Mario Conde ermittelt wieder

Der Nebel von gestern

Leonardo Paduras Kuba-Krimis gehören zum Besten, das das Genre zu bieten hat. Zuletzt entstand eine grandiose Geschichte über Ernest Hemingways Jahre auf Kuba, jetzt liegt ein 360 Seiten starker Roman mit dem Titel "Der Nebel von gestern" vor.

Dieser Mann ist mit Fug und Recht Stammgast in unseren Krimi-Rundschauen: Leonardo Padura, 53-jähriger Kubaner auf Kuba, Autor mehrerer Kriminalromane mit Havanna als Schauplatz und dem Polizisten Mario Conde als Helden. Krimis, die sich durchaus als spannende Chroniken des kubanischen Alltags der letzten Jahre lesen lassen, und die in ihrer deutschen Übersetzung zu einem "Havanna-Quartett" zusammengefasst worden sind.

Das Böse ist immer und überall

Als "teniente" hat Padura Mario Conde inzwischen abdanken lassen. In den jüngsten Romanen schlägt er sich als Buchhändler und Antiquar durchs Leben, aber das Böse, heißt es ja, ist immer und überall, und daher hat der Ex-Polizist Conde als unfreiwilliger "private eye" immer noch so manchen Fall zu lösen.

Zuletzt entstand daraus eine grandiose Geschichte über Ernest Hemingways Jahre auf Kuba - Titel: "Adios Hemingway" - jetzt liegt ein 360 Seiten starker Roman mit dem Titel "Der Nebel von gestern" vor, der in die Zeit unmittelbar vor der kubanischen Revolution zurückführt. In die späten 1950er Jahre, als Kuba und insbesondere seine Hauptstadt Havanna nicht nur Fidel Castros Meinung nach ein "einziges US-amerikanisches Spielcasino und Bordell" gewesen waren.

Die "Bibliothek der Superlative"

Der "plot" ist schnell erzählt: Auf seiner Suche nach antiquarischen Büchern, die man - illegalerweise - zu dringend nötigen Devisen machen könnte, stößt Conde im ehemals noblen Stadtteil Vedado auf eine "Bibliothek der Superlative": kubanische Originalausgaben aus dem frühen 19. und 20 Jahrhundert, bibliophile Schätze sonder Zahl, im Besitz eines ältlichen und merkwürdigen Geschwisterpaars.

Der Handel beginnt, und bald beginnen auch die Morde. Als dann auch noch die Plattenaufnahme eines alten Boleros auftaucht, dessen Sängerin Condes verstorbener Vater abgöttisch und aus der Ferne verehrt hat, ist klar, wohin der Geschichtspfeil weist: in jenes Havanna vor 1959, in dem der US-Mafioso Meyer-Lansky zusammen mit profitgeilen Unternehmern, korrupten Politikern und käuflichen Polizisten den Ton angab.

Einer dieser Unternehmer ist auch der eigentliche Besitzer der Bibliothek gewesen, die Flucht in die USA hatte er kurz nach Castros Machtübernahme geschafft. Und die Bolero-Sängerin, Violeta del Rio, war dessen Geliebte gewesen, sie blieb tot in Havanna zurück.

Atmosphäre, Milieu und Zeitkritik

Mehr soll hier allerdings nicht verraten werden. Und wer Leonardo Paduras Kriminalromane kennt, der weiß, dass Atmosphäre, Milieu und Zeitkritik hier ebenso wichtig sind wie die rein kriminalistische Handlung. Und zu ersteren - zur Atmosphäre und zur Kritik - gibt es doch noch einiges zu sagen: Von mehreren, sehr guten Romanen Paduras ist "Der Nebel von gestern" der beste. Es gelingt ihm nämlich, zwei gesellschaftliche Atmosphären und mehrere Milieus auf beeindruckende, stimmige Weise darzustellen und zu schildern: Kuba, Havanna, vor der Revolution und Kuba, Havanna, heute, genauer gesagt: 2004, da hat er den Roman geschrieben.

Und während dieser Tage auf Kuba hochoffiziell "50 Jahre Revolution" gefeiert worden ist und wird, lässt sich bei Leonardo Padura einiges über sogenannte Fehlentwicklungen und Entgleisungen des sozialistischen Masterplans nachlesen. Insbesondere im sozialen Bereich, der von Fidel und Raul Castro immer als Vorbild für andere lateinamerikanische Staaten hochgehoben worden ist. Padura beschreibt ungeschönt die innerstädtischen Ghettos und die durchaus aktive Unterwelt im Havanna von heute. Und er lässt seinen El Conde samt Freundeskreis ganz offen über das räsonieren, was man auf Kuba die "verlorene Generation" nennt, jene Generation, die die Revolution nicht miterlebt hat, dafür aber die diversen "speziellen Perioden", wie die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Genuss für Krimifreunde

"Manchmal überleg ich mir", heißt es in Leonardo Paduras Kriminalroman "Der Nebel von gestern", "wie viele Dinge hat man uns weggenommen, verboten, verweigert, jahrelang, nur damit die Zukunft schneller kommt und wir bessere Menschen werden?" Die Antwort folgt auf dem Fuße: "Besser sind wir nicht geworden, aber anders. Das Schlimmste ist, man hat uns die Möglichkeit genommen, im selben Rhythmus zu leben wie der Rest der Welt."

Leonardo Paduras neuer Kuba-Krimi "Der Nebel von gestern" - so lautet das Fazit - ist ein Genuss für Freunde gediegener Kriminalliteratur, für die "Buena Vista Social Club"-Aficionados ist er ohnehin Pflichtlektüre.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipps
Leonardo Padura, "Der Nebel von gestern", aus dem kubanischen Spanisch übersetzt von Hans-Joachim Hartstein, Unionsverlag

Leonardo Padura, "Adios Hemingway", aus dem kubanischen Spanisch übersetzt von Hans-Joachim Hartstein, Unionsverlag

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