Franz Pomassl veröffentlicht auf Raster Noton
Wenn der Fehler zum System wird
Franz Pomassl verstand es immer schon, sich rar zu machen. Anlässlich der Eröffnung des heurigen Ars-Electronica-Festivals in Linz ist die einzige Live-Präsentation seines neuen Albums "Spare Parts" am Pöstlingberg im Rosengarten-Zelt zu erleben.
8. April 2017, 21:58
Franz Pomassl, "Murena"
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, als die Technowelle mit ihren Mega-Raves schön langsam am Abklingen war, entdeckten immer mehr Musikerinnen und Musiker den digitalen Fehler als neue Klangquelle. Computer, Synthesizer, Effektkästchen und diverse andere Gerätschaften wurden bewusst falsch verkabelt, Systemabstürze gezielt provoziert, um neue Klänge jenseits der damals bereits etwas abgespielten digitalen Sounddatenbanken zu erlangen, und um den Zufall als gestaltenden Faktor in die mitunter ein wenig zu berechenbar klingende elektronische Musik hereinzuholen.
Einer der hier früh Zukunftsmusik gemacht hat, war Franz Pomassl. Das 1997 auf seinem Label Laton Records veröffentlichte erste Solo-Album gab bereits im Titel den Weg vor, es hieß "Trail Error", bis heute dauert die damals begonnene Reise auf dem "Fehlerpfad" an, und nach wie vor klingt Pomassls Musik utopisch, wie von einem wundersamen fremden Stern.
Russische Synthesizer spielen mit
Entstanden sind die Stücke für die neue CD "Spare Parts" auf seinen Konzert- und Forschungsreisen durch Russland und die angrenzenden ehemals sowjetischen Länder, erzählt Franz Pomassl. Im Laufe der letzten Jahre hätte er dabei auch immer wieder alte russische Synthesizer erstanden, die seinem musikalischen Interesse sehr entgegenkommen würden, wie Pomassl erklärt. Gefertigt worden seien diese nämlich in Fabriken, die oftmals an die Raumfahrt angeschlossen waren, eigentlich entstanden sie also als Nebenprodukte.
Franz Pomassl: "Die Konstrukteure mussten immer wieder Notlösungen finden und dadurch haben diese Synthesizer aus der Sowjetunion der 1980er Jahre auch ein gewisses Eigenleben. Damit greifen sie in ihrer Funktionsweise das musikalische Konzept hinter der CD 'Trail Error' gewissermaßen auf, weil sie Arbeitsweisen bereits vorwegnehmen, die ich bislang selber auslösen musste."
Ersatzteil-Musik
"Spare Parts", also "Ersatzteile" lautet der Titel von Franz Pomassls neuem Album, und auch dieser ist Programm, die Stücke seien nämlich so etwas wie Ersatzteile ihrer selbst. Als Pomassl die auf seinen Reisen entstandenen Stücke in einer komprimierten Arbeitsphase gemastert hat, hätte er mitunter bis zu 20 Spuren wieder rausgeworfen, oftmals auch willkürlich. Vieles hätte nämlich einfach schon zu fertig geklungen.
Franz Pomassl: "70 Prozent der Inhalte habe ich zum Schluss wieder hinausgeschmissen, dadurch klingen nun manche Stücke oder Passagen eigentlich mehr wie Fragmente oder Rohmaterie, aber das war auch die Grundidee des Albums, so wie sie sich im Albumtitel 'Spare Parts' widerspiegelt."
Debüt für Raster Noton
"Spare Parts" ist Franz Pomassls Debüt-Album für das renommierte Raster Noton Label, und auch hier schließt sich ein Kreis. Frank Bretschneider und Alva Noto sind mit je einem Stück auf "Retrail Error" von Franz Pomassl vertreten, in denen sie, dem Konzept dieser 2001 erschienenen CD entsprechend, das Klangmaterial, das auf "Trail Error" zu finden ist, weiterbearbeitet und zu neuen Stücken geformt haben.
Drehscheibe Österreich Russland
Auf die Frage, was ihn denn überhaupt ursprünglich in die Länder der ehemaligen Sowjetunion gezogen hätte, meint Pomassl, dass nach einigen Konzerttourneen durch den Westen Mitte der 1990er Jahre der Osten einfach viel anziehender gewirkt hätte, - auf ihn, der in seiner Arbeit ja immer wieder und in jeder Hinsicht Grenzen überschreiten wolle.
In den letzten Jahren hat sich Laton Records hier zu einer zentralen Drehscheibe entwickelt, zahlreiche Musikerinnen und Musiker aus dem ehemals sowjetischen Raum wurden auf Franz Pomassls Label bereits veröffentlicht, und immer wieder organisiert Laton auch Konzerte, sowohl hier als auch dort. Begonnen hat natürlich alles zuerst einmal mit einem ersten Kontakt und der führte Pomassl zu Alexei Borisov, der erst letzte Woche im Wiener Fluc seine neue Laton-CD "Multiviza" vorgestellt hat.
Franz Pomassl: "In den 1980er Jahren hat er in Russland New Wave und Elektropop mitgeprägt, heute bewegt er sich in den unterschiedlichsten Szenen, etwa in der Szene des Freejazz, des Industrial und der experimentellen Elektronik. Er ist seit vielen Jahren die zentrale integrale Figur in Russland."
CD-Tipps
Franz Pomassl, "Spare Parts", Raster Noton R-N 88
Alexei Borisov, "Multiviza", Laton 046
Links
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Ars Electronica Center
myspace - Alexei Borisov