie übertraf alle ihre Konkurrentinnen durch ihre wirklich überwältigende musikalische Begabung und alle Frauen, die mir begegnet sind, durch ihre geistige Überlegenheit, ihr breit gefächertes Wissen und ein rasantes Temperament, von dem man sich nicht die geringste Vorstellung machen kann. Da sie alle möglichen Sprachen konnte, sang sie auf Spanisch (ihre Muttersprache); auf Italienisch, auf Französisch, auf Deutsch; und nach acht Tagen Vorbereitung sang sie auf Englisch: Fidelio in London. Sie zeichnete, malte, stickte, schneiderte sich manchmal ihre Kostüme selbst; vor allem schrieb sie. Ihre Briefe sind Meisterwerke eines scharfen Verstandes, voller Witz und guter Laune und gewinnen durch die unvergleichlich originelle Ausdrucksweise noch größeren Reiz", schwärmte Gioachino Rossini von der Malibran.

Edle Hässlichkeit

Nicht annähernd so schmeichelhaft liest sich Heinrich Heine und seine Eloge an Marias 13 Jahre jüngere Schwester Pauline, Mezzosopranistin, gefeierte Opernsängerin auch sie - halt nicht annähernd so schön wie die große Schwester.

Sie ist hässlich, aber von einer Art Häßlichkeit, die edel, ich möchte fast sagen, schön ist, und die den großen Löwenmaler Lacroix manchmal bis zur Begeisterung entzückte. In der That, die Garcia mahnt weniger an die civilisierte Schönheit und zahme Grazie unserer europäischen Heimath, als vielmehr an die schauerliche Pracht einer exotischen Wildniß, und in manchen Momenten ihres passionierten Vortrags, zumal wenn sie den großen Mund mit den blendend weißen Zähnen überweit öffnet, und so grausam süß und anmuthig fletschend lächelt: dann wird einem zu Muthe, als müssten auch die ungeheuerlichen Vegetationen und Thiergattungen Hindostans oder Afrikas zum Vorschein kommen; man meint, jetzt müssten auch Riesenpalmen, umrankt von tausendblumigen Lianen, emporschießen; und man würde sich nicht wundern, wenn plötzlich ein Leoparde, oder eine Giraffe, oder sogar ein Rudel Elephantenkälber über die Scene liefe. Wir hören mit Vergnügen, dass die Sängerin wieder auf dem Wege nach Paris ist.
(Heinrich Heine, 1844)

Wie klangen ihre Stimmen?

Was für Stimmen Pauline Viardot-Garcia und Maria Malibran hatten - wir können es nur aus der von ihnen oder explizit für sie komponierten Musik erahnen und aus den vielen zeitgenössischen Berichten, Pressestimmen, den Memoiren von Augen- und Ohrenzeugen. Die Karriere der Malibran dauerte elf Jahre, bis zu ihrem Tod mit 28 Jahren. Die Viardot nahm mit 42 Jahren den Abschied von der Opernbühne und zog sich zurück nach Baden-Baden. Dort unterrichtet sie, komponiert sie und unterhält einen bedeutenden Salon.

Erstaunlich bei beiden sind Repertoirevielfalt und Tonumfang. Der der Malibran muss über fast drei Oktaven gereicht haben, wobei die extremen Lagen ausgeprägter gewesen zu sein scheinen als die mittlere Lage. Die virtuosen Koloraturen, die auffälligen Sprünge sprechen von einer außergewöhnlichen Flexibilität und einer perfekten Atemtechnik. Sie konnte einfach alles singen. War in jedem Fach zuhause, sang das gesamte Spektrum des damaligen Sängerinnenrepertoires, sie sprengte alle Stimmgrenzen.

Primadonna Mezzosopran
Als samtig, dunkel und pastos wird ihr Timbre beschrieben. Ist doch äußerst interessant: Die Primadonna des Belcanto war eigentlich eine Mezzosopranistin. Der Archetyp einer romantischen Frauengestalt sang also nicht hellen, strahlenden Sopran, sondern verführerisch samten, dunklen Mezzo. Erst die großen Sopranstars des 20. Jahrhunderts haben sich die Belcanto-Partien der Mezzos erobert!

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Singende Schwestern-Paare
Cecilia Bartoli und Maria Malibran
Familienbande

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 11. Juni 2008, 10:05 Uhr

CD-Tipp
Cecilia Bartoli, "Maria", Decca; 4759077

"Pauline Viardot and Friends", Opera Rara, London, ORR 240

Buch-Tipp
Dietrich Fischer-Dieskau, "Wenn Musik der Liebe Nahrung ist. Künstlerschicksale im 19. Jahrhundert", DVA