Fleißige Archivare

Benediktinerstift Göttweig

Im Benediktinerstift Göttweig werden Archivalien, wissenschaftliche und literarische Werke und Musikalien sehr ordentlich gesammelt und aufgehoben. Unter anderem befindet sich dort eine Messe, angeblich von Haydn. Stammt sie wirklich von ihm?

Haydn örtlich - Teil 33

"Monasterium beatae Mariae in Monte Kotwich" - der Gottesmutter weiht der nachmals heilige Bischof Altmann 1081 seine Gründung hoch über der Donau. Aus seiner Bischofsstatt Passau ist er vertrieben worden, der österreichische Markgraf Leopold II. nimmt ihn auf. Beide gemeinsam wollen ihre damalige Welt verändern - und die Welt befehdet sie dafür und hofft, aus den Niederlagen der beiden eigenen Gewinn zu ziehen.

Unabhängigkeitsbestrebungen

Bischof und Fürst treten für die Freiheit der Kirche, deren Unabhängigkeit von der Politik ein. Der Glaube ist nicht käuflich, daher soll niemand durch Geld an ein geistliches Amt kommen. Das sind gewagte Forderungen in einer Zeit, da die Mächtigen ihre Vertrauten in die hohen geistlichen Würden berufen, um die kulturellen und organisatorischen Kräfte der Kirche staatlich nutzen zu können. In Österreich setzen zwei tatkräftige Menschen ein deutliches Zeichen dagegen.

700 Jahre später verstehen es die Göttweiger Benediktiner, sich den Begehrlichkeiten des josephinischen Staatskirchentums zu entziehen. Aus ihrem Orden kommen die Spitzen der Wissenschaften, Experten für Philosophie und Geschichte, Beobachter und Erforscher der Natur. Die Künste sind in diese Bestrebungen mit Notwendigkeit einbezogen, gehören sie doch seit den frühesten Tagen des Christentums zum Grundschatz all dessen, was gewusst werden kann und daher auch gewusst werden soll.

Es passt in diesen Rahmen, dass die Göttweiger Mönche, als ihr Stift 1718 abbrennt, vor allem ihre Bibliothek und ihre Archivalien retten. Auch im neuen Bau des Lukas von Hildebrandt muss viel Platz sein für die Werke der Wissenschafter und Dichter, aber auch für Musikalien. Gerade im Bereich der Tonkunst wird eifrigst gesammelt und das zur Ausführung benötigte Material vorbildlich geordnet.

Eine Messe von Haydn

1830 wird ein neuer "Katalogus Operum Musicalium in Choro musicali Monasterii Ordinis Sancti Patris Benedicti Gottwicensis” angelegt. Im Tomus primus auf Seite 107 ist zu lesen: "25.: Missa a 4 vocum, 2 Violinis , organo, prod. 1779." Das Werk ist unter die "Incognita" eingereiht, weil der auf dem Einband stehende Name Joseph Haydn irgendwann durchgestrichen worden ist.

Und doch: Es ist eine Messe Haydns, welche die Göttweiger in ihrem Archiv haben und die sie, wie es Eintragungen auf den Stimmen zu entnehmen ist, auch fünfzehn Mal aufgeführt haben.

Und gäbe es nicht ihre Abschrift, niemand könnte mehr etwas von diesem kleinen Stück Kirchenmusik wissen, weil keine anderen Ausgaben davon bekannt sind. Und es ist nicht nur eine Messe Haydns, sondern seine allererste: die "Missa brevis alla capella 'Rorate coeli desuper' ". Sehr bescheiden ist dieses Werk für die Adventzeit, in welchem der Komponist eine gregorianische Melodie verarbeitet, eben jenes "Rorate coeli", zu Deutsch "Tauet Himmel".

Fleißig, aber nicht ausgereift

"Ich habe damals fleißig, doch nicht ganz gegründet geschrieben, bis ich bei Porpora die ächten Fundamente der Satzkunst erlernt habe." So erinnert sich Haydn im Alter. Damals - wann war das im Hinblick auf die Messe? Ist sie das Werk des Sängerknaben? Hat Domkapellmeister Reutter ihn dazu angeregt? Dessen Name taucht auch auf im Zusammenhang mit dieser Komposition - aber die ist so voller theoretischer Fehler, dass sie unmöglich von einem Musiker stammen kann, der zwar kein Genie ist, aber sein Handwerk vorzüglich beherrscht. Zudem ist der Anfang der ersten Violinstimme eingetragen in Haydns "Verzeichniß aller derjenigen Compositionen welche ich mich beyläufig erinnere, von meinem 18ten bis in das 73:te Jahr verfertigt zu haben". Und der Meister hat die Messe auch in seinem "Entwurff-Katalog" verzeichnet.

Am 7. März 1957 entdeckt der bedeutende Haydnforscher H. C. Robbins Landon die Abschrift im Archiv von Göttweig und macht Haydns erste Messe nach fast 200 Jahren der Verschollenheit wieder zugänglich. Ganz schlicht ist sie - und doch war sie den verständigen Mönchen recht für den Gottesdienst in der prachtvollen Stiftskirche an den dunklen, aber erwartungsvollen Tagen des Advent, wo man bittet, dass der Himmel sich öffne: "Rorate coeli desuper".

Mehr zu "Haydn 2009" in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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