Die Fitzgeralds aus Zeldas Sicht
Alabama Song
Sie waren das Traumpaar der 1920er Jahre: F. Scott und Zelda Fitzgerald. Gilles Leroy hat nun mit seinem Buch Zelda ein Denkmal gesetzt. In Ich-Form erzählt er hier das Leben des Glamour-Paares nach. Eines vorweg: Glamour findet man hier keinen.
8. April 2017, 21:58
Sie waren das Traumpaar der 1920er Jahre. Er - F. Scott Fitzgerald - der bestbezahlte Autor Amerikas, sie - Zelda Fitzgerald - eine Südstaatenschönheit. Die Auftritte der beiden waren legendär. Sie stiegen stets in den besten Hotels ab, tranken mehr als ihnen gut tat und dann konnte es schon vorkommen, dass Zelda vor allen Leute im Brunnen ein Bad nahm.
Durch die Texte ihres Mannes wurde Zelda zur Ikone. Zum Flapper par excellence. Flapper, so wurden jene jungen Damen genannt, die kurze Haare und kurze Röcke trugen, wild tanzten, Alkohol und Drogen konsumierten und auch sonst keinen Wert auf gutes Benehmen legten.
In den 1930er Jahren musste die Gesellschaft die Rechnung für die wilden 1920er Jahre zahlen. Auch und vor allem die Fitzgeralds. Er war mit 30 Jahren schon schwerer Alkoholiker, und für sie begann eine Odyssee durch die verschiedensten Nervenheilanstalten. Nach einem Jahrzehnt war das Leben für das einstige Traumpaar nur noch ein einziger Albtraum.
Kein bloßes Beiwerk
Lange Zeit wurde Zelda bloß als Inspiration für das Werk ihres Mannes rezipiert. Je nach Standpunkt des Betrachters war sie es, die ihm das Schreiben erst ermöglichte, oder die Frau, die das Genie durch ewige Nörgelei, durch das ständige Verlangen nach mehr Geld und Unterhaltung vom Schreiben abhielt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Denn das war die Tragik des großen Autors: Ohne seine Frau konnte er nicht schreiben, in ihrer Gegenwart aber ebenso wenig.
In den letzten Jahren kam es im Zuge des Feminismus zu einer Neubwertung von Zelda Fitzgerald. Sie wurde nicht mehr bloß als Beiwerk betrachtet, sondern als eigenständige Künstlerin. Unbestritten ist die Tatsache, dass F. Scott sich immer wieder ihrer Tagebücher befleißigte, um aus diesem Rohmaterial eigene Geschichten zu formen. Unbestritten auch, dass er zumindest einige Kurzgeschichten von ihr unter seinem Namen publizierte, weil sich damit mehr Geld verdienen ließ. Aber daraus künstlerisches Genie abzuleiten zu wollen, wäre dann doch ein wenig zu viel der Ehre. Zeldas Roman "Save me the waltz" wurde so gut wie gar nicht rezipiert, ihre Bilder, die sie manisch in ihren letzten Lebensjahren malte, ebenso wenig. Und auch ihre Karriere als Tänzerin - mit Ende 20 begann sie wie besessen klassisch zu tanzen - verlief im Nirgendwo.
Erinnerungen an Unwiederbringliches
Der französische Autor Gilles Leroy hat nun mit seinem Buch "Alabama Song" Zelda Fitzgerald ein Denkmal gesetzt. In Ich-Form erzählt er hier das Leben des Glamour-Paares nach. Und eines gleich vorweg: Glamour findet man hier keinen. Leroy zeigt Zelda als zerrüttete Frau. Ihre Aufzeichnungen stammen vor allem aus jener Zeit, in der sie bereits interniert war.
Es sind Erinnerungen an rauschende Feste, Erinnerungen an etwas, das unwiederbringlich verloren gegangen ist. Ihr Mann F. Scott erscheint hier als schrecklicher Versager. Er säuft und umgibt sich mit Autoren, die Zelda hasst. Vor allem über Ernest Hemingway, der im Text Lewis O'Connor heißt, weiß sie nur Schlechtes zu berichten. Schriftstellernutte und Fettwanst sind noch einige der netteren Bezeichnungen für den späteren Nobelpreisträger.
Studie über eine zerfallende Existenz
Gilles Leroy bewegt sich sehr nahe an den historischen Figuren. Hat er nun die Wahrheit über die beiden geschrieben? Hat er das Verhältnis richtig dargestellt? Oder geriet ihm der große Schriftsteller nicht doch zu sehr zum Monster? Fragen, die nicht zielführend sind, denn Leroy schreibt über eine schizophrene Frau. Und für sie fühlt sich das Leben so an, wie es sich eben anfühlt. Für historische Wahrheiten oder ausgewogene Urteile ist da kein Platz.
Leroy ist eine eindringliche Studie über eine zerfallende Existenz gelungen. Über einen Menschen, der jede Urteilskraft verloren hat. Und deshalb den eigenen Mann nur noch als Monster in Erinnerung hat; dafür aber jenen Flieger, mit dem sie eine kurze Affäre verband, als Erlöser verklärt.
Man kann "Alabama Song" als Anti-Fitzgerald-Roman lesen. Wo bei F. Scott trotz aller Tragik immer das Schöne, Erhabene zum Vorschein kommt, sucht Leroy hinter der Glitzerfassade stets den Abrund. Wo F. Scott seine Beziehung zu Zelda zu einem romantischen Rausch verklärt, berichtet Leroy von ehelicher Vergewaltigung, Prügelszenen und täglichen Sauforgien.
Abgesang auf die Liebe und die Literatur
Aus diesem Grund führt auch der Satz am Klappentext: "Eine Hymne auf die Liebe und Literatur" in die Irre. "Alabama Song" ist keine Hymne, sondern ein Abgesang auf die Liebe und die Literatur. Zweitere kommt nur in Form von Schreibhemmungen und Beschimpfungen von Autorenkollegen vor, erstere nur als Imagination mit einem anderen Partner.
Weil "Alabama Song" wie die andere Seite eines Fitzgerald-Romans anmutet, sollte man dann auch parallel eines von F. Scott Fitzgeralds Meisterwerken lesen, am besten die Neuübersetzung von "Zärtlich ist die Nacht". Aber wahrscheinlich ist das doch kein so guter Tipp, denn neben dem Original kann Gilles Leroy nur verblassen - trotz der unbestreitbaren Qualitäten seines Buches.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Buch-Tipp
Gilles Leroy, "Alabama Song", aus dem Französischen übersetzt von Xenia Osthelder, Verlag Kein & Aber
Link
Kein & Aber - Alabama Song