Mendelssohn im Interpretationsvergleich

"Sommernachtstraum" mit Text

Melodramatisches von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Mendelssohns Schauspielmusik zu Shakespeares "Sommernachtstraum" enthält nicht nur Ouvertüre und Zwischenmusiken, sondern auch Musik zum gesprochenen Text.

Drei Mal "Sommernachtstraum"

1826 komponiert Mendelssohn eine Ouvertüre zu Shakespeares Sommernachtstraum, ein Stück, das zu dieser Zeit gerade in einer deutschen Übersetzung die Runde machte. Mendelssohn lernt im Sommer 1826, 17-jährig, die berühmte Shakespeare-Übersetzung August Wilhelm Schlegels kennen. Schlegel war ein Bekannter der Familie: Bruder Friedrich Schlegel war mit Mendelssohns Tante Dorothea verheiratet.

Mendelssohn war so begeistert von dem Werk, dass er innerhalb eines Monates eine Ouvertüre zum Sommernachtstraum schrieb. Keine Bühnenmusik, sondern eine jener Konzertouvertüren, die den Charakter eines Theaterstückes wiedergeben soll, so eine Art Vorläufer der symphonischen Dichtung - allerdings folgte dann viel später wirklich eine Bühnenmusik Mendelssohns zu einer konkreten Aufführung des Sommernachtstraum - eine Bühnenmusik, die über das Übliche weit hinausging.

Komposition auf königlichen Wunsch

Als Mendelssohn die Ouvertüre zum Sommernachtstraum komponierte, war er siebzehn. Weitere siebzehn Jahre später als renommierter Dirigent des Leipziger Gewandhausorchesters und Gründer des dortigen Konservatoriums, wurde von keinem geringeren als Ludwig Tieck - der mit Schlegel an den Shakespeare Übersetzungen arbeitete - nach Berlin gerufen, um eine Theatermusik zum "Sommernachtstraum" zu schreiben. Tieck inszenierte nämlich dort 1843 die berühmte Shakespeare-Komödie, und zwar auf königlichen Wunsch von Friedrich Wilhelm IV., der eine komplette Bühnenmusik für das Berliner Schauspielhaus bestellte.

Zusammenspiel von gesprochenem Text und Musik
Es gibt verschiedene Aufnahmen, die nun nicht nur Mendelssohns Ouvertüre und einzelne Musiknummern zwischen den Dialogen präsentieren, sondern auch in Auszügen den Shakespearschen Text (manche das englische Original, manche die Schlegel-Übersetzung ins Deutsche), um auch das Zusammenspiel von gesprochenem Text und Musik zu demonstrieren.

Jede Aufnahme kürzt den Shakespearschen Text auf andere Weise, je nach dem, wie viele Schauspieler beteiligt sind, wie ausführlich nicht nur Mendelssohns Musik, sondern auch die ganze Komödie wiedergegeben wird.

Aufnahmen im Vergleich

Beispiele aus dem vierten Akt: Oberon hebt den Zauber auf, weckt Titania und entwirrt die Verhältnisse. Eine wunderbare Szene, in der man hört, wie Mendelssohns Musik mit dem gesprochenen Text verwoben ist - nicht umsonst, denn hier ist im Text von der Musik die Rede.

Hören Sie am Beginn unseres Audios die englische Originalfassung, nicht ohne unerwähnt zu lassen, wie schade es ist, dass diese Aufnahme bei Virgin Classics es verabsäumt, den deutschen Text dazuzugeben. Man hätte die ausgewählten Passagen ja nur aus der Schlegelübersetzung abschreiben müssen. Oberon weckt Titania aus ihrem Schlaf, aus ihrer Verzauberung. Es spielt das Ensemble Orchestral de Paris unter John Nelson. Es liest die Oxford and Cambridge Shakespeare Company.

Deutsche Fassung

Und weil Mendelssohn ja für den deutschen Text Schlegels und Tiecks komponiert hat, im zweiten Teil unseres Audios zum Vergleich dieselbe Szene in der deutschen Fassung mit Frieder Bernius und dem Barockorchester Stuttgart. Sprecher der Aufnahme sind Anne Bennent und Joachim Kuntzsch.

Die Sprache von Anne Bennent wirkt für mich gekünstelt, manchmal so artifiziell, dass alles ironisch wirkt, als wäre Titania eine recht naives, nicht ernst zu nehmendes "Frauchen" - das ist die Königin der Elfen aber gar nicht, zumal sie außerdem gerade aus ihrer Verzauberung erwacht.

Judi Dench rezitiert
Wieder anders präsentiert die Aufnahme mit Seiji Ozawa und dem Boston Symphony Orchestra Text und Musik. Im Zentrum dieser Einspielung steht Judi Dench, die hier alle Rollen spricht. Diese wie die meisten englischen Fassungen sind gegenüber der deutschen Fassung von Bennent und Kuntzsch mehr rezitierend und im Ton weniger prosaisch, sozusagen weniger schauspielernd als die deutsche Fassung.

Judi Dench rezitiert in einem teilweise pathetischen Ton - bricht zwischendurch aber plötzlich, etwa durch einen Aufschrei, aus der Deklamation aus - zu hören im dritten Teil unseres Audios.

Mehr zu Felix Mendelssohn-Bartholdy in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 4. Februar 2009, 10:05 Uhr

CD-Tipps
Felix Mendelssohn-Bartholdy, "A Midsummer Night's Dream", Ensemble Orchestral de Paris, John Nelson, The Oxford and Cambridge Shakespeare Company, Virgin Classics/EMI

Felix Mendelssohn-Bartholdy, "Ein Sommernachtstraum", Barockorchester Stuttgart, Frieder Bernius, Anne Bennent, Joachim Kuntzsch, Carus Verlag

Felix Mendelssohn-Bartholdy, "A Midsummer Night's Dream", Boston Symphony Orchestra, Seiji Ozawa, Judi Dench, Deutsche Grammophon

Felix Mendelssohn-Bartholdy, "A Midsummer Night's Dream", Rotterdam Philharmonic Orchestra, Jeffrey Tate, The Peter Hall Company, EMI

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