C-Dur als Tonart des Vertrauens
Piaristenkirche
Haydn erlebt lange Zeiten des Krieges, und im Jahr 1796 schreibt er auch eine "Missa in tempore belli", die bezeichnenderweise in C-Dur, der Tonart des Vertrauens, steht. Die Pauken ahmen dabei die französischen Kriegstrommeln nach.
8. April 2017, 21:58
Haydn örtlich - Teil 45
Musik in C-Dur durchhallt das Gotteshaus. Haydn hat keine fröhliche, sondern eine zuversichtliche Tonart gewählt, in welcher seine Messe die Gemüter gläubiger, aber geängstigter Menschen anspricht, die sich am Stephanitag, dem 26. Dezember des Jahres 1796 in der Kirche zu "Maria Treu" versammeln.
Die steht in der Josefstadt, wo Haydn einstmals in der Privatkapelle des Grafen Haugwitz die Orgel gespielt hat. Damals war auch Krieg - wieder einmal, oder immer noch. Es zieht sich der Krieg gleich einem blutigroten Faden durch Haydns Leben.
Lange Kriegszeiten
Seit 1740 - mit dem Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges - erlebt er an die zwei Jahrzehnte, in denen Österreich kämpfen muss. Die Friedenszeiten erscheinen da fast wie Pausen, in denen sich die Kriegsfurie erholt, um danach umso gestärkter zu wüten.
1796 dröhnen wieder die Waffen. Napoleon ante portas! Und vielleicht bald "intra muros"! Die Franzosen haben im September 1795 die Rheingrenze überschritten, die Österreicher sind ihnen schon mehrfach entgegengetreten.
Seit 27. März 1796 hat General Bonaparte den Oberbefehl über die in Italien kämpfenden französischen Truppen. Und der französische Plan sieht vor, diese ausgerechnet in Wien mit den anderen Heeresteilen zu vereinigen. Österreich befiehlt die Generalmobilmachung.
Eine Messe in Kriegszeiten
Haydn komponiert eine Messe und schreibt auf die erste Seite den liturgischen Titel: "Missa in tempore belli". Auf Seite zwei vermerkt er: "In nomine Domini - Eisenstadt 1796 Haydn manu propria." Zweimal, am Schluss des "Credo" und ans Ende des Werkes schreibt er "Laus Deo" und bekundet so seinen Dank an den Lieben Gott.
Zwei große Messen in einem Jahr
In diesem Jahr komponiert Haydn zwei große Messen, eben jene "in Kriegszeiten" und dann noch die "Missa Sancti Bernardi de Offida". Im Weitesten hängt dies mit Haydns Amt als esaterházy'scher Kapellmeister zusammen. Fürst Anton stellt seine wiederinstallierte Hofmusik ganz in den Dienst der Musica sacra. Zumal an den Namenstagen seiner Ehefrau Josepha Maria Hermenegild, der zu Mariae Geburt am 12. September gefeiert wird, soll besondere Musik erklingen und Haydn wird sechs Messen schreiben. Aber warum 1796 zwei davon? Haydn ist ein schneller und konzentrierter Arbeiter, er muss nicht ein Jahr vorarbeiten.
Die "Missa in tempore belli" ist also ziemlich sicher auch eine Namenstagsmesse, vor allem aber eine, welche aufgrund der Kriegszeiten notwendig wird und in welcher daher in allerhöchster Intensität Geist und Herz dem Lieben Gott zugewendet werden. Vielleicht erklärt sich daraus auch die öffentliche Aufführung oder wahrscheinlich sogar Uraufführung in der Josefstädter Piaristenkirche.
Diese Ordinariumsvertonung ist die dritte, für welche Haydn die Grundtonart C-Dur vorsieht - und sie gleicht diesbezüglich den beiden früheren "Mariazellermessen". Mariazell in der Steiermark - Maria Treu in der Wiener Josefstadt? Die Gottesmutter als heilige Person des Vertrauens, das durch C-Dur, die Tonart ohne Vorzeichen, musikalisch zur Evidenz gelangt!
Tonartencharakteristik
Haydns Klangvorstellungen fußen fest in den ästhetisch vielfach begründeten Überlegungen zur Charakteristik einer Tonart - und der Komponist lässt sein Werk anheben, indem der Chor im Unisono mit den Dreiklangstönen C-E-C-G-E das Wort "Kyrie" exponiert. Diese Deutlichkeit wird nur noch im "Agnus dei" überboten, wo Haydn gleichsam ein nur allzu bedrohliches Geräusch dieser Tage in seine Musik hineinnimmt: im Sechsachteltakt schlägt die Pauke, pianissimo wie aus der Ferne, aber schon allzu hörbar den Rhythmus; "Taam - tatatatatamtatatata - taam", der gleichsam den Beweis liefert für die Notwendigkeit, dass der Liebe Gott das Flehen der Seinen um Frieden erhört.
In einem solchen Rhythmus erklingen nämlich auch die französischen Kriegstrommeln. Haydn spielt das Paukensolo selbst, weil's ihm kein Anderer recht macht. Die Aufführung in der Josefstädter Piaristenkirche zu Maria Treu ist am Stephanitag - also nach Weihnachten und demnach "mitten im kalten Winter", der von der Kälte des Krieges noch übertroffen wird. Haydns C-Dur-Messe: Ringt sie mit Gott um die innere Wärme des Vertrauens?
Mehr zu "Haydn 2009" in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr
Links
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Haydn 2009
Piaristenpfarre Maria Treu
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