Der Klangcharakter einer Landschaft
Musik des Nordens
Oft spiegelt sich der Charakter der Landschaft in skandinavischer Musik, vor allem, wenn es um Norwegen und um Musik von Grieg geht, aber auch durch den folkloristischen Einschlag mancher Kompositionen von Alfven, Sibelius und Peterson-Berger.
8. April 2017, 21:58
Deutlich zeigen die Vermarktungsstrategien von Reiseveranstaltern wie Hurtigruten, wie stark sich Landschaftscharakter, besonders der norwegischer Fjorde, mit der Musik des Landes verbinden lassen kann. Auch der Titel "Edward Grieg - Klassik zwischen Himmel und Erde" war der einer Themenreise auf der norwegischen Postschiffroute.
Oft mehr als in der Musik anderer Länder spiegelt sich der Charakter der Landschaft in skandinavischer Musik. Das gilt ganz besonders für die Musik von Edward Grieg, aber auch, wenn es um den starken folkloristischen Einschlag mancher Kompositionen von Hugo Alfven, Jean Sibelius, Wilhelm Peterson-Berger und anderen geht.
Musikalisches Nationalbewusstsein
Wie fast überall in Europa entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts auch in Skandinavien das nationale Bewusstsein so stark, dass das Musikleben davon beeinflusst wurde. Sammlungen von Volksmelodien entstanden und Komponisten begannen volkstümliche Elemente in ihre Werke einzubeziehen.
In Finnland etwa ist das allerdings relativ spät geschehen. Denn es war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts schwedisch dominiert, wurde dann an Russland abgetreten, erhielt jedoch zeitweise eine relativ akzeptable Autonomie. Das änderte sich in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. Kein Wunder, dass einige der national akzentuierten Werke von Jean Sibelius gerade in dieser Zeit entstanden sind.
"Finlandia" war verboten
Zum Beispiel die musikalischen Miniaturen, die Jean Sibelius zu Szenen aus der Geschichte der Südost-Provinz Karelien komponiert hat, aus denen später eine Suite wurde, die starke Verbundenheit mit der Natur, die Stimmung der endlosen Weite der Landschaft, aber auch seine Nähe zur Folklore des Landes zeigt, ohne dass Sibelius konkrete Volksliedthemen verarbeitet hätte.
Das populärste Werk von Jean Sibelius, "Finlandia", konnte zeitweise nur im Ausland gespielt werden, weil es vorübergehend von den Behörden des zaristischen Russland verboten gewesen ist. Es ist ein programmatisches Stück, in dem Sibelius den kämpferischen Nationalstolz der Finnen mit ihrem Streben nach Unabhängigkeit auf eine wirksame musikalische Formel gebracht hat.
"Finlandia" zündete sofort und ist nach wie vor so etwas wie eine inoffizielle Nationalhymne. Es gibt mittlerweile über einhundert Bearbeitungen von diesem Stück, das - neben "Valse triste" - dem Namen Sibelius auch im Ausland Wunschkonzertpopularität erobert hat.
Ein Finne in Wien
Sibelius erregte schon früh mit den ersten Kompositionen in Finnland Aufsehen und als der junge Finne beschloss, sich in Wien weiterzubilden, gab ihm Ferruccio Busoni, der damals in Helsinki am Konservatorium eine Klavierklasse leitete, eine Empfehlung an Johannes Brahms mit.
Zu einer Begegnung mit Brahms kam es zwar nicht, dennoch verbrachte Sibelius etwa acht Arbeitsmonate in der Metropole der Donaumonarchie. Denn die Atmosphäre der Stadt hat den jungen Finnen begeistert: "Wien ist ein Ort ganz nach meinem Geschmack. Alles ist so freundlich und groß, hell und klar. Diese Luft macht mich verrückt. Walzer schwirren mir im Kopf herum, und alle sind sie wie von Schubert", schrieb er nach Hause.
Valse triste
Übrigens Walzer von Schubert sind damals - 1890, also mehr als 70 Jahre nach Schuberts Tod - nicht allzu bekannt gewesen, denn Pianisten begannen erst im 20. Jahrhundert Schuberts Klaviermusik ins Repertoire zu nehmen. Vielleicht von Wien beeinflusst schrieb Sibelius auch Walzer - allerdings nur gelegentlich. Die bekannteste Ausnahme ist "Valse triste" aus der Bühnenmusik op. 44 zum Schauspiel "Kuo-lema" (Der Tod) von Arvid Järnefelt.
Wilhelm Peterson-Berger
Zum Unterschied von Sibelius, der schwedisch erzogen worden ist und erst während seines Wienaufenthaltes begonnen hat, Finnisch zu lernen, war Wilhelm Peterson-Berger gebürtiger Schwede. Jahrgang 1867. Er studierte Musik zunächst in Stockholm, dann in Dresden, wurde Klavierlehrer und Musikkritiker, später Opernregisseur. In der Musikgeschichte Schwedens gilt er als der am meisten ausgeprägte Nationalromantiker - natürlich auch der Volksmusik zugewandt.
Besonders geschätzt wurde er als Liedkomponist, eine Sparte, in man ihn in seiner Heimat als einen Nachfolger Robert Schumanns sieht. Von besonderer Bedeutung für ihn war die Landschaftsschilderung. Ähnliches gilt für Hugo Alfven, der vor allem mit seiner "Schwedischen Rhapsodie" nach skandinavischen Volksliedmelodien über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde.
Folkloristisches Musical
Last but not least nochmals nach Norwegen, woher der populärste skandinavische Komponist stammt: Edward Grieg. Zu Ibsens "Peer Gynt", der als norischer Faust gilt, hat er die erfolgreichste Schauspielmusik seit Mendelssohns Beitrag zum "Sommernachtstraum" geschrieben. Heute ist die Melodie, die einst Peter Lorre in dem Fritz Lang-Film "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" gepfiffen hat, in fast jedem zweiten Handy als Klingelzeichen zu finden.
Und mit einer ganzen Reihe seiner Melodien hat Grieg posthum einen Beitrag zum Broadway-Repertoire geliefert, weil sie die Autoren Wright and Forrest als musikalisches Ausgangsmaterial für ihr Musical "Song of Norway" verwendet haben.
Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 22. September 2008, 10:05 Uhr