Zeigen, was niemand wissen darf
Die Vermessung der geheimen Welt
Mit kreativen und ungewöhnlichen Methoden arbeitet der amerikanische Experimentalgeograf Trevor Paglen: Mit Teleskopen erfasst er etwa jene Räume und Gebäude, deren Existenz, Standort und Zweck von höchsten Stellen geheim gehalten wird.
8. April 2017, 21:58
Es gelingt nur wenigen Geografen, auch außerhalb ihrer Branche Weltruhm zu erlangen. Einer von ihnen ist der Amerikaner Trevor Paglen. Seine Arbeit ist allerdings auch nicht der klassischen Geografie zuzuschreiben, wendet er doch höchst außergewöhnliche Methoden an und verarbeitet seine Erkenntnisse zu Kunstwerken und Büchern. Trevor Paglen macht jene Räume sichtbar, deren Existenz, Standort und Zweck von höchsten Stellen geheim gehalten wird.
Foltertaxis
Trevor Paglen widmet sich Phänomenen, die höchster Schweigepflicht unterliegen und für deren Recherche er daher oft Jahre braucht. Sein Buch "Torture Taxis" etwa berichtet von jenen geheimen Flügen, mit denen von US-Behörden festgenommene Menschen zum Verhör außer Landes gebracht werden.
Satelliten am Nachthimmel
Für ein anderes Projekt dokumentierte der Künstler den Flug von Spionagesatelliten am nächtlichen Himmel. Beim Orten der offiziell nirgendwo aufscheinenden Flugobjekte bekam er Hilfe von Hobbyastronomen, die ihm Aufzeichnungen zur Verfügung stellten. Um an geheim gehaltene Informationen heranzukommen, braucht Trevor Paglen durchaus nicht Gesetze zu brechen, er müsse nur die richtigen Leute kennen und zum reden bewegen, sagt er. Diese Informanten zu finden ist freilich eine Aufgabe, die Ausdauer und Geduld bedarf.
Politischer Akt
Mit für Astrofotografie gebauten Objektiven sind Paglen Aufnahmen von militärischen Sperrzonen gelungen, deren Existenz, Standort und Zweck geheim gehalten wird. Obgleich dabei schlierige, wenig aussagekräftige Bilder herauskommen: Für Paglen ist vor allem die Tatsache interessant, dass sie gemacht werden konnten und dass die Orte trotz gegenteiliger Darstellung wirklich existieren. Seine Arbeit sieht er durchaus als politischen Akt: "Ob eine CIA-Sperrzone oder eine öffentliche Bücherei: Beides gehört dem Staat, also den Steuerzahlern, also uns."
Verschlüsselte Aufnäher
Seine letzte Publikation ist einer skurrilen materiellen Ausformung der Schweigepflicht gewidmet: Wie in militärischen Verbunden üblich, werden auch die Mitarbeiter an Geheimprojekten mit farbenfrohen Aufnähern, sogenannten Patches, bedacht. Höchste Geheimhaltung gilt offenbar auch für die oft nicht entschlüsselbaren Botschaften auf diesen textilen Artefakten, die mit rätselhaften lateinischen Sprüchen und obskuren Bildchen ausgestattet sind.
Warum solche Patches überhaupt produziert werden, wenn es doch um strenge Geheimhaltung geht? Trevor Paglen meint, dass die Geheimnistuerei zur Identität der Mitarbeiter gehört. Zum Vergleich: Wenn Kinder Geheimbünde gründen, dann wird das Spiel erst dann aufregend, wenn man Außenstehenden das Geheimnis andeuten kann - und ganz ähnlich, meint Paglen, verhalte sich das bei Erwachsenen.
paraflows-Vortrag
Diese Woche ist Paglen bei paraflows in Wien zu Gast: Im Rahmen des Festivals für digitale Kunst und Kulturen hält er am Montag, den 15. September 2008, im Metalab in der Wiener Rathausstraße einen Vortrag über Orte, die offiziell nicht existieren: "Blank Spots on the Map". Am Mittwoch, den 18. September 2008, beteiligt er sich mit Rachel Lovinger und Jason Scott an einer Gesprächsrunde. Zusammengestellt wurde die paraflows-Diskursschiene von Johannes Grenzfurthner und der Gruppe monochrom.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Leporello, Montag, 15. September 2008, 7:52 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
paraflows 08 - Festival für Digitale Kunst und Kulturen, bis 24. Oktober 2008, MAK-Gegenwartskunstdepot in Wien
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