Ein verwinkeltes Gebäude
Das alte Burgtheater
Das alte Burgtheater wird im Laufe der Zeit so oft verändert - vor allem werden Teile hinzugefügt -, dass es bald nicht mehr als Gebäude, sondern eher als Wucherung zu bezeichnen ist. Doch 1797 ist es Schauplatz eines besonderen Ereignisses.
8. April 2017, 21:58
Haydn örtlich - Teil 46
Irgendwann wird es schon ein rechtes "G'frett" mit diesem Haus am Michaelerplatz. Im Laufe der Zeit ist es nämlich eigentlich kein Gebäude mehr, sondern eine Wucherung, zu welcher eben jener Lauf der Zeit immer etwas beigetragen hat, sodass letztendlich ein undurchschaubares und schwer zu durchdringendes Gewurl und Gewirre von An- und Zubauten, Hinter- und Seitentreppen ein "Nationaltheater" vorstellen soll.
Seinerzeit hässlich, im Rückblick schön
Durch den Haupteingang dieses prominent und staatstragend sein sollenden Hauses kommt man zwar auf die Hauptstiege, aber die führt irgendwann durch dunkle, winkelige Gänge, die infolge irgendeines Zubaues entstanden sind. Bis zum neuen Burgtheater auf der Ringstraße hat es noch gute Zeit - und so sehr über das Haus vor der Hofburg auch gematschkert wird, wenn es einmal nicht mehr da ist, dann mutiert es allemal zum Objekt verklärender Erinnerung.
Diese trügt aber diesmal nicht: sie ist ganz richtig im Hinblick auf die Gloriosität jenes seltsamen Hauses. Und dies durchaus auch im Hinblick auf die Musik, noch dazu in deren wienerisch- klassischer Ausprägung: Mozart, Haydn, Beethoven - diese Namen geben dem alten Burgtheater Glanz und viele werden später meinen, dass das neue Haus am Ring einen solchen Glanz nie und nimmer wird bekommen können.
Im Geistigen ist das alte Haus mithin schön und in seinem Inneren kann man sich durchaus wohl fühlen. Auch und natürlich wieder im Vergleich mit dem neuen Haus wird man den Zuschauerraum einmal "gemütlich" finden.
Andere Sorgen als Architektur
Es wird aber schon so sein, dass im Jahre 1797 auch jene Leute, die gerne ins Theater gehen, andere Sorgen haben als solche um die architektonische Ästhetik des Burgtheaters. Napoleon rückt immer näher, der Krieg streckt seine Krallen immer fühlbarer Richtung Österreich aus und verständlicherweise herrscht Erregung in den Ländern des Hauses Habsburg.
Das "Kaiserlied"
Joseph Haydn möchte das Seine beitragen zur Stabilisierung der inneren Befindlichkeit der Menschen in Österreich. Seine Erfahrungen von den Reisen nach England tragen Frucht. Hat er nicht dort das "God save the King" gehört, welches die Haltung zu König und Vaterland so sehr festigt? Warum soll Österreich nicht auch ein solches Lied haben? Und wer anders könnte es schreiben als eben Haydn selbst? Den Text verfasst ihm eine etwas zwielichtige Figur: Lorenz Leopold Haschka. Der war zuerst Jesuit, nach der Aufhebung des Ordens wird er Freimaurer und fast militanter Kirchengegner und als Staatsspitzel wird er seiner Karriere noch eine besondere Facette hinzufügen.
Ist der Text aber gar so wichtig für Haydn? Singen sollen die Menschen und dabei Kraft und Vertrauen gewinnen und dem Monarchen auch vermitteln. Der gute Kaiser Franz hat am 12. Februar Geburtstag. Und, so berichtet das "Magazin für Kunst und Literatur" im Jahre 1797 folgendermaßen:
Der Geburtstag unseres erhabenen und allgemein geliebten Kaisers wurde dieses Jahr auf eine Art gefeyert, die bisher in Oesterreich noch unbekannt war. Ein warmer Verehrer Seines Monarchen traf die Anstalt, die dem allgemeinen Wunsch nicht angemessener seyn konnte, aller Orten den treuen Völkern der Österreichischen Monarchie Gelegenheit zu verschaffen, die Empfindungen ihres Herzens für das Wohl ihres geliebten Fürsten öffentlich und gemeinschaftlich darbieten zu können.
In allen Theatern der Monarchie erklingt an diesem Tag Haydns "Kaiserlied". Im Wiener Burgtheater auf dem Michaelerplatz stimmt das Publikum die Melodie an, als der Monarch den Zuschauerraum betritt. Sicherheitshalber wird es vom Orchester begleitet, für das der Komponist extra Stimmen und einen einleitenden G-Dur-Akkord schreibt.
Eine Anspielung auf das "Vater Unser"
Haydn hat ein echtes "Volcks-Lied" komponiert. Irgendwie geht die Melodie gleich ins Ohr - und die Menschen erkennen vielleicht die vertrauten einleitenden Intervalle: Es sind jene des altüberlieferten gregorianischen "Pater noster, qui es in coelis." Verweist der Komponist damit nicht auf den wirklichen Herren und Vater im Himmel, von dem auch der Kaiser abhängig ist und dem er daher empfohlen werden soll?
Mehr zu "Haydn 2009" in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr
Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009
YouTube - Pater noster
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