Operettenplaudereien
Leichte Muse ernst genommen
Offenbach gilt als Gründervater der Gattung Operette, aber der Begriff "Werkchen" - operetta - ist schon früher für singspielartige Bühnenwerke verwendet worden. Offenbachs Stil machte bald in den großen europäischen Musikzentren Schule.
8. April 2017, 21:58
Natürlich ist der Begriff "Werkchen" - operetta - auch schon in früheren Jahrhunderten für singspielartige Bühnenwerke mit Prosatexten und Musik verwendet worden. Genau genommen hat Offenbach seine satirischen, parodistischen, schmissigen, frechen musiktheatralischen Werke, deren Stil - jeweils national abgewandelt - bald in den großen europäischen Musikzentren Schule gemacht hat, als "opéras bouffes" bezeichnet.
Opéra bouffes
Mit "Orpheus in der Unterwelt" datiert man generell die Geburt der Operette in Paris - obwohl es da Auslegungsunterschiede in der Definition der Gattung gibt. 1858 war die Uraufführung und die vorangegangenen Offenbach Erfolge galten vorwiegend Einaktern - aber im selben Jahr 1858 wurde auch in Wien erstmals ein Stück von Offenbach gespielt - in Johann Nestroys Carl Theater in der Leopoldstadt: "Hochzeit im Laternenschein". Dieser und der gleichzeitige Pariser Orpheus Erfolg überzeugten Theaterdirektor Johann Nestroy so sehr, dass 1860, mit der Wiener Premiere des "Orpheus" - mit Nestroy selbst als Jupiter - die neue Form der Operette auch in Wien Einzug hielt.
Seitdem wurde die Donaumetropole - außerhalb Frankreichs - das wichtigste Betätigungsfeld für den Operettenkomponisten Offenbach mit langfristigen Wiener Kompositionsaufträgen.
Erst in den siebziger Jahren bekam er durch die Erfolge von Suppé und Strauß auf diesem Gebiet ernsthafte Konkurrenz. Als später Millöcker, Zeller und nach der Jahrhundertwende Lehar, Kalman und deren Nachfolger bis zu Robert Stolz hinzukamen, galt es bald als schwierig, wenn nicht gar als unmöglich, mit einer Offenbach-Premiere einen durchschlagenden Erfolg zu erzielen.
Die Walzerseligkeit wird bühnenreif
Bald konnte die Operette aus Wien, durch ihre eigene, unverwechselbare Tonsprache - und vor allem durch die suggestive Melodik eines Johann Strauß den Siegeszug um die Welt antreten. Doch begonnen hat - mit der Verwienerung des Imports aus Paris - als erster in der Donaumetropole - nicht Johann Strauß, sondern Franz von Suppe.
Die erste Antwort des gebürtigen Triestiners auf die Pariser Herausforderung von Offenbachs schöner Helena, war seine "Schöne Galathee". Sie blieb allerdings insofern ein Einzelfall als sich der antike Spiegel von Offenbachs Satiren des zweiten Pariser Kaiserreiches nicht erfolgreich nach Wien transferieren ließ und der Witz des Librettos nicht zum Zentrum des Stückes wurde, sondern eher die musikalische Substanz der Partitur. Der größte Erfolg Suppés aber wurde Boccaccio, jene Geschichten von den schönen Frauen in Florenz, die im Decamerone höchst frivol erscheinen, in Suppés Operette eher wienerisch-bodenständig auftreten.
Wenn man die großen Musikmetropolen der Operettengeschichte miteinander vergleicht, kann man sagen: In Paris war die Wort-Musik Relation ausgewogen, in Wien spielte die Musik die Hauptrolle, in der spanischen Operette die folkloristische Rhythmik, in der Berliner Operette dominierte am deutlichsten ihr Revuecharakter. Und in der englischen Operette ihr Text.
Savoy Operas
In Wien sagt man heute Johann Strauß, wenn es um Operette geht, in Paris Jacques Offenbach, aber in London Gilbert und Sullivan. Mit einer kleinen Zeitverschiebung verlief der Siegeszug der Operette in England ähnlich wie an der Donau: Zuerst kam der erfolgreich Offenbach- Import aus Paris, dann produzierten Briten eine eigenständige Variante mit der das Duo Gilbert & Sullivan später auch weltweiten Erfolg hatte, der allerdings nur dort wirklich nachhaltig gewesen ist, wo die Muttersprache der Autoren nicht übersetzt werden musste.
Deren Nachfolger erreichten keine vergleichbare Akzeptanz in der britischen Theaterwelt. Das gelang erst wieder Ivor Novello und Noel Coward in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aber in dieser Zeit ist die Form dieser Form dieser musikalischen Komödien noch weit stärker von der literarischen Komponente geprägt worden.
Operette al' espagnol
La Zarzuela hieß der Palast in der Nähe von Madrid in dem Philipp IV. von Komödianten aus der Hauptstadt verschiedene Stücke aufführen ließ. Von Mal zu Mal wurden diese Stücke stärke auf die Bedürfnisse des königlichen Publikums zugeschnitten. Bald hatte sich ein eigener Typus herauskristallisiert: Zweiaktige Schauspiele mit zahlreichen Musikeinlagen.
Noch im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde der Name des Schlosses - La Zarzuela - zum musikalischen Gattungsbegriff für diese Art von Singspiel, das als eigenständige Parallelentwicklung zur französischen opera comique und später zur Wiener Operette lebendig geblieben ist. Heute werden zwar kaum mehr neue Zarzuelas komponiert, die alten aber desto öfter gespielt. Die spanischen Opernstars verschmähen auch viele dankbare Zarzuela-Partien keineswegs.
Der CD-Markt leidet keinen Mangel an Zarzuela-Produktionen. Man kann wählen zwischen Primadonnen wie Victoria de los Angeles, Teresa Berganza, Montserrat Caballe, Pilar Lorengar und Tenören wie Alfredo Kraus, Giacomo Aragall, Placido Domingo, Jose Carreras und vielen anderen.
Hör-Tipps
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