Zwei Viren bringen einen Nobelpreis

HIV und HPV

Am 10. Dezember werden traditionsgemäß die Nobelpreise in Stockholm bzw. Oslo (Frieden) übergeben. Den Medizinnobelpreis teilen sich ein deutscher Krebsforscher und zwei französische AIDS-Forscher. In beiden Fällen brachten Viren den Schlüssel zum Erfolg.

Der Nobelpreis für Physiologie und Medizin geht dieses Jahr zur einen Hälfte an den deutschen Krebsforscher Harald zur Hausen und zur anderen Hälfte an die beiden französischen Virologen Luc Montagnier und Francoise Barre-Sinoussi.

Harald zur Hausen erhält die Auszeichnung für den von ihm erbrachten Nachweis, dass Papilloma-Viren (Warzenviren) Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Francoise Barre-Sinoussi und Luc Montagnier wurden dafür ausgezeichnet, dass sie als erste das die Immunschwäche Aids auslösende HI-Virus isolieren konnten.

Warzenviren entpuppen sich als onkogen

Als der nunmehrige Nobelpreisträger und frühere Leiter des Deutschen Krebsforschungsinstituts Harald zur Hausen bereits in den 1970er Jahren einen Zusammenhang zwischen chronischer Infektion mit Warzenviren und Gebärmutterhalskrebs postulierte, wurde er von vielen seiner Kolleginnen und Kollegen nicht ernst genommen, da seine Hypothese nicht der damals herrschenden Lehrmeinung entsprach.

Die Zielstrebigkeit mit der er allen "wissenschaftlichen Ressentiments" zum Trotz seine Forschung vorantrieb gab ihm Recht. 1983/84 isolierten Zur Hausen und sein Team die Hochrisiko-Viren HPV 16 und HPV 18 und wiesen nach, dass von den etwa hundert humanen Papilloma-Virusstämmen vor allem diese beiden ein unkontrolliertes Zellwachstum hervorrufen können.

Geteilte Forschung I

Wissenschaftlich vorbildlich sei Zur Hausen insofern vorgegangen, sagt Elisabeth Puchhammer vom Institut für Virologie der Medizinuniversität Wien, als er die von ihm identifizierten Viren auch anderen Labors zur Verfügung stellte, sodass bald nicht nur die letzten Zweifel am Zusammenhang zwischen den Viren und Krebs ausgeräumt wurden, sondern in sehr kurzer Zeit auch ein Impfstoff gegen diese beiden Virusstämme entwickelt werden konnte.

Zwar schützen die heute zur Verfügung stehenden Impfstoffe nur vor den Stämmen HPV 16 und HPV 18, doch dürften diese die Hauptverursacher von Gebärmutterhalskrebs sein. Für Elisabeth Puchhammer erfährt die Virologie durch die Auswahl der diesjährigen Nobelpreisträger eine angemessene Aufwertung, denn immerhin sei davon auszugehen, dass 15 bis 20 Prozent aller Krebserkrankungen einen infektiösen Hintergrund haben.

HIV - ein Kapitel Medizingeschichte

Es begann im Juni des Jahres 1981, als Michael Gottlieb von der Universität von Kalifornien in Los Angeles die Fälle fünf junger homosexueller Männer beschrieb, die an einer extrem seltenen Form von Lungenentzündung erkrankt waren. Zwei der Patienten starben noch vor Erscheinen des Fachartikels.

Man stellte fest, dass die Lungenentzündungen durch den Einzeller Pneumocystis carinii ausgelöst wurden; ein Erreger, der normalerweise nur bei Patienten, deren Immunsystem etwa durch Krebs- oder andere Medikamente stark unterdrückt ist, eine "Chance" hat. Also war davon auszugehen, dass die fünf Männer an einer Immunschwäche litten. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass ein Virus die Ursache der Immunschwäche war.

Auf diesen ersten Artikel von Michael Gottlieb folgen zahlreiche ähnliche Berichte aus New York, San Francisco und anderen Städten, später auch von außerhalb der USA. Gleichzeitig traten unter Homosexuellen gehäuft Kaposi-Sarkome (eine bis dahin seltene Krebsart) und bösartige Erkrankungen des Lymphgewebes auf. Die Immunschwäche bekam den Name AIDS - wörtlich übersetzt das erworbene Immunschwächesyndrom (Acquired Immune Deficiency Syndrome) und es wurde klar, dass die Übertragung durch Blut, aber auch durch Blutprodukte erfolgte.

Geteilte Forschung II

Ende 1982 waren weltweit Viren-Laboratorien auf der Suche nach der Ursache für AIDS. Das Rennen machten Francoise Barre-Sinoussi und Luc Montagnier. Sie isolierten als erste in Lymphknoten-Zellen betroffener Patienten das für die Immunschwäche verantwortliche - später HI genannte - Virus.

Nachdem die beiden französischen Virologen ihrem amerikanischen Kollegen Robert Gallo Virus-Proben schickten, trug dieser maßgeblich zur Identifizierung und Charakterisierung des Virus bei. Deshalb gibt es heute viele Stimmen, die meinen, auch Robert Gallo hätte den Nobelpreis verdient - nicht zuletzt weil er den ersten HIV-Test entwickelt hat. Doch genau das machten die französischen Virologen dem Amerikaner Robert Gallo streitig, indem sie argumentierten, sie hätten ihm die Virus-Proben nur für Forschungszwecke nicht jedoch für kommerzielle Zwecke (Entwicklung eines AIDS-Test) überlassen. Es folgte ein jahrelanger Patentstreit um den ersten AIDS-Test, der letztlich zugunsten von Francoise Barre-Sinoussi und Luc Montagnier ausging.

Unbestritten ist, dass Robert Gallo herausfand, wie sich Retroviren - zu denen das HI-Virus gehört - in das Erbgut der befallenen Zellen "einbauen", dadurch schwer zu finden und zu bekämpfen sind. Seine Forschungsergebnisse haben jedenfalls maßgeblich zur Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung der Immunschwächekrankheit beigetragen. Mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin an Francoise Barre-Sinoussi und Luc Montagnier hat sich das Nobelpreiskomitee nun jedenfalls auf deren Seite gestellt. Für viele in der science-community ein Wermutstropfen. Allerdings: die Diskussion, dass andere Forscher den jeweiligen Nobelpreis genauso oder noch mehr verdient hätten - diese Diskussion ist nicht neu und es wird sie wahrscheinlich auch in Zukunft immer wieder geben.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 10. Dezember 2008, 19:05 Uhr

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Nobelpreis