Was tun Schulärzte eigentlich?

Österreichs Schulärztewesen

Die Kritik am österreichischen Schulärztewesen wird immer lauter, denn das ehemals sehr fortschrittliche System wurde seit mehr als einem Jahrhundert praktisch nicht verändert. Dabei steht es um die Gesundheit unserer Kinder alles andere als gut.

Etwa eine Million Schülerinnen und Schüler werden jedes Jahr in Österreich schulärztlich untersucht. Eltern, Schüler und auch manche Schulärzte gehen dabei davon aus, dass es sich um eine Art standardisierte Gesunden-Untersuchung im Sinne der Gesundheitsvorsorge handelt. Das ist allerdings mitnichten der Fall.

Da im Gesetz nur festgeschrieben ist, dass Schulärzte die Aufgabe haben, die Lehrer in gesundheitlichen Fragen zu beraten, hängt es vom jeweiligen Schulerhalter und vom persönlichen Engagement des einzelnen Arztes, der einzelnen Ärztin ab, was und wie viel getan wird - und was nicht. Dass es sich bei der schulärztlichen Tätigkeit derzeit im Grunde nicht um eine medizinische Betreuung der Schülerinnen und Schüler handelt, kritisierte der Rechnungshof bereits vor einigen Jahren. Geändert hat sich bislang nichts.

Seit hundert Jahren unverändert

Seit rund 100 Jahren besteht das österreichische Schulärztewesen - allerdings praktisch unverändert. Die Kritik richtet sich also gegen die veraltete Struktur - die Forderungen gehen in Richtung Reform. Die Zeit ist nicht stehengeblieben. Seinerzeit implementiert um ein Auge auf die Hygiene in Schulen zu haben und um die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern, hat sich das Anforderungsprofil enorm verändert. Reformbemühungen sind bisher jedoch alle gescheitert.

Der Grund dafür liegt vor allem in den vielen unterschiedlichen Zuständigkeiten. Denn wenngleich die Aufgabe der Schulärzte und Schulärztinnen im Schulunterrichtsgesetz § 66 bundesweit gesetzlich geregelt ist, liegt die Zuständigkeit für die Durchführung des Gesetzes beim Bund, den Ländern und auch Gemeinden.

Ein wahrer Kompetenzdschungel
Für die mehr als 500 Bundesschulärzte ist das Bundesministerium für Unterricht verantwortlich, für die medizinische Betreuung im Volks-, Haupt- und Sonderschulbereich liegt die Zuständigkeit bei Ländern und Gemeinden. Während die Schulärzte an den Bundesschulen zumindest einheitliche Dienstverträge haben, die ihnen vorschreiben, dass sie pro 60 Schüler eine Wochenstunde in der Schule zu sein haben, beschränkt sich die schulärztliche Tätigkeit in den Volks-, Haupt- und Sonderschulen vielfach auf die jährliche Untersuchung. Und selbst für diese einmal jährlich stattfindende Untersuchung gibt es keine einheitlichen Vorgaben.

Wem nützt das Schularztwesen?
Es gibt lediglich ein Gesundheitsblatt, das die Schulärzte ausfüllen und dann schubladisieren. Bei der schulärztlichen Tätigkeit handelt es sich also um keine standardisierte medizinische Betreuung der Schülerinnen und Schüler, sondern vielmehr um ein "Service" für die Lehrerinnen und Lehrer. Das gehörte neben vielen anderen Details dringend geändert, kritisierte der Rechnungshof bereits vor einigen Jahren. Bisher hat sich aber nichts geändert. So fordert auch das Gesundheitsministerium, im Bereich Schulärzte sowie Gesundheitserziehung und Gesundheitsvorsorge in der Schule mitreden zu dürfen.

Die Sinnhaftigkeit des österreichischen Schulärztewesens, wie es sich derzeit darstellt, wird also zunehmend in Frage gestellt: von Schülern, Eltern und Lehrern ebenso wie von vielen Medizinern und zuständigen beziehungsweise nicht zuständigen Beamten im Gesundheitsministerium.

Visionen für ein optimiertes Schularztwesen
Vorschläge für eine sinnvolle und längst überfällige Reform gibt es seit Jahren.

Die Voraussetzung wäre ein neues Gesetz, das die Ausbildung und die Aufgaben von Schulärzten nach modernen Erkenntnissen definiert. Natürlich muss es eine einzige Stelle - und nicht drei - geben, die eine hochwertige medizinische Versorgung der Kinder an Österreichs Schulen organisiert. Einen Teil der dazu nötigen Standards kann man sich einfach aus benachbarten EU-Staaten "ausborgen", denn Österreich hinkt wirklich beschämender Weise um Jahrzehnte nach.

Zum Wohle unserer Kinder
Dabei wäre es wichtiger denn je auf die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler zu achten. Bewegungsmangel, Übergewicht und Haltungsschäden führen bereits bei Kindern und Jugendlichen zu einer Vielzahl von Erkrankungsbildern!

Würde es standardisierte Untersuchungen geben, dann könnten außerdem endlich exakte Daten zu dem Gesundheitszustand der österreichischen Kinder erhoben werden - denn diese existieren schlicht aber ergreifend bislang nicht.

Hör-Tipp
Radiodoktor, Montag, 1. September 2008, 14:20 Uhr