Die Sopranistin Anja Silja
Vom "Enfant terrible" zur "Grande Dame"
Einst galt Anja Silja als "Enfant terrible" der internationalen Opernszene, ein Hauch von "Flower Power" umwehte ihre Auftritte als knapp 20-Jährige. Und selbst die Fans fürchteten ein jähes Ende ihrer Karriere. Doch es kam ganz anders.
8. April 2017, 21:58
Im Mai 2009 waren es genau 50 Jahre, dass die rotblonde, hochgewachsene Sängerin erstmals an der Wiener Staatsoper sang. 2010 begeht sie - als "Grande Dame" der internationalen Opernszene - ein ganz seltenes, das 60-jährige Bühnenjubiläum. Im Charakterfach - als Küsterin, Klytämnestra oder Pique Dame-Gräfin - ist sie nach wie vor weltweit geschätzt.
Rosina mit Verzierungen
In einer ausverkauften "Opernwerkstatt" am Sonntag, dem 21. Juni 2009, versuchte die als Senta in Bayreuth 1960 auch international entdeckte Sängerin eine Erklärung dafür zu liefern, wie es zu dieser unglaublich langen Karriere kam. Mit Hilfe von bisher unbekannten Tondokumenten zeichneten der Moderator Peter Dusek und die 1940 in Berlin geborene Künstlerin ein Sängerleben nach, das in seiner Art ohne Vergleiche ist.
Unter anderem ist jetzt eine Aufnahme eines Konzertes aus dem Jahr 1951 aufgetaucht, in dem Anja Silja die Arie der Rosina mit Verzierungen singt, wie man sie wohl noch nie gehört hat. Da wird getrillert und "tiriliert" bis hinauf zum hohen A - ein Ton, der eine Terz über dem gefürchteten F der "Königin der Nacht" liegt.
Heute Hobbygärtnerin
Anja Silja hatte noch andere CD-Raritäten parat: Isolde aus Rom unter André Cluytens, Elektra aus Paris oder Lady Macbeth aus München - wo sie (wie schon 1960 als Senta in Bayreuth) kurzfristig für Leonie Rysanek einsprang. Bei dieser Gelegenheit lernte sie ihren späteren Ehemann Christoph von Dohnanyi kennen.
Inzwischen ist die Mutter von drei Kindern längst Oma und widmet sich wieder ausschließlich der Bühne. Dazwischen wirkt sie als Hobbygärtnerin oder verschlingt theologische Fachliteratur - insbesondere die Bücher des jetzigen Papstes haben es ihr angetan.
"Schlüsselrolle" Emilia Marty
In der "Opernwerkstatt" zu hören war auch Anja Silja 16-jährig als "Königin der Nacht" und im Finale der "Fliegenden Holländer"-Produktion unter Otto Klemperer. Das ehemalige Wunderkind, das einst vom ambitionierten Großvater "gepusht" worden war, konstatierte: "Meine Schlüsselrolle ist tatsächlich die Emilia Marty von Leos Janácek geworden, denn sie hat schon mehrere Karrieren - als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin - hinter sich. Und mir geht es ebenso - auch wenn ich noch nicht 300 Jahre singe. Aber vorkommen tue ich mir doch öfters wie Emilia Marty."
Die Sopranistin wird auch in den nächsten Jahren für diverse Überraschungen gut sein. Und immerhin: Sie wird auch unter Dominique Meyer die Pique-Dame-Gräfin singen - und dann ist es zum Jubiläum 55 Jahre an der Wiener Staatsoper gar nicht mehr weit.
Hör-Tipp
Opernwerkstatt, Sonntag, 16. August 2009, 15:06 Uhr
Link
Wiener Staatsoper - Anja Silja