Ist Kaffee Kaffee?

Fleischeslust

Flirten ist spielen und spielen ist langweilig. Außer, man beherrscht die Kunst. Und: Stimmt es, dass Freundschaft zwischen Mann und Frau immer den Umweg über Sex nehmen muss, tatsächlichen oder nur gedachten? Und wann ist Kaffee tatsächlich nur Kaffee?

Ich habe einen durchaus netten Nachbarn, der mich immer, wenn wir uns begegnen, auf einen Kaffee einlädt. "Meine Nachbarin", sagte er vorhin (ich verschwitzt, Trainingstasche über der Schulter, saumüd), "nie hast du Zeit für einen Kaffee". Ich: "Viel zu tun." Er: "Du arbeitest zu viel." Ich: "Eh".

Eh. Er in seine, ich in meine Wohnung, raus aus dem G'wand, rein in den Pyjama, ran an die Tasten.

Wie ist das nun mit Euch Männern? Stimmt es, dass Freundschaft zwischen Mann und Frau immer den Umweg über Sex nehmen muss, sei es tatsächlicher oder nur gedachter? Was ist mit uns Weibern? Können wir nicht einfach sagen: "Hallo, Nachbar, meinst du mit Kaffee Kaffee oder abchecken, was geht? Weil, falls Zweiteres, dann können wir das gleich hier klarstellen: Nichts geht." Vielleicht will der Nachbar auch nur nett sein und findet mich gut, so im Gespräch.

Und überhaupt, was wäre so schlimm dran, wenn er abchecken würde? Machen wir das nicht alle, andeuten, präsentieren? Wie soll man denn sonst den Marktwert abstecken?

Pfuh. Flirten ist spielen und spielen ist langweilig. Sich hinaustasten, Schrittchen für Schrittchen in ein Gelände voller Gletscherspalten. Pah, einen Eispickel möchte man nehmen, hineinwüten in diese ganze Vorsicht, wild werden und losbrüllen und aus.

OK, zurück. Der Tag war voll Adrenalin. Ich hab seit Wochen keine guten Texte mehr geschrieben und dieser hier droht auch zu scheitern. Das Berufsding, mit dem ich mein Geld verdiene, klebt mir die Birne zu. Textgewebe bleibt nicht hängen, zieht vorüber, in der Bim, beim Duschen, beim Gehen, allein, ich kann es nicht lang genug fassen. Ich bin (ha!) fassungslos. Und während ich so staunend ein weiches, wolkiges Wortgebilde vorbeiziehen lasse, redet mich dieser an. (Kaffee?)

Die Idee, dass Männerfrauenfreundschaft nie sexlos sein kann, erzählen mir immer nur Männer. Zugestimmt: Die meisten meiner Männerfreunde wären auch hinsichtlich Körperkontakt interessante Optionen. Wären. Weil. Weil ich eben, wenn mich einer anredet, und dabei was wirklich nett Zärtliches in der Stimme hat, ratlos werde. Man versucht ja, höflich zu sein. Lieber Mensch, der du bist, ich will dich nicht zurückweisen, also mache ich ein wenig mit in dem Geplänkel, damit du siehst: Ich wende mich dir zu. Aber dann, wenn du dich vorwagst auf diesem eisschrundigen Minenfeld, dann muss ich einen Schritt zurückgehen, und sogar das ist bloß der Versuch, wieder ein bisschen Raum zu kriegen zwischen uns.

Raum und Platz, um wegzulaufen. Dorthin, wo nicht geredet wird, wo man nicht schlagfertig sein muss. Wo man mit feinen Nadeln feine Beziehungen strickt und nicht mit Lattenzaunpfählen grobes Zeugs. Wo man nicht vor seinen Tasten landet und einen Text über Fleischeslust schreibt, der so mager ist wie ein krankes Huhn und ebenso durch die Gegend stolpert.

Erzählen Sie mir: Warum flirten? Was soll das ganze Spiel? Nein, nein, anders: Warum plump flirten? Oh, ich kenne Männer, die das beherrschen, aus dem Effeff (ex forma, ex functione), Form und Funktion, Meister der subtilen Gesten, der angedeuteten Andeutungen, deren Echo einem die Seele kitzelt drei Stunden später, die lächeln können und dabei ein wenig dreckig wirken, ein wenig unperfekt...

... und die mich hartes, gegenstandsloses, eckiges, unverspieltes Ding weich werden lassen im hintersten Winkerl, nie eingestanden, aber doch. Immerhin bin ich vergeben. Und zwar an einen, der es wirklich versteht, so reduziert zu flirten, dass man leise werden muss und konzentriert, um die Botschaft zu hören. Aber dann. Kommt sie an.

Tipp
Ö1 Kolumnen können seit 1. September im Rahmen der Ö1 Podcast nachgehört werden. Alle Sendungen des kostenfreien Radio-Abos finden Sie hier.