Eine Ministerin, a minister, une femme ministre

Sprachliche Gleichbehandlung

Seit 30 Jahren kämpfen Feministinnen dafür, Frauen auch in der Sprache sichtbar zu machen. Oft wurden sie dafür verlacht. Was wurde bisher erreicht, was bleibt noch zu tun? Und wie sind die Gepflogenheiten in anderen Sprachen?

Die Linguistin Karin Wetschanow über Berufsbezeichnungen

Sind 99 Sängerinnen und ein Sänger wirklich 100 Sänger? Nein, sagt die Forschung. Auch wenn wir in der Schulgrammatik gelernt haben, dass in der männlichen Form in der Mehrzahl auch Frauen mitgemeint sein können: Sagen wir "Ärzte" oder "Bürger", kommt beim Gegenüber im Kopf das Bild von Männern an. Genau das zu ändern, war das Ziel von Feministinnen und Sprachwissenschafterinnen in den 1970er und 80er Jahren. Sie erstellten sprachliche Leitfäden zum geschlechtergerechten Formulieren.

Was wurde erreicht?

Einiges: Die sprachliche Gleichberechtigung hielt in Stellenausschreibungen, Ämtern und Ministerien Einzug. Sie schaffte es sogar in manche Formulare und Gesetze. Österreicherinnen und Österreicher oder - ganz aktuell - Sparerinnen und Sparer sind - anders als früher - fixer Bestandteil des Sprachgebrauchs von Politikerinnen und Politikern. Insgesamt ist die Sensibilität für geschlechtergerechtes Formulieren sicher gestiegen.

Widerstände bleiben bestehen
Selten jedoch führte und führt eine sprachpolitische Maßnahme zu so viel beißender Kritik und zu so großem Widerstand wie diese. Schreiberinnen und Schreiber beschimpften die Schrägstrich-Verunstaltungen, Zeitungen witzelten über die Geschlechtsumwandlungen der Sprache. Übelmeinende sprachen von "Mitgliedern und Mitgliederinnen, Menschen und Menschinnen". Viele Leute reagieren allergisch auf Regelungen, die ihnen ihren Sprachgebrauch wegnehmen wollen.

Beispiel Berufsbezeichnungen
Dass in der Sprache noch immer keine Gleichberechtigung herrscht, zeigen auch Debatten über Berufsbezeichnungen: Wie nennt man einen weiblichen Landeshauptmann? Frau Landeshauptmann, meinten viele - inklusive Waltraud Klasnic. Frau Landeshauptfrau, sagte hingegen Gabi Burgstaller. Hauptfrau-Nebenfrau, wurde daraufhin gewitzelt. Passiert das Umgekehrte, geht es viel ernsthafter zu: Männliche Krankenschwestern heißen - na logisch - Krankenpfleger, nicht Krankenbrüder.

Internationaler Vergleich
Ausgegangen ist die ganze Debatte über sprachliche Gleichstellung von Amerika. Amerikanische Feministinnen forderten – und setzten vielfach auch durch, dass "Miss" als Anrede abgeschafft wurde (das gilt mittlerweile übrigens auch für das deutsche "Fräulein"), dass Wörter wie "chairman" durch "chairperson" ersetzt wurden und dass auf an und für sich geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie "the teacher" nicht mehr mit "he" sondern mit "he or she" verwiesen wird.

Im Französischen gibt es hingegen wenige bis gar keine Bemühungen, die Sprache zu "feminisieren". Die Scheu, Sprache bewusst zu verändern, ist größer als im englischen oder deutschen Sprachraum. Dass "les étudiants" die Studenten und Studentinnen (étudiantes) sind, gilt hier als unbestritten. Sogar Bezeichnungen wie "la ministre" haben sich hier nicht durchgesetzt, man spricht eine Ministerin lieber mit "Madame le ministre" an.

Auch im Russischen hat sich die Annahme, dass durch eine frauenfreundlichere Sprache auch eine frauenfreundlichere Weltsicht vermittelt werden kann, nicht durchgesetzt. Bemühungen um eine sprachliche Gleichberechtigung sind hier weitgehend unbekannt, obwohl es in der Regel sehr wohl weibliche Berufsbezeichnungen gibt. Da "ministerscha" jedoch weitgehend als "Frau des Ministers" interpretiert wird, bleiben die wenigen russischen Ministerinnen lieber bei "ministr".

Mehr dazu in science.ORF.at

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 14. Oktober 2008, 18:25 Uhr

Links
Bundeskanzleramt - Geschlechtergerechte Sprache
wien.at - Diskussion: Geschlechtergerechte Sprache

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