Zum 20. Todestag

Irmgard Seefried

Sie kam aus Bayern nach Wien und wurde hier nicht nur zu einem der wichtigsten Mitglieder des legendären Wiener Nachkriegsensembles, sondern zu einem Liebling der ganzen Stadt, zu einem Weltstar, dessen künstlerische Heimat stets Österreich blieb.

Mag sein, dass die Erinnerung oft verklärt. Seit es Schallplatte, Tonband, Radio und TV gibt aber ist vieles sozusagen in Stein gemeißelt. Etwa die legendäre Exilzeit der Wiener Staatsoper im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Haus am Ring war zerstört, Volksoper und Theater an der Wien bildeten die Ersatzquartiere. Eine absolute Notsituation. Für heutige Begriffe völlig undenkbar. Dennoch wurde auf Wunsch der russischen Besatzer bereits ab 1. Mai 1945 wieder Oper gespielt, alle Einwände rasch vom Tisch gewischt - mit der Maschinenpistole im Anschlag.

600 Mal Susanna

Eine der Säulen des Wiener Opernensembles war damals Irmgard Seefried: Sie war die Susanna in jenem legendären Figaro vom 1. Mai 1945, hat die Rolle im Laufe dieses Mai dann fast täglich gesungen und mit ihrem Enthusiasmus das ganze Ensemble angesteckt.

An die 600 Susannas waren es schließlich im Laufe ihrer ganzen Karriere, in aller Welt hat sie diese Glanzrolle verkörpert, Plattenproduktionen und Mitschnitte bestätigen den hohen Rang ihrer Interpretation.

Von Böhm nach Wien engagiert

Gerade 24 Jahre alt war die Seefried, als sie 1943 an die Staatsoper berufen wurde und als Einstandsrolle dafür das Evchen in den Meistersingern einstudiert hatte. Karl Böhm hieß damals der neue Direktor des Hauses, doch allzu lange sollte seine erste Direktionsära nicht andauern, 1944 wurde die kriegsbedingte Schließung aller Theater verfügt und Böhms zweite Ära kam erst 1955 mit der Wiedereröffnung des Hauses am Ring, war allerdings von noch kürzerer Dauer.

Dem glanzvollen Opernfest - an dem die Seefried maßgeblich beteiligt war - folgte rasch der Repertoirealltag und ein einstiges Lieblingsspiel der Wiener: das Sägen am Sessel des Operndirektors. Bereits 1956 war auch die zweite Böhm-Direktion Geschichte, allerdings stand sein Nachfolger noch vor seiner Demission fest: Herbert von Karajan - Meisterdirigent, PR-Genie in eigener Sache und (vielleicht) ein bisschen größenwahnsinnig, was das von ihm geplante Welt-Opern-Imperium betraf.

Anfänge mit Karajan

Für die Seefried war Karajan absolut kein Unbekannter. Bereits in ihrem ersten Engagement in Aachen war er ihr Generalmusikdirektor gewesen. Von ihm hatte sie unschätzbare Impulse erhalten, und die Wertschätzung war absolut gegenseitig. Nicht umsonst hat Karajan die Seefried für seine ersten wichtigen Nachkriegsaufnahmen herangezogen: als Pamina, Susanna und als Komponisten in Ariadne auf Naxos.

In Aachen hat Irmgard Seefried aber ebenso den jungen Walter Felsenstein kennen gelernt, den späteren Regie-Guru, und auch an diese Begegnung hat sie sich später begeistert erinnert.

Eine Schwäbin wird Wienerin

Irmgard Seefried war seit 1946 österreichische Staatsbürgerin, geboren wurde sie allerdings am 9. Oktober 1919 in Köngetried, an der oberschwäbischen Barockstraße. Ersten Musikunterricht erhielt sie vom Vater, bereits mit acht Jahren wirkte sie bei einer Laienaufführung von Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel" mit, um dann mit 20 ihr Staatsexamen am Augsburger Konservatorium abzulegen.

1940 folgte schließlich das Engagement nach Aachen, 1943 hatte sie bereits das höchste Ziel erreicht: die Wiener Staatsoper. Von hier aus startete sie nach dem Krieg dann auch ihre internationale Karriere, künstlerisches Zentrum aber blieb stets Wien.

Überzeugte Ensemblekünstlerin

Zum großen Unterschied zu Karajan, dem vielfach und nicht ganz zu Unrecht die Zerstörung des Wiener Ensembles nachgesagt wird, war Irmgard Seefried sozusagen der Prototyp einer Ensemblesängerin. Begierig, eine Rolle nicht nur zu kennen und zu können, sondern auch stetig an ihr zu arbeiten, sie auszufeilen, wie es beispielsweise Josef Krips fast bis zum Exzess getrieben hat.

Viele große Sängerinnen und Sänger von damals haben diese ständigen Proben auch gehasst, im Rückblick aber deren Notwenigkeit anerkannt. Und sie waren stolz, zu diesem Wiener Ensemble dazu gehört zu haben. Dabei hat es keineswegs nur das "Mozart-Ensemble" gegeben, von dem man immer spricht. Es hat ebenso ein "Wagner-Ensemble" gegeben, ein "Verdi-Ensemble", ein "Puccini-Ensemble" und so weiter. Nur wird das heute leider oft unter den Tisch gekehrt, weil man fälschlicherweise meint, ausschließlich originalsprachige Aufführungen wären das Gelbe vom Ei.

Legendäre "Cosi"
Gerade das Beispiel Seefried aber lehrt das Gegenteil. Früher sind die Menschen gerne nach Wien oder Salzburg gekommen, um eben zum Beispiel die Seefried inmitten des großartig eingespielten Wiener Ensembles zu erleben. Heute fahren wir in alle Welt, hören dabei oft immer wieder die gleichen Sänger, nur meist in inhomogenen, von Agenten wahllos zusammen gewürfelten Kurzzeit-Ensembles.

Oder wer kann sich heute vorstellen, dass etwa "Cosi fan tutte" zwischen 1945 und 54 im Verband der Staatsoper 45 Mal gegeben wurde und dabei zumindest die Rollen von Fiordiligi, Ferrando, Guglielmo und Don Alfonso 45 Mal gleich besetzt gewesen sind: mit Irmgard Seefried, Anton Dermota, Erich Kunz und Paul Schöffler. Und in Salzburg, bei den Festspielen, hat man diese rasch weltberühmt gewordene Besetzung natürlich ebenso beibehalten.

Leidenschaft und Hingabe
Irmgard Seefried hat ihren Beruf stets mit voller Leidenschaft ausgeübt. Oper, Lied und Oratorium waren für sie dabei gleichrangig, bei allen drei Kategorien aber war ihr das Wort stets besonders wichtig: "Ich liebe das Wort" sagte sie in einem Künstlergespräch mit den Freunden der Wiener Staatsoper im Jahr 1984: "Ich mag nicht nur eine Fabrik von schönen Tönen, da fange ich sehr bald zum Schlafen an. Es ist mir zum Vorwurf gemacht worden, dass ich so maßlos war auf der Bühne. Aber ich glaube daran, dass nur der Mensch, der sich auf der Bühne ganz hergibt, das Recht hat, auf der Bühne zu stehen. Wir brauchen die Ehrlichkeit. Ich will daran glauben, dass ich auf der Bühne stehen durfte, um mich voll und ganz herzugeben. An das will ich glauben! Denn dieser Verschenkungsmoment ist der Schöpfung ähnlich."

Irmgard Seefried ist am 24. November 1988 in ihrer Wahlheimat Wien gestorben. Sie ruht in einem Ehrengrab am Neustifter Friedhof neben ihrem Ehemann, dem international gefeierten Geiger Wolfgang Schneiderhan (1915 - 2002).

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 25. November 2008, 15:06 Uhr