Nackt wird man sehr dezent

Schnackseln, pudern oder ficken?

Wir reden nur über die Bezeichnung, aber gehen nicht ins Detail, dafür in die Sauna, wo menschliche Nacktheit noch anrühren kann. Dabei stellen wir fest, dass das Barbusige zu kleinen Gesten zwingt, die großen heben wir uns auf für andere Gelegenheiten.

Ob wir hier immer noch schnackseln sagen würden oder pudern, ist die Frage eines aus Deutschland Zugewanderten. Ficken, sage ich, ganz einfach ficken, und das wüsste der Fragende ja ohnehin. Das harte Wort direkt gesprochen macht einen so verwegen, so unverblümt und ficken hat nun wirklich nichts mit Blumen zu tun. Pempern, werfe ich ein, um das Harte abzuschwächen, pempern ist auch noch ein nettes Wort. Das klingt nach einseitiger Aktivität, meinen die anderen, und zugegeben: Daran ist was Wahres.

Schnackseln ist geteilter Spaß, ficken hat einen ernsten Hintergedanken und pudern, bitte, das war einmal. Vögeln detto. Oder? Keine Sorge, ich wage mich nicht in Feuchtgebiete vor, dazu bin ich zu wenig Charlotte Roche und zuviel ich selbst. Ich könnte höchstens von der Sauna berichten, auch ein Feuchtgebiet, das hatten wir hier zwar schon, aber ich erst kürzlich wieder.

Also, Sauna. Natürlich schaut dort niemand auf die Nacktheit des anderen und natürlich tun es alle. Aber das ist einerlei, man macht es mit Gleichmut. Die Therme ist, als wir eintreffen, bereits voll nackter Menschen, wir werfen unsere Hüllen ab, werden anonym und eilen zum ersten Aufguss, zum Warm- und Weichwerden. Man setzt sich so, dass einem niemand zwischen die Beine späht, und so, dass man niemandem zwischen die Beine spähen muss, das gebietet der Anstand.

Opfert sich dann ein Mann, um den Aufguss zu machen, übersieht man dessen Geschlechtlichkeit völlig. Frauen opfern sich selten. Grillen und Sauna-Aufguss sind Männersache, belassen wir es dabei. Persönlich hätte ich auch keine Lust, handtuchwirbelnd meine Nacktheit herumzuschwenken.

Nackt wird man sehr dezent. Man legt die Brille in das Brillenfach, hängt das Handtuch auf, schlüpft aus dem Bademantel und in die Saunakammer, schaut, dass man dort sein Saunatuch und sich selbst gut platziert, das alles mit kleinen, unaufgeregten Bewegungen. Das Barbusige verführt in diesem Zusammenhang nicht zu großen Gesten.

Gut allerdings, wenn sich der Körper mit Ausladungen zurückhält. Man kann sich mit einem Fahrgestell wie dem meinen relativ unauffällig durch einen Saunatag bewegen. Und schauen. Wie viele Leute tätowiert sind. Schöne, aber langweilige Tattoos. Keltische Ranken auf Oberarmen, neckisches Zeugs an der Fußfessel, kleine Rosen am Schulterblatt, Feen über dem Steiß. Drei Männer fallen mir auf, einer davon trägt den rechten Arm vierfarbig pigmentiert von der Schulter bis zum Handgelenk, das ist schon interessanter. Ich denke an den Briten, der mir kürzlich in der U-Bahn mit einem Kinderwagen über den Fuß gefahren ist, an seine Männerarme mit einfachen Tätowierungen, Fußballclubs, Namen, was weiß ich, Symbole seiner Stammeszugehörigkeit, Zeichen statt Verzierung, so richtig Old School. Das Kind des Briten war noch klein, tanzte glatz- und rundköpfig an den Händen der Mutter, eine fröhliche Szene, wir grinsten uns an.

Noch weiter zurück in der Vergangenheit die Erinnerung an das erste Erkunden eines schönen Mannes, die Entdeckung des Tattoos auf seiner Schulter, das Bild und der Moment im Kopf eingeprägt, na ja, auch schon lange her.

Hingegen hier, viel nichtssagendes Design an glatten Körpern, wobei glatt bedeutet: Glatt. Haarlos. Zu den dicken, den krampfaderigen, denen mit vielen Haaren, denen mit breiten Hüften, zu den schlanken und ranken Nackten kommen die Ganzkörperrasierten. Man sieht völlig unbehaarte Geschlechtsteile, bei Frauen und bei Männern, eigenartig, schamlos kindlich, wie ein Signal und nein, mir gefällt das nicht. Nacktmolche, denke ich, beim Heimfahren reden wir darüber und sind uns nicht einig, ob wir so jemanden im Bett haben würden wollen, zumindest theoretisch.

Das Ergebnis der Diskussion lasse ich aus, wahrscheinlich bin ich für einen Kultursender eh schon zu weit ins Detail gegangen, vielleicht hat man sich ja auch erwartet, dass ich die Wahl kommentiere, aber nein, da bleibe ich lieber gedanklich noch in der Sauna, wo mich die menschliche Nacktheit anrührt, nicht deren Blödheit.

Weichgekocht dusche ich, wickle mich in den feuchten Bademantel und föne mein Haar vor einem großen Spiegel. Als mein Bademantel aufgeht, stehe ich selbst nackt vor mir und finde, auch mein Körper hat schon etwas Rührendes an sich, die Narben auf dem Bauch, der einmal flacher war, und überhaupt verändert sich alles, ob ich will oder nicht.

Wahrscheinlich, kommen wir zum Schluss, ist Liebe machen immer noch die bessere Bezeichnung, klingt harmlos, und so soll es ja auch sein.

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