Die Erfindung des Streichquartetts

Haydn in Wieselburg

Joseph Haydn kommt über Porpora zur Familie Fürnberg, der das Schloss Weinzierl bei Wieselburg/NÖ gehört. Die Fürnbergs wünschen sich Kompositionen, die vier Musiker gemeinsam spielen können - Haydn geht mit dieser Bitte kreativ und geschickt um.

Haydn örtlich - Teil 16

"Folgender, ganz zufälliger Umstand hat mich veranlaßt, mein Glück mit der Komposition von Streichquartetten zu versuchen: ein Baron Fürnberg hat eine Besitzung in Weinzierl, einige Posten von Wien entfernt, gehabt und der hat von Zeit zu Zeit seinen Pfarrer, seinen Verwalter, mich und meinen Freund Albrechtsberger - dieser hat das Violoncell gespielt - zu sich eingeladen, damit er eine kleine Musik hören kann. Fürnberg hat mich aufgefordert, etwas zu komponieren, das von diesen vier Kunstfreunden könnte aufgeführt werden. Ich, damals 18 Jahre alt, habe den Antrag angenommen - und so ist mein erstes Quartett entstanden, welches gleich nach seiner Erscheinung ungeheuren Beyfall gefunden hat, wodurch ich Muth bekommen habe, in diesem Fache weiter zu arbeiten."

Eine Reise mit Gewinn

Der Ort dieser "zufälligen Gegebenheiten", das Schloss Weinzierl, ist nahe der schon seit dem Frühmittelalter bestehenden Stadt Wieselburg im niederösterreichischen Mostviertel gelegen. Nach der Mariazellwallfahrt ist der Weg dorthin, in den Westen des Landes, nun Haydns zweite größere Reise - und auch diese ist eine mit Gewinn.

Kennenlernen im Modebad Mannersdorf

Die Bekanntschaft der erst vor kurzem geadelten Familie des Karl Joseph von Fürnberg hat Haydn indirekt noch seinem Lehrer Porpora zu verdanken. Als dessen Adlatus reist er mit diesem ins damalige Modebad Mannersdorf an der Leitha. Das liegt vom heimatlichen Rohrau ein bisserl weiter weg als Hainburg, aber immerhin am selben Bach. Dort sucht alles, was gerne etwas sein möchte, Heilung von vorhandenen oder vielleicht auch noch zu erwartenden Krankheiten.

Die neuadeligen Fürnbergs kuren dort auch. Sie haben ihr Schloss Weinzierl gerade aktuell umbauen lassen und so dem im Kerne mittelalterlichen Bau ein zeitgemäßes Aussehen gegeben. Der Musik bedarf es dort aber auch. In Mannersdorf wird der Baron auf Haydn aufmerksam - und so ergibt sich das Weitere.

Zwei Berufsmusiker und zwei Liebhaber

In Weinzierl spielen dann zwei Berufsmusiker und zwei Liebhaber auf zwei Geigen, der Bratsche und dem Violoncello. Wer spielt was? Albrechtsberger - vielleicht der später hochberühmte Theoretiker Johann Georg, Domorganist in Wien und Kontrapunktlehrer Beethovens - ist der Cellist. So ist es ja überliefert. Haydn selbst kann gleichermaßen mit der Geige wie mit der Bratsche umgehen. Nun, wie dem auch sei: Pfarrer und Verwalter als Mitspielende und Hausherr Baron Fürnberg sind entzückt von Haydns neuen Stücken. Der Komponist selbst aber bleibt sich und seinen Erzeugnissen gegenüber kritisch. Dies entnehmen wir den Aussagen eines Majors von Weirach. Österreich und Preußen führen ja Krieg gegen einender und jener preußische Offizier ist jetzt als Kriegsgefangener in Weinzierl stationiert, darf aber den musikalischen Produktionen beiwohnen. Und er erinnert sich: "Der bis zur Ängstlichkeit bescheidene Mann war, obwohl alle Anwesenden von seiner Komposition entzückt waren, nicht davon zu überzeugen, daß seine Arbeit überhaupt wert sei, in der Musikwelt bekannt zu werden!"

Zwei berühmte Eigenschaften Haydns

Bescheidenheit und scharfe Selbstkritik - diese beiden Eigenschaften werden Haydns Weg weiterhin prägen. Sie werden nur nach und nach und berechtigter Weise durch Selbstbewusstheit und Souveränität sinnvoll ergänzt, Haydn bei vielen Menschen beliebt machen und ihn in seiner Kunst bis zuletzt wachsen lassen.

Der Erfinder und Vollender des Streichquartetts

Die Weinzierler Ereignisse in all ihrer scheinbaren Zufälligkeit verweisen aber auch auf Haydns unglaubliche Fähigkeit, sich einer Herausforderung ad hoc zu stellen und ihr auf seine Weise gerecht zu werden. Zwei Geigen, eine Bratsche, ein Violoncello: was uns heute als eine Form idealer Besetzung gilt - Haydn hat es erst zu dieser werden lassen. Er ist damit der wirkliche Vater und auch gleich der erste Vollender des Streichquartetts, einer Königsdisziplin in der Komposition. An ihm werden sich alle, die es in dieser Gattung wirklich zu etwas bringen wollen ihr Maß nehmen - von Mozart bis Schostakowitsch.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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