Violinkonzert im Interpretationsvergleich

Kompromisslos burlesk

Unter dem Titel "Burleske" firmieren in Literatur und Theater derbe Scherze, Spott, Satire und vulgäre Späße. Parallel dazu hat die Musik burleske Stile und Stücke erfunden. Eine Besonderheit stellt dabei Schostakowitschs Violinkonzert op. 77 dar.

Mordkovich und Hahn im Vergleich

In Literatur und Theater versammeln sich unter dem Titel "Burleske" je nach Epoche derbe Scherze, Spott, Satire bis zum vulgären Spaß. Parallel dazu hat die Musik burleske Stile und Stücke erfunden. Vom heiteren Instrumentalstück bei Bach bis zu Gays und Pepuschs "Beggar's Opera" oder Strawinskys "Petruschka".

Während Strawinskys Burleske bizarre und wunderliche Züge trägt (gemäß den dargestellten Zaubereien eines Gauklers am Jahrmarkt), findet sich in Dmitri Schostakowitschs erstem Violinkonzert eine Burleske in fast durchwegs derbem und grobem Tonfall.

Von Zensur getroffen

Dmitri Schostakowitsch traf - man könnte sagen: mitten in der Arbeit an seinem ersten Violinkonzert 1947/8 - die sowjetische Zensur (mit in Krafttreten des sogenannten Shdanow-Dekrets), die die "anhaltend formalistischen" Tendenzen der zeitgenössischen Komponisten geißelte und dabei Schostakowitsch als einen ihrer Hauptvertreter nannte.

Schostakowitsch komponierte sein Konzert fertig, spielte es 1948 seinen Kompositionsschülern vor, widmete es dem großen David Oistrach und rühmte sich noch lange danach, dass der letzte Satz, an dem er arbeitet, als ihn der Angriff des Zentralkomitees traf, keine stilistischen Kompromisse mache. Diesen letzten Satz überschreibt er mit "burlesque" (was hier absolut nicht irgendwie bäuerlich oder volkstümlich meint oder klingt - das hätte dem Zentralkomitee ja vielleicht gefallen) - nein ein durch und durch grimmiger, resoluter Satz, ich würde sagen: "burlesque" hier als Gegenteil von "lyrisch".

Lydia Mordkovich kraftvoll stampfend

Ein bisschen brachial klingt der Solopart bei Lydia Mordkovich - kraftvoll und manchmal ein bisschen stampfend, ohne Rücksicht auf Klangschönheit, die vielleicht auch ganz unpassend wäre.

Hillary Hahn leichtfüßig elegant

Spielerischer geht Hillary Hahn mit den kraftvollen, akzentuierten, schwierigen, sperrigen Passagen dieser Burleske um - in schnellerem Tempo, leichtfüßig elegant nimmt sie diese Burleske - einerseits faszinierend, andererseits vielleicht auch für den Charakter dieses Satzes zu leichtfüßig und dadurch etwas glatt. Wies' beliebt: derselbe Satz einmal als derbe, einmal verspielte Burleske, zu hören in unserem Audio.

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 10. September 2008, 10:05 Uhr

CD-Tipps
Dmitri Schostakowitsch, Violinkonzert Nr. 1 a-Moll, Lydia Mordkovich, Scottish National Orchestra, Neeme Järvi, Chandos

Dmitri Schostakowitsch, Violinkonzert Nr. 1 a-Moll, Hilary Hahn, Oslo Philharmonic Orchestra, Marek Janowski, Sony Classics

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