Neuwahlen lösten die mediale Loyalität

Fernsehen im Sandschak

Politische Fehden haben sich in der serbisch-montenegrinischen Region Sandschak auf alle gesellschaftlichen Bereiche niedergeschlagen. Verstärkt wurden die Spannungen bisher noch durch extrem parteiische Medien. Jetzt wendet sich das Blatt.

Das Leben ist schwierig in der muslimischen Region Sandschak, von der Heirat über die Wahl der Moschee bis zum Eintritt in Kaffeehäuser: aufgeteilt in zwei verfeindete politische Lager, denen sich auch jeweils eine muslimische Gemeinschaft zuordnet, wird die Bevölkerung auch im Alltag von den Spannungen aufgerieben.

Die Informationsfreiheit fiel dieser Aufteilung bisher ebenfalls zum Opfer. Der lokale staatliche TV-Sender bekam zuletzt eine Abmahnung der serbisch-nationalen Rundfunkanstalt: Er galt als der am meisten parteiische Sender des Landes, nachdem er bei den letzten Wahlen offenkundig einer einzigen Partei zur Verfügung stand.

Neuwahlen brachten Verbesserungen

Nach den Wahlen in Serbien gab es auch in Sandschaks Hauptstadt Novi Pazar einen politischen Wechsel. Erstmals hat sich damit auch die Berichterstattung der Medien verbessert, finden Medienvertreter und NGOs - eine Vorraussetzung, um die Spannungen abzubauen, meinen sie.

In zwei Länder gespalten liegt Sandschak Novi Pazar heute im Nordosten Montenegros und Südwesten Serbiens. In dieser "Brücke" zwischen Muslimen aus Bosnien und jenen im Kosovo stellen die muslimischen Bosniaken die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von Serben und Montenegrinern. In der Hauptstadt Novi Pazar stellen Bosniaken gar 79 Prozent.

Bürgermeister benutzte Medien
Bis zu den Wahlen am 11. Mai achtete Sulejman Ugljanin, der langjährige Bürgermeister von Novi Pazar und Präsident der Partei des demokratischen Einsatzes des Sandschak (SDA), penibel auf die mediale Repräsentation von ihm und seiner Partei:

Während die Oppositionspartei, die demokratische Partei des Sandschak (SDP), geführt von Rasim Ljajic, aus den lokalen Medien ausgeschlossen wurde, zeigten die Hauptnachrichten ausschließlich Ugljanin, der Baustellen besichtigte und sich mit wichtigen Persönlichkeiten traf.

Die Zensur ging gar so weit, dass Vertreter der Oppositionspartei, die zufällig bei Aufnahmen aufs Bild gerieten, ausgeschnitten werden mussten, berichtete die Journalistin Amela Bajrovic für das unabhängige Mediennetzwerk BIRN.

Fehde spaltet Gesellschaft
Zurückzuführen ist der politische Kleinkrieg auf eine Fehde zwischen den beiden Machthabern, die verbunden sind mit den Führern zweier muslimischer Gemeinden: Mufti Adem Zilkic steht hinter Ugljanin und Mufti Muarem Zukorlic hinter Ljajic.

Auswirkungen hat diese Feindschaft auf familiäre und soziale Netzwerke und auf den Alltag der gesamten Bevölkerung.

Schilder an Kaffehäusern beschränken den Eintritt auf Mitglieder einer Partei, Muslime sind gespalten zwischen den beiden Gruppierungen, wodurch überparteiliches Heiraten zum familiären Albtraum geraten kann, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Anhängern sind keine Seltenheit.

Loyalität der Medien aufgeweicht
Mit der neuen Regierung besteht nun Hoffnung auf Veränderung: Nach der serbischen Parlamentswahl am 11. Mai 2008 vereinbarte Ugljanins Partei, die als Bosniakische Liste für einen europäischen Sandschak angetreten war, die Bildung einer Koalitionsregierung mit anderen westlich orientierten Kräften sowie der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS). Seinen Posten als Bürgermeister hat Ugljanin nun an Mirsad Djerlek abtreten müssen.

Zumindest die mediale Loyalität ist seitdem aufgeweicht, womit friedliche Diskussionen in den Bereich des Möglichen rücken, meinen lokale Journalisten gegenüber BIRN.

Die neuen Autoritäten bestehen nicht in dem Maß auf ihre Macht, wie es die Vorgänger taten, meint Slavka Bakracevic, die stellvertretende Direktorin des regionalen Fernsehens, das den Anordnungen der Gemeinde direkt untersteht und seit neuestem auch die Opposition zu Wort kommen lassen will. Der frühere Bürgermeister Ugljanin verweigert nun allerdings Auftritte vor seinem früheren Lieblingsmedium - der Sender muss auf Presseberichte ausweichen.

Religiöser Zwist
Während die Medien sich nun auf politischer Ebene um Ausgeglichenheit bemühen, schwelt der Konflikt auf der religiösen Ebene weiter. Zu spüren bekam das ein Verleger, der das Buch "The Jewel of Medina", verfasst von dem amerikanischen Autor Sherry Jones auf den serbischen Markt bringen wollte. Die Erzählung handelt von Ajsa, einer von Mohammeds Frauen, die mit elf Jahren verheiratet wurde.

Muarem Zukorlic, Führer der islamischen Gemeinschaft in Serbien und Anhänger der SDP, protestierte heftig gegen die Beleidigung des Propheten Mohammed, die dieses Buch beinhalte: er fühle sich an die Mohammed-Karrikaturen von 2006 erinnert. Der Verlag Belgrade's Beobuk nahm das Buch nun vom Markt und entschuldigte sich öffentlich.

Zumindest einen in diesem Fall progressiven öffentlichen Fürsprecher hatte er allerdings auch: Der Abgeordnete Esad Dzudzevic vom Lager des ehemaligen Bürgermeister und Provinzdespoten Ugljanin plädierte öffentlich gegen eine Verbannung von Kunst jeglicher Art. Man sollte in jedem Fall "offen für alle Themen sein, religiöse eingeschlossen."

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