Zwischen Euphorie und Panik
Russland und die Finanzkrise
Die Moskauer Börse ist zurzeit geschlossen. Die Kursverluste waren in dieser Woche so stark, dass die russische Wertpapierbehörde den Handel für den Rest der Woche stoppen musste. Das zeigt, dass auch die russische Wirtschaft massiv von der Finanzkrise getroffen wird.
8. April 2017, 21:58
Die Börse in Moskau leidet besonders unter der internationalen Finanzkrise. Die Kurse sind zwar weltweit abgestürzt, kaum irgendwo haben die Anleger aber so panisch reagiert wie in Russland. Mehrmals in den vergangenen Tagen und Wochen mussten die Behörden die Moskauer Börse tageweise zusperren, weil die Kurse außer Kontrolle geraten waren. Das zeigt, dass das russische Wirtschaftssystem zwar viele Chancen, aber auch große Risiken bietet.
Großer Hoffnungsmarkt
Russland gilt für viele Unternehmen weltweit als eines der großen Hoffnungsgebiete. Die russische Wirtschaft wächst. Russland hat jede Menge Geld, das Land hat Reserven von 600 Milliarden Dollar, hauptsächlich aus dem Verkauf von Öl und Gas. Aber die russische Wirtschaft hat schwere Probleme. Die sind in der Finanzkrise der vergangenen Wochen deutlich geworden.
Eines dieser Probleme sind die Banken. In Russland sind derzeit weit über 1.000. Banken tätig. Die meisten sind klein und erweisen sich in schwierigen Zeiten nicht gerade als krisensicher. Auch in den russischen Banken wird das Geld für tägliche Geschäfte knapp. Das bekommen die Unternehmen zu spüren, die es immer schwerer haben, ihre Geschäfte zu finanzieren.
In der Krise kommt es der Regierung in Moskau gelegen, dass die drei größten Banken des Landes unter staatlicher Kontrolle stehen. So hat Finanzminister Kudrin diese drei Banken gedrängt, den anderen Banken Milliarden zur Verfügung zu stellen. Nur so konnte Kudrin verhindern, dass das System zusammenbricht.
Mühle auf, Mühle zu
Der Plan, Geld auf den Markt zu werfen, mag zwar die Probleme einiger kleiner Banken für den Moment gelöst haben. Er verschärft aber ein anderes Problem, das für die russische Wirtschaft nicht weniger bedrohlich ist: Die Inflation. Je mehr Geld der Staat in Umlauf bringt, desto größer die Gefahr, dass die ohnehin hohe Inflation außer Kontrolle gerät. Das Finanzministerium hat für heuer mit knapp über zehn Prozent gerechnet. Inzwischen erwarten Wirtschaftsexperten, dass die Teuerung über 15 Prozent ausmachen wird.
Wenn das Leben in diesem Ausmaß teurer beziehungsweise das Geld um soviel weniger wert wird, droht die Inflation zu einem politischen Problem zu werden. Viele Russen spüren, dass sie sich weniger leisten können, und dass ihre Sparguthaben an Wert verlieren.
Realwirtschaft wächst
Auch in Russland entwickelt sich die Finanzwirtschaft losgelöst von dem, was man Realwirtschaft nennt, also von Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten. Der österreichische Handelsdelegierte in Moskau, Johann Kausl, sieht die russische Wirtschaft in einer guten Verfassung. Die Wirtschaft wachse heuer um sieben Prozent, wenige Menschen sind arbeitslos. Kausl ist auch überzeugt, dass sich die Chancen österreichischer Unternehmer nicht verschlechtern werden. Heuer wird Österreich Produkte im Wert von drei Milliarden Euro nach Russland verkaufen.
Risikofaktor Politik
Mehr als die schwierige Situation einiger russischer Banken macht österreichischen Unternehmen allerdings die politische Situation zu schaffen. Die russische Führung hat keine Scheu, den Chefs großer Unternehmen ins Lenkrad zu greifen. Das zeigt sich im Energiesektor, den zu kontrollieren der russischen Führung ein besonderes Anliegen ist. Und das hat Premierminister Wladimir Putin gezeigt, als er Igor Sjusin, den Chef des größten Kohleminen-Betreibers, Metschel, öffentlich gedemütigt hat. Sjusin ist zu einem Treffen mit Putin nicht erschienen, weil er angeblich krank war. Putin hat Sjusin ausgerichtet, er möge rasch gesund werden. Sonst werde er ihm einen Arzt schicken, der das Problem löse.
Solche Vorgänge machen die russische Wirtschaft unberechenbar. Johann Jonach, Chef von Raiffeisen Russland, meint, es sei selbst für russische Verhältnisse überraschend, wenn Putin ein Unternehmen herausgreife und als besonders abschreckendes Beispiel darstelle. Zusammen mit der Kaukasus-Krise und dem daraus entstandenen Konflikt mit den USA und einigen EU-Ländern verunsichert die politische Lage viele Investoren.
Turbulente Börse
Das ist einer der Gründe, warum die Börse in Moskau auf die Finanzkrise besonders hektisch reagiert hat. Im September musste die Börse an einem Tag geschlossen werden, weil die Kurse so stark gefallen sind. Als die Börse dann wieder offen war, musste sie gleich wieder geschlossen werden, weil die Kurse so stark gestiegen sind. In dieser Woche war wiederum ein Kurssturz Anlass, die Börse sicherheitshalber zu schließen. Die politische Entwicklung hat die ohnehin unsichere Lage an der Börse noch einmal verschärft und damit den Anlegern in Moskau umso höhere Verluste bereitet.
Für die österreichischen Unternehmen zeigt sich, dass auch beim Engagement in Russland das Prinzip gilt: Wo große Gewinne zu holen sind, muss man auch großes Risiko in Kauf nehmen.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 10. Oktober 2008, 9:45 Uhr
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