Schmetterlinge im Bauch durch vier Hirnareale
Die Liebe ist ein seltsames Spiel
Seit Platon beschäftigen sich Philosophen, Theologen und Literaten mit der romantischen Seite der Liebe. Jetzt versuchen auch Anthropologen, Psychologen und Hirnforscher dieses Gefühl zu entschlüsseln. Die Ergebnisse lassen wenig Romantik zurück.
8. April 2017, 21:58
Für die Liebe sind vorwiegend vier winzig kleine Hirnareale zuständig. Demnach gibt es kein spezialisiertes "Liebeshirn". Um das herauszufinden wurden schwer verliebte Menschen in einen Kernspin-Tomographen geschoben.
Alle vier Areale wurden schon länger mit Emotionen und Glücksgefühlen in Verbindung gebracht, auch die Einnahme von Drogen macht sie aktiv. Macht Liebe also süchtig? Vermutlich. Außerdem verwirrt die Liebe: Ein Blick auf das Bild eines geliebten Menschen genügt und die Hirnareale, die für Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Lösungskompetenz zuständig sind, werden beeinträchtigt. Das Denkvermögen wird beschränkt. Außerdem wird bei verliebten Menschen der präfrontale Cortex deaktiviert, eine Region, die bei depressiven Menschen überaktiv ist. Durch Liebe wird man fröhlich.
Liebe macht verrückt
Bei verliebten Menschen werden auch zwei Hirnareale ausgeschaltet, die für Angstgefühle zuständig sind. Liebe macht demnach unerschrocken. Das ist auch gut so. Denn um sich einem fremden Menschen hinzugeben, um die Furcht vor Neuem und vor Verletzung zu besiegen, muss die natürliche Angst und Zurückhaltung überwunden werden. Durch Liebe und Leidenschaft wird eine "vorübergehende Verrücktheit" geschaffen.
Verliebt sein und Belohnung
Die Liebe aktiviert Belohnungs- und Motivationszentren in der rechten Gehirnhälfte. Dadurch wird verstärkt Dopamin ausgeschüttet. Das versetzt den Körper in einen Ausnahmezustand: Die Merkmale dafür sind Euphorie, Energieschübe, Appetitlosigkeit.
Das Stresshormon Noradrenalin verstärkt noch den Effekt. Zusätzlich sinkt der Serotoninspiegel ab auf einen Wert, der das Niveau von Menschen mit einer Zwangserkrankung erreicht. Liebe ist also ein "zielorientierter" Zustand, der auch zu Obsession, Vehemenz, sogar Zwanghaftigkeit führen kann.
Das Ende der Revolution
Die Revolution der Botenstoffe, der Sturm des Verliebtseins dauert nur ein bis eineinhalb Jahre. Wenn die Beziehung ausschließlich auf Leidenschaft beruhte, ist nach dieser Zeit oft Schluss.
Der verlassene Partner sieht sie Sache oft anders. Er leidet unter dem Verlust. Und da Liebe neurobiologisch mit Zwängen und Sucht verwandt ist, macht Liebe abhängig. Der Verlassene ist auf Entzug. Dazu gehören Weinkrämpfe, Depression, Schlaflosigkeit, Appetitverlust, Reizbarkeit. Das Hirn kurbelt die Produktion von Dopamin noch an, es wird verstärkt nach Belohnung gesucht, eine Belohnung die nur durch die Zuneigung des Liebsten oder der Liebsten zu erreichen ist. Der Trennungsschock verstärkt die Konzentration der Stresshormone, was die Liebe nur noch verstärkt. Der Serotoninspiegel sackt ab, der oder die Verlorene geht einem nicht aus dem Sinn.
Von der Verliebtheit zur Liebe
War in einer Beziehung aber mehr dahinter als bloße Leidenschaft, so entwickelt sich nach der Zeit des Aufruhrs ein Gefühl der Geborgenheit, Ruhe und Vertrautheit. Verantwortlich dafür sind vor allem die Botenstoffe Vasopressin und Oxytocin, die auch bei Massagen, Streicheleinheiten und beim Orgasmus ausgeschüttet werden.
Außerdem sind bei der dauerhaften Liebe jene Hirnareale zuständig, die für Emotion, Gedächtnis und Aufmerksamkeit zuständig sind. Der Sturm ist vorüber, das Gefühl bleibt, wird sogar mehr.
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 16. Juli 2008. 21:01 Uhr