Defizite im Kampf gegen die Wirtschaftskrise
Das Ende der Sparsamkeit?
Kann der Staat in Zeiten der Krise die Wirtschaft beflügeln, indem er höhere Defizite in Kauf nimmt? Ganz unterschiedliche Ansichten vertreten dabei zwei ehemalige Finanzminister, nämlich Hannes Androsch (SPÖ) und Karlheinz Grasser (ÖVP).
8. April 2017, 21:58
Hannes Androsch (SPÖ) und Karlheinz Grasser (ÖVP)
Die Weltwirtschaft steht vor einer großen Krise - vielleicht ist sie auch schon mitten drin. Darin sind sich alle Experten einig, die glauben, von Wirtschaft etwas zu verstehen. Die Meinungen gehen auseinander, wenn es um die Frage geht, was gegen die Krise zu tun sei. "Der Staat muss gegensteuern", ist ein Programm, das vielen als beste Lösung erscheint.
Dieser Vorschlag hat einen Hintergrund in der Wirtschaftswissenschaft: In Zeiten der Krise halten sich alle zurück beim Geldausgeben. "Alle" bedeutet, die Konsumenten kaufen weniger ein, die Betriebe erwarten das und halten sich mit Investitionen zurück, und die Staaten kaufen weniger im Ausland ein, das heißt, die Exporte gehen zurück. Wenn alle sparen, beginnt sich die Abwärtsspirale zu drehen. Der einzige, der das stoppen kann, ist der Staat, so die wirtschaftstheoretische Logik.
Comeback des deficit spending?
Der Staat bleibt von der Wirtschaftskrise nicht verschont. Die Wirtschaft wächst langsamer oder gar nicht, das heißt, Steuereinnahmen gehen zurück, der Staat muss mehr Geld für Arbeitslosenunterstützung ausgeben. Wenn er Geld in die Wirtschaft fließen lassen will, muss er das auf Schulden tun. Dieses Prinzip hat die Regierung Kreisky in den 1970er Jahren voller Überzeugung – und nicht ohne Erfolg - angewandt.
"Ein paar Milliarden (Schilling) mehr Staatsschulden machen mir weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose", so das berühmte Zitat des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Einige Politiker, Gewerkschafter und auch Ökonomen halten es für richtig, dieses Prinzip auch heute anzuwenden. Der damalige Finanzminister und jetzige SPÖ-Berater Hannes Androsch hält es nach wie vor für gültig. Er argumentiert, würde der Staat jetzt sparen, würde die Arbeitslosigkeit stark steigen. Das wäre dann erst recht teuer für den Staat und würde das Defizit in die Höhe treiben.
"Der Staat muss immer sparsam sein"
Einer von Androschs Nachfolgern hält das für grundfalsch. Karlheinz Grasser war Finanzminister in der schwarz-blauen beziehungsweise schwarz-orange Regierung in den Jahren 2000 bis 2006. Er meint, Schulden zu machen ohne Rücksicht auf Verluste, würde sich in einigen Jahren rächen und den Staatshaushalt - und damit die Steuerzahler - auf Jahre und Jahrzehnte belasten. Als Beispiel führt Grasser die Politik der 1970er Jahre an. Die hohen Steuern in Österreich hätten ihre Ursache in der damaligen Zeit.
Ein Blick auf die Statistik zeigt tatsächlich, dass die Schulden des Staates Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre stark gestiegen sind. Mitte der 1970er Jahre hatte Österreich in Euro umgerechnet zehn Milliarden Schulden. Zum Ende der Ära Kreisky 1983 waren es über 40 Milliarden. Diese Politik hat sich in den 1990er Jahren fortgesetzt und verstärkt. Das höchste Defizit hatte Österreich im Jahr 1995, mit fast 6 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Mit den Sparpaketen Ende der 1990er Jahre sind die Defizite zurückgegangen. Mit Ausnahme des Jahres 2001, in dem Finanzminister Grasser sein Null-Defizit knapp erreicht hat, hat Österreich aber all die Jahre mehr Geld ausgegeben als eingenommen.
Geld ausgeben, aber wie?
Dass die Wirtschaft Hilfe - sprich Geld - braucht, ist unbestritten. Wie man die Wirtschaft in Krisenzeiten sinnvoll unterstützt, ist allerdings gar nicht so leicht. "Konjunkturpaket" mag vielversprechend klingen. Was genau zu tun ist, um Betrieben zu helfen, Arbeitsplätze zu sichern, lässt sich oft nicht so genau festlegen. Einige Vorschläge stoßen aber bei Grasser und Androsch auf Zustimmung, etwa Wohnhäuser zu sanieren und auf den letzten Stand in Sachen Wärmedämmung zu bringen, Geld in Straßen- und Schienenausbau zu stecken oder Klein- und Mittelbetriebe zu fördern, indem man ihnen hilft, an Kredite für ihre Investitionen zu kommen.
Umstritten ist die Wirkung von Steuersenkungen. Sie bringen den Steuerzahlern zwar mehr Geld, viele Menschen sparen das Geld aber. Und wenn sie es ausgeben, kommt ein großer Teil davon ausländischen Unternehmen zugute, weil mehr als die Hälfte der Konsumgüter aus dem Ausland kommen.
Egal auf welche Pläne sich eine zukünftige Regierung einigt, um der Wirtschaft aus der Krise zu helfen, sie wird vor dem Problem stehen, dass Geld ausgeben gar nicht so leicht ist.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag 7. November 2008, 9:45 Uhr
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