Der weite Weg zum Werk

Der Maler Herwig Zens

Weit über tausend druckgraphische Blätter, Zeichnungen, dazu Ölbilder und Kunstwerke in den ungewöhnlichsten Formaten hat Herwig Zens bereits geschaffen. Mit einfliegenden Musen hatte der Künstler zu seinem Bedauern bis dato jedoch nicht zu tun.

Herwig Zens...

Weit über tausend druckgraphische Blätter, Radierungen und Zeichnungen; dazu Ölbilder, Interpretationen zu Franz Schubert oder Franzisco de Goya und Kunstwerke in den ungewöhnlichsten Formaten - wie etwa das 1977 begonnene "Radierte Tagebuch" - hat Herwig Zens bereits geschaffen. Mit einfliegenden Musen hatte der Künstler zu seinem Bedauern bis dato jedoch nicht zu tun: Sein Werkalltag sieht weitgehend profan aus.

"So an die 30 bis 40 Radierungen" mache er an guten Tagen, sagt Herwig Zens. An schlechten Tagen plagt er sich hingegen mit Steuererklärungen ab, oder mit "zwanghaftem und meist gänzlich unnötigem Beantworten von E-Mails, oder mit den "Zeitdieben", wie er sie verächtlich nennt: jenen vorgeblich kunstinteressierten Besuchern, die ihn stundenlang beschwatzen und seinen Atelier Wein trinken, um dann doch nichts zu kaufen, oder - fast noch schlimmer! - seine Kunstwerke um den halben Preis schnorren wollen! Sind derlei Hindernisse überwunden, ist der Künstler allein mit sich. Da steht er dann in seinem Atelier in Wien-Wieden, das "an Batzn Geld kost", wie er grummelt, und in dem er ob chronisch vorherrschender Unordnung so gut wie nie "was findt". Und der Funke, der könnte nun eigentlich zünden.

Herwig Zens bezeichnet sich selbst als obsessiven Menschen. Besessen ist er etwa von dem spanischen Maler Francisco de Goya, den er seit seiner Dissertation über die Pinturas Negras verehrt und künstlerisch interpretiert. Die Galerie Lehner am Wiener Getreidemarkt zeigt derzeit übrigens eine Auswahl von Zens Ölbildern und Graphiken, die aus dieser Leidenschaft entstanden sind. Besessen ist Herwig Zens noch von einem anderen Thema: dem Tod im weitesten Sinn. Er sei gewissermaßen Thanatologe seit seiner Kindheit, schließlich war schon die Großmutter des 1943 in Himberg bei Wien geborenen Zens Vorsteherin des örtlichen Friedhofs. Zudem überwand Zens bereits in jungen Jahren einen Herzinfarkt, was ihn ebenfalls in ein gewisses Naheverhältnis zum Sterben versetzte.

Im November begann 1977 begann Zens das erste Mal, die Ereignisse seines Lebens aufzuzeichnen: auf 5 cm breiten und 40 Zentimeter hohen Kupferplatten ätzt er seitdem banale und wichtige Notizen aus seinem Alltag, so etwa eine Bemerkung aus seiner Zeit an der Hochschule am Wiener Schillerplatz: "Das Gemurkse an der Akademie wird ungustiös" oder über seine Frau Gerda: "Das Beste, was mir je passiert ist." Soeben ist der inzwischen emeritierte Professor bei der 600. Platte sowie der Gesamtlänge von 55 Metern angelangt. Auch sein radiertes Tagebuch sei ein Versuch, die Endlichkeit der Zeit zu bannen, also dem Tod versuchsweise entgegenzuwirken

"Eines Tages wird das Tagebuch aufhören", das sei ihm schon bewusst, sagt Herwig Zens. Und auch das Malen und seine Besessenheit werden ein Ende finden. Bis dahin jedoch ist Herwig Zens fest entschlossen, zumindest den Versuch der Unendlichkeit unternehmen.

Hör-Tipp
Leporello, Montag bis Freitag, 7:52 Uhr

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Herwig Zens