Die Verhaftung des meistgesuchten Menschen Europas

Good morning ehemaliges Jugoslawien

Nach der Verhaftung des meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher waren die ersten Medienberichte zu Radovan Karadzic in der Region recht ähnlich. Spannend werden die nächsten Tage werden.

Selten waren sich die Medien in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens in ihrer Auswahl des Tagesthemas so einig wie am Dienstag, den 22. Juli, dem Tag als die Nachricht über die Verhaftung von Radovan Karadzic bekannt wurde.

Printmedien im Hintertreffen
Weil die Nachricht am Montag sehr spät, nämlich gegen 22:00 Uhr, veröffentlicht wurde, mussten die meisten Zeitungen in ihren frühen jedoch alle auf dem Thema drauf, und alle haben die Nachricht mit einem alten Foto - und fast immer mit dem gleichen - des 13 Jahre lang gesuchten Karadzic illustriert.

Trotz der bekannt starken Differenzen in der Beurteilung von Radovan Karadzic waren die Artikel und die Berichte in den ersten Stunden nach der Verhaftung sehr uniform. Viele Experten hatten sich schon mit der Vorstellung abgefunden, dass die zwei der meistgesuchten Kriegsverbrecher aus dem ehemaligen Jugoslawien, nämlich Radovan Karadzic und sein Armeechef, Ratko Mladic, ihr ruhiges Leben auf freiem Fuß, irgendwo weit vom internationalen Blick entfernt, beenden würden. Für alle war ein solches Ende seiner Flucht vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag schon ein unerwartetes Ereignis.

Die medialen Berichte

Für die Serben stellt das Geschehen einen Schock dar, für die muslimischen, kroatischen und albanischen ehemaligen Mitbürger darf man es als eine große Freude betrachten. Die internationalen Medien reagierten und berichteten ebenfalls kaum anders.

Die Titel der Beiträge waren in allen serbischen Medien kurz und neutral.
"Radovan Karadzic verhaftet" ist der meist gedruckte Titelsatz. Einige Varianten konnte man in serbischen Zeitungen lesen: "Karadzic verhaftet im Linienbus", "Radovan Karadzic wurde vom Untersuchungsrichter verhört" und nur einzelne Titel verraten die Enttäuschung mit der Entwicklung: "In Serbiens Mitte ist Radovan gefallen", "Transparent der Unterstützung für Radovan Karadzic" und "Serben im Schock wegen der Verhaftung von Karadzic". Die Artikel ähneln einander. Kaum gibt es einen Beitrag ohne biografischen Überblick, als wäre das nicht allgemein bekannt. Die ersten Aussagen der Familie und Politiker, wie aus Serbien so aus der Welt, sind zu lesen. Über die Verhaftung selbst konnte man nicht viel erfahren.

Blickwechsel
Die bosnisch herzegowinischen Medien betonten in ihren Texten, die lange Wartezeit auf die Verhaftung: "Nach 13 Jahren der Verhüllung". Einige Äußerungen internationaler Autoritäten, wie des ranghohen amerikanischen Diplomaten Richard Hollbrooke, einer der wichtigsten Friedensstifter im ehemaligen Jugoslawien, dienten auch als geeignete Titel. "Karadzic war schlimmer als Milosevic und Mladic" und "Karadzic verantwortlich für die Tötung von 300.000 Menschen", wird der Diplomat zitiert.

Karadzics Texte
Im Laufe des Tages mehrten sich die Berichte, die sich mit dem Leben von Karadzic in diesen 13 Jahren der Tarnung beschäftigen. Schon nach den ersten morgendlichen Meldungen über die Verhaftung in Serbien gab sich die kroatische Web-Seite "Index" Mühe, den Text, den Karadzic unter dem Namen Dragan David Dabic in einem Gesundheitsmagazin veröffentlicht hat, zu bringen. Für einen Mann, der wegen den schwerster Kriegsverbrechen und so für den Tod zigtausender Menschen verantwortlich sein soll, klingt der Titel der Zeitschrift, in der er veröffentlichte ein wenig zynisch: "Zdrav zivot" ("Das gesunde Leben"). Zwei seiner Artikel "Die geistlige Gesundheit" und "Alle unsere Meditationen" zeigen auch, dass der Mann tief an seine Unschuld glaubt.

Es wird spannend
Nach dem ersten Schock oder der Freude werden sich die Medien und Öffentlichkeiten der jeweiligen Staaten in den kommenden Tagen mit ihren Berichterstattungen über Radovan Karadzic und seiner Verhaftung beschäftigen. Lokalpolitiker werden versuchen, dieses Ereignis für ihre eigenen Ziele zu nützen. Experten aus aller Welt werden ihre klugen Analysen, wer weiß zum wievielten Mal, wiederholen. Die wahren Opfer haben diese Chance nicht mehr.

Es werden sicherlich "pikante" Details seiner Flucht vor dem Gericht und über sein Leben in der "Illegalität" ans Tageslicht kommen. Es wird spannend werden.

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