Bedeutendster Krimiautor deutscher Sprache
Friedrich Glausers Romane in einer Box
Der zeitlebens glücklose Friedrich Glauser ist einer der bedeutendsten Kriminalautoren deutscher Sprache, wenn nicht der bedeutendste. In einer schmucken Box liegen jetzt alle seiner fünf Studer-Romane, sowie ein weiterer Krimi im Paperback vor.
8. April 2017, 21:58
Den Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser, der übrigens ein gebürtiger Wiener gewesen ist, Krimilesern und Krimi-Interessierten länger vorstellen zu wollen, ist eine müßige Aufgabe. Der zeitlebens glücklose, morphiumsüchtige, nervenkranke und entmündigte Glauser ist einer der bedeutendsten Kriminalautoren deutscher Sprache, wenn nicht der bedeutendste. Das ist er selbstverständlich erst posthum geworden, nach einem Leben in Schweizer Haft- und Irrenanstalten, nach zahlreichen Erzählungen und insgesamt sieben Romanen, von denen nur zwei zu Lebzeiten Glausers veröffentlicht worden sind: "Wachtmeister Studer", anno 1936, und "Matto regiert", ein Jahr später, 1937. Im Dezember 1938 ist Friedrich Glauser gestorben, im Alter von 42 Jahren.
Posthume Veröffentlichungen
Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erscheinen die anderen Kriminalromane im Zürcher Morgarten Verlag: "Die Fieberkurve. Wachtmeister Studers zweiter Fall", "Der Chinese", "Studers dritter Fall", "Krock und Co." als der vierte Fall, den der bärbeißige, grundsympathische Schweizer Kriminalwachtmeister zu lösen hat.
Mit "Der Tee der drei alten Damen" kommt ein weiterer Krimi dazu, allerdings ohne den Helden Studer, dafür mit Genf als Schauplatz eines frühen Wirtschafts- und Spionagekrimis. Von Glauser stammt noch ein autobiographischer Roman über die Fremdenlegion mit dem Titel "Gourrama", sowie eine Reihe von Erzählungen, die erst lange nach seinem Tod erstmals veröffentlicht worden sind.
Komplettiert wird das Gesamtwerk durch zwei gewichtige Briefbände, die der Zürcher Arche-Verlag herausgebracht hat, jener Verlag, der sich insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren um Friedrich Glauser verdient gemacht und auch einen Studer-Krimi, "Der Chinese", als Comics produziert hat.
Renommiertester Preis der Kriminalliteratur
Heute, bald 70 Jahre nach Glausers Tod, liegt der Nachlass des Autors, der ursprünglich den "Arche"-Verlegerinnen, Elisabeth Raabe und Regina Vitali, vermacht worden ist, im Schweizerischen Literaturarchiv, und es sind inzwischen vier Schweizer Verlage, die Glausers Bücher veröffentlichen: Neben Arche und Diogenes mit vereinzelten Taschenbuchausgaben sind es der Limmat-Verlag und der Unionsverlag, die das Gesamtwerk in neuen Editionen herausgebracht haben. Letzterer, der Unionsverlag, nimmt mit seiner Krimi-Reihe "metro" einen gewichtigen Platz in der Krimilandschaft des deutschen Sprachraums ein: Veröffentlicht werden da vor allem internationale Kriminalromane: von Mexiko bis Vietnam, von Kuba bis Kamerun.
Nur zwei deutschsprachige Krimiautoren finden sich bei "metro": der Österreicher Manfred Wieninger und eben Friedrich Glauser, nach dem - das sei hier auch noch angemerkt - der wohl renommierteste Preis für Kriminalliteratur im deutschen Sprachraum benannt ist: der seit 1987 verliehene und mit 5.000 Euro dotierte Glauser-Preis. Ingrid Noll hat ihn schon erhalten, ebenso Peter-Paul Zahl, aber auch Thomas Glavinic und zuletzt Lilian Faschinger für ihren Wien-Roman "Stadt der Verlierer".
Authentischen Textfassung des Autors
Zurück zu Friedrich Glauser und seinen "Wachtmeister Studer". In einer schmucken und doch einigermaßen handlichen Box liegen jetzt alle fünf Studer-Romane, sowie der Genf-Krimi "Der Tee der drei alten Damen" im Paperback vor. Basierend - und das ist auch das Besondere dabei - auf der authentischen Textfassung des Autors. Daher heißt der Erstling hier auch nicht "Wachtmeister Studer", sondern "Schlumpf Erwin Mord"; statt "Krock und Co." heißt jene Kriminalgeschichte im Appenzell jetzt "Die Speiche".
Glauser selbst hat seine Krimis einmal "Schundromane" genannt und von sich selbst behauptet, dass er kein Autor von literarischem Rang sei, das wolle er nicht und das könne er nicht sein. Das lässt sich als nobles Understatement verstehen oder auch als Ausdruck starker Selbstzweifel. Die Wahrheit ist jedenfalls eine andere: Selten gehen Psychologie, Milieuschilderung und Kriminalhandlung eine derart gelungene und kunstvolle Verbindung ein wie in den "Wachtmeister-Studer"-Krimis.
Wer sie noch nicht gelesen hat, jetzt zugreifen! Wer sie schon mal gelesen hat: Glauser kann man bekanntermaßen immer wieder lesen. Insbesondere jetzt im Sommer.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Buch-Tipp
Friedrich Glauser, Die Kriminalromane in einer Taschenbuchbox, Metro-Reihe, Unionsverlag