Fotografen erzählen
Wie fotografiert man Musik?
Musik Fotografieren gehört zu den heiklen Aufgaben eines Fotografen. Hin und her gerissen zwischen Wertschätzung für den Klang und dem Wunsch, ihn im Bild festzuhalten. Fast ein Schmerz, jedenfalls eine Grobheit: das "Klick", das Verschluss-Geräusch.
8. April 2017, 21:58
Didi Sattmann zeigt ein Foto Karl Ritters: "Man sieht die Emotionen im ganzen Körper, im Gesicht sehr intensiv. Das ist genau der Moment, der für mich fotografisch interessant ist, aber andererseits auch der Moment, wo sehr feine, klare Töne kommen. Rund um mich sitzt das Publikum, vor mir sitzt der Musiker, und ich weiß genau, wenn ich abdrücke, dann macht's wieder klack, klack - das ist grauenhaft."
Die, die Musik fotografieren, sind hin und her gerissen zwischen Wertschätzung für den Klang und dem Wunsch, ihn im Bild festzuhalten. Fast ein Schmerz, jedenfalls eine Grobheit: das Klick, die unausweichliche Störung durch das Verschluss-Geräusch. Es verbannt die Musik-Fotografierenden in die Probe, es macht sie zu Störenfrieden, sie, die ja das, was sie fotografieren, so sehr schätzen, dass sie es aufs Bild bannen wollen. "Fotografieren setzt Wertschätzung voraus, denn sonst tun Sie's nicht. Wenn Sie jemanden zerreißen wollen, dann fotografieren Sie ihn, aber das ist ja nicht der Zweck der Übung", sagt Erich Lessing. Er setzt sich mit der Kamera in den Orchestergraben, wartet, bis die ihn umringenden Interpretierenden ihn vergessen haben, um den Augenblick der Musik abzubilden.
Vom Fotografieren traumatisiert
"Auf der anderen Seite weiß ich, dass Fotografieren gewisse aggressive Elemente beinhaltet", sagt Didi Sattmann. "Ich weiß, dass die meisten Menschen quasi vom Fotografieren traumatisiert sind, das ist eine frühkindliche Erfahrung. Das weiß ich von meinen Kindern: Da kommt der Fotograf aus Mistelbach oder Wolkersdorf und macht an einem Vormittag 200 Fotos und dementsprechend schauen sie aus. Die Menschen sind prinzipiell mit ihren Fotos nicht glücklich, oder selten."
Fotos schießen - die Assoziation liegt auf der Hand. "Bei Musikern, die spielen, kommt hinzu, dass sie beim Spielen oder Singen eine sehr ausgeprägte Mimik haben. Das wissen sie auch, ich sehe die Mimik, aber er kann nicht wissen, wie das Bild ausschaut. Ich hab' immer die Sorge, dass ich die Musizierenden verunsichern könnte. Je größer das Vertrauen, desto besser ist die Zusammenarbeit", sagt Sattmann.
Schlechte Fotos werden vernichtet
Vertrauen und Wertschätzung gehen Hand in Hand. Schlechte Fotos vernichtet Erich Lessing sofort: "Sie wollen ja mit den Leuten befreundet sein und bleiben."
Sie "müssen" fotografieren. "Für mich ist das lebenswichtig, da geht's nichts ums Geld", sagt Sattmann. Sie wissen, sie stören: Kaum eine Bühne, von der sie nicht schon verwiesen worden sind, der Aufdringlichkeit bezichtigt, der Störung der Konzentration beschuldigt. Wir, das Publikum sind ihnen dankbar, für nahe Einblicke.
Fotos können verletzen
"Ich versuche, Bilder zu machen, die sehr authentisch sind und die Masken des Dargestellten überwinden sollen. Das ist nur möglich, wenn Vertrauen besteht. Es ist ein großer Unterschied zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Man sieht, was man gern sehen will, andererseits quält man sich mit eigenen Unzulänglichkeiten, das macht das Fotografieren zum Risiko. Es besteht immer die Möglichkeit, den anderen mit einem Foto zu verletzen, auch wenn ich von dem Porträt begeistert bin", sagt Sattmann. "Das war mein allererstes Erlebnis: Ich habe meine Großmutter porträtiert, mit über siebzig Jahren, mich hat ihre Lebendigkeit fasziniert. Sie hat gesagt: Dieter, um Gottes Willen, schmeiß die Fotos weg, schrecklich."
Die ungeliebten Fotos sind die abgewiesenen Geliebten, Objekte will Didi Sattmann sie niemals genannt wissen. "Ich muss das jetzt wirklich sagen, das sind keine Objekte für mich, im Zentrum steht die Begegnung." Die Indiskretion der Fotografierenden ist verwandt jener der Interviewenden: Auch sie kommen ein bisschen zu nahe, fragen ein bisschen zu viel, suchen eine Nähe, die die Distanz der Höflichkeit ein wenig missachtet. Auch das Mikrofon kann schaden - man kann nichts mehr ausbessern.
Einstimmung, Konzentration, Loslassen
Fotos machen Abläufe von Einstimmung, Konzentration und Loslassen sichtbar. Eine Fotoserie des Gitarristen Karl Ritter zeigt ihn einmal vorher, einmal mittendrin, einmal nachher.
Didi Sattmann erkennt drei Porträts von drei verschiedenen Menschen: "Die Mimik, das Hineingehen in das Jetzt, die Konzentration, die die Kamera auch vergessen macht. Ich glaube, dass aus fotografischer Sicht in der Musik sehr viel drinnen ist: Wenn ich einen Dichter oder Maler in seinem Atelier besuche, der zeigt mir, was er malt, aber diese emotionale Veränderung im Gesicht ist niemals so ausgeprägt."
Hör-Tipp
Apropos Musik, 2. November 2008, 15:06 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Erich Lessing, "Unterwegs"; Didi Sattmann, "Künstler / Freunde", 13. November bis 8. Dezember 2008, Künstlerhaus Wien
Links
Europäischer Monat der Fotografie - Wien
Künstlerhaus
Erich Lessing