Im Stephansdom wird geheiratet

Hochzeit

Joesph Haydn und Maria Anna Aloysia Apollonia Keller geben sich am 26. November 1760 im Stephansdom das Ja-Wort. Finanziell sind sie gut gestellt, können also ihr eigenes Leben führen. Doch es folgen Probleme, die das Paar unglücklich machten.

Haydn örtlich - Teil 20

Es ist der 26. November 1760. Die Perückenmacherstochter Maria Anna Aloysia Apollonia Kellerin und der gräflich morzin'sche Kapellmeister Franz Joseph Haydn treten im Dom vor den Traualtar. Keiner darf sagen, dass die Brautleute für ihren gemeinsamen Lebensweg nicht gut gerüstet seien: Was die nun einmal auch nicht unwichtigen weltlichen Sachen angeht, so kann festgestellt werden, dass die beiden ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, denn sie sind materiell gut ausgestattet. Auf 350 Gulden in Gütern und 500 in Bargeld beläuft sich die Mitgift der Braut, der Bräutigam bringt 1000 Gulden in die Ehe ein.

Schöne Nebeneinkünfte

Zu dessen Kapellmeistergehalt kommen in letzter Zeit schöne Nebeneinkünfte. Haydn hat unter anderem dem Fürsten Schwarzenberg in Ceský Krumlov und dem Bischof Leopold Egk von Hungersbach im an Musik so traditionsreichen Olomouc je eine Symphonie verkauft. Auch an den Kopien von Sonaten, Trios und Quartetten, welche von Liebhabern in Wien und draußen auf dem Lande angefordert werden hat er gut verdient. Er kann also den Ehevertrag, in welchem die von den Brautleuten einzubringenden Summen aufgelistet sind, mit gutem Gewissen unterschreiben.

Guten Gewissens dürfen Maria Anna und Franz Joseph auch im Hinblick auf die religiösen Dimensionen ihrer Gemeinschaft sein. Beide verstehen gemäß der Lehre ihrer Kirche die Ehe als Sakrament. Das heißt, diese ist für sie etwas Geheiligtes sowohl in guten als auch in schlechten Tagen. Und Gott wird helfen, indem er den zwei Menschen, da sie sich nun füreinander entschieden haben, in ihren Bemühungen beisteht.

Ein kinderloses Paar

Was sie aber noch nicht wissen können, weil es sich erst in den Nächten danach offenbart, das ist etwas, das Joseph Haydn später in die Worte kleidet: "Mein Weib war unfähig zum Kindergebären." Viel ist aus diesen Aussagen abgeleitet worden, allermeist zum Nachteile von Frau Haydn und mit süffisanter Verständnisinnigkeit für ihren Ehemann. Nicht nur kinderlos ist sie geblieben, sondern auch zänkisch war sie, lieblos und verschwenderisch. Vielleicht wird einiges davon verständlich, wenn Haydns Aussage von der Unfähigkeit zum Kindergebären medizingeschichtlich - in aller wissenschaftlichen Korrektheit und mit allem dazugehörigen menschlichen Verständnis - interpretiert wird. Was Haydn ausspricht, bedeutet nach der damaligen Diktion: Frau Haydn hat aus dem Grund keine Kinder gebären können, weil sie aus organischen Gründen gänzlich unfähig zum Geschlechtsverkehr gewesen ist. Für ihre Mutterschaft und Haydns sehnsüchtig erwartetes Vatersein fehlte die prima causa sexueller Vereinigung.

Die Menschen damals haben nicht psychologisch im Sinne der erst viel später entstandenen Wissenschaft gedacht. Was sie mit ihren Worten aber umschreiben und durch ihr Tun demonstrieren, das ist auch ohne eine jeweils aktuelle wissenschaftliche Begriffsbestimmung zu verstehen: Frau Maria Anna lebt ihre körperliche Unbefriedigtheit in der Lust am Verschwenden und am Beherrschen aus, was aber letztendlich keinen Ersatz bietet und zu zänkischen Launen Anlass gibt.

Joseph ist - so nach seinen eigenen Worten und durchaus verständlich - "gegen die Reize anderer Frauenzimmer weniger gleichgültig." Er ist seiner Frau nicht treu - darauf deutet vieles hin. Aber immerhin bleibt er bei ihr. Nach dem damals in solchen Angelegenheiten auch für den Staat verbindlichen Kirchenrecht ist diese Ehe wegen ihrer Unvollziehbarkeit ungültig. Haydn dürfte sich also trennen und neu verheiraten.

Vor dem Altar im Stephansdom ahnen Maria Anna und Joseph natürlich noch nicht, dass der erste Schritt der frisch Vermählten aus der Kirche der erste ist in die Tragödie zweier Menschen, zuzuordnen jener "dringendsten Not", der wir nach Haydns eigener Aussage sein Werden und Sein als Komponist verdanken.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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