Ein Mann voller Pläne
Christoph Eschenbach
Christoph Eschenbach ist der Dirigent der Konzert-Matinee der Wiener Philharmoniker im Musikverein in Wien. Im Künstlerzimmer spricht er unter anderem über seine Erfahrungen als Chefdirigent verschiedener Orchester in Europa und Amerika.
8. April 2017, 21:58
Eschebach über sein Verständnis der Dirigentenarbeit
Er zählt zu jenen herausragenden deutschen Dirigenten, die über Amerika in die Spitzenriege der internationalen Pultstars aufstiegen. Christoph Eschenbach galt ebenso wie Wolfgang Sawallisch oder Christoph von Dohnanyi bei den Amerikanern früh als brillanter Vertreter der alten deutschen Dirigiertradition. Mit ihm als innovationsfreudigem Chefdirigenten des Houston Symphony Orchestra (von 1988-1999) blühte die öde texanische Öl-Stadt zu einer vielbeachteten Musikmetropole auf.
Zurück nach Deutschland
Es dauerte nicht lange, bis auch Amerikas Eliteorchester wie das Cleveland, das Philadelphia oder das Chicago Symphony Orchestra den ebenso einfühlsamen wie temperamentstarken Deutschen als Gastdirigenten verpflichteten. "Maestro von morgen", war sein Ehrentitel. Das Chicago Symphony Orchestra kürte ihn gar zum Music Director seines sommerlichen Ravinia Festivals. Gleichwohl verließ Eschenbach 1999 die USA, als man ihm in Hamburg die begehrte Chefposition beim NDR-Sinfonieorchester, wo Günter Wand lange exemplarisch wirkte, samt der künstlerischen Ägide des Schleswig-Holstein Musik Festivals antrug.
Back to the roots
Den gebürtigen Breslauer, Sohn des Musikwissenschafters Heribert Ringmann, hatte es nach dem Tod der Eltern im Zweiten Weltkrieg bereits früh zu Verwandten in den Norden Deutschlands verschlagen. In Hamburg erhielt er seine pianistische Ausbildung bei der bekannten Klavierpädagogin Eliza Hansen, die auch seinen späteren Duo-Partner Justus Frantz unterrichtete. Das Dirigier-Handwerk lernte Eschenbach bei dem musikalischen Urgestein Wilhelm Brückner-Rüggeberg. Ein Furtwängler-Konzert mit den Berliner Philharmonikern 1951 in Kiel hatte die Initialzündung gegeben für den Wunsch, Dirigent zu werden.
Beginn als Pianist
Doch Eschenbach machte sich zuerst einmal international einen Namen als Pianist, der vor allem das deutsche klassische und romantische Repertoire glänzend beherrschte. Er war gerade 26 Jahre alt, als er mit Karajan und den Berlinern Philharmonikern 1966 äußerst sensibel und tiefgründig Beethovens erstes Klavierkonzert für die Deutsche Grammophon einspielte. 1969 folgte sein US-Debüt mit dem Cleveland Orchestra unter dem großen Pult-Autokraten George Szell, bei dem er sich später auch den dirigentischen Feinschliff holen sollte. Kluge Vorbereitung für seine zweite Karriere als Dirigent, die er 1972 furios als Ludwigshafener Generalmusikdirektor startete, ehe er 1982 das Tonhalle-Orchester Zürich übernahm.
Leidenschaft und Klangkontrolle
Als Dirigent ist Eschenbach ein Espressivo-Musiker, mit gleichwohl starken analytischen Gaben. Ein Musiker, der es bei aller Klangkontrolle und Präzision liebt, mit den leidenschaftlichsten Gebärden die Spannung anzutreiben und Emotionen hochzujagen. Es war seine ekstatische Deutung von Mahlers "Neunter", mit der er sich denn auch seinerzeit für die NDR-Position profilierte. Wie schon in Houston verfolgte er auch in Hamburg eine Politik des entschiedenen Engagements für die Moderne und die Musik der Zeitgenossen, die er in seinen Konzerten programmatisch dem Werke-Kanon eines Mozart, Beethoven, Schumann oder Schubert gegenüberstellte.
Seit der Saison 2003/2004 trat Eschenbach - neben seinen seit 2000 laufenden Verpflichtungen als Chef des Orchestre de Paris - den Posten als Music Director des Philadelphia Orchestra an. Der deutsche Musiker beendet zum Abschluss der Saison 2007/2008 seine Tätigkeit als musikalischer Direktor des Orchesters, die er 2003 als Nachfolger von Wolfgang Sawallisch aufgenommen hatte, bleibt dem Orchester aber verbunden, etwa mit einer Tournee in diesem Jahr. 2010 wird er, nach Paris, das Washington National Orchestra übernehmen. Gleichzeitig wird er als Musikdirektor des Kennedy Center wirken. Herbert von Karajan habe ihn einst bestärkt, so Eschenbach, dass die enge Zusammenarbeit mit einem Orchester als Chefdirigent unabdingbar sei, wenn man bestimmte musikalische Vorstellungen verwirklichen wolle.
Eschenbach, der voller Pläne steckt, sagte einst über sich selbst: "Ich möchte noch dirigieren, wenn ich 100 bin, weil ich im 99. Lebensjahr vielleicht noch mehr entdecken kann als jetzt." Am Tag nach der Sonntagsmatinee jedenfalls reisen er und die Wiener Philharmoniker zu einem Festival für sakrale Musik nach Rom, wo sie vor dem Papst Bruckner spielen werden.
Hör-Tipp
Matinee live, Sonntag, 12. Oktober 2008, 11:00 Uhr
Mehr dazu im oe1.ORF.at
Im Künstlerzimmer, Sonntag, 12. Oktober 2008, 11:38 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at