Dichter und die Revolution
Kuba, ernüchtert betrachtet
Enthusiasmus, stilles Abwarten, kritische Hoffnung, all das vereinte die Intellektuellen, die nach dem Sturz Batistas 1959 in Kuba blieben. Als die Bilanz wenige Jahre später kritisch ausfiel, wurden sie verfemt, eingesperrt und ihre Werke verboten.
8. April 2017, 21:58
Drei Autoren, stellvertretend für viele andere, deren Namen bei uns bislang unbekannt blieben, möchte ich hier vorstellen: Reinaldo Arenas, der sich schweren Herzens für das Exil entschied, Heberto Padilla, dessen "Fall" zum "Sündenfall" der Revolution wurde, und Edmundo Desnoes, dessen Roman "Erinnerungen an die Unterentwicklung" nach 40 Jahren in den USA wieder aufgelegt wurde und nun erstmals auch in deutscher Sprache verfügbar ist.
Tagebuch des Alltags
Edmundo Desnoes war einer der wenigen "Bourgeois", die nach der Revolution in Kuba blieben. Er wollte wissen, beobachten, sich weiter entwickeln, den neuen Prozess wenn möglich unterstützen, über den Alltag schreiben. Das Ergebnis: eine Art Tagebuch, vermischtes Autobiografisches, Philosophisches, durchaus zwiespältig der Revolution gegenüber. "Erinnerungen an die Unterentwicklung" nannte Desnoes sein Buch, wobei er Hunderte Facetten der "Unterentwicklung" diagnostiziert: Unterentwicklung menschlicher, emotionaler, intellektueller, sozialer oder ökonomischer Art, Unterentwicklung an sich selbst, an den Hiergebliebenen, an den Fortgegangenen, an den Revolutionären, an ihren Mitläufern.
Als das Buch 1965 in Havanna erschien, betrachtete "man" es misstrauisch, die einen, die dogmatischen Marxisten, steckten es in die Schublade "bürgerlicher Realismus", andere, vor allem die Leser im Exil, sahen das Buch als Bestätigung ihrer eigenen Ansichten, falls sie es überhaupt wahrnahmen. Für den kubanischen Regisseur Tomas Gutierrez Alea entfaltete "Erinnerungen an die Unterentwicklung" das ganze Spektrum einer Person, die sich freiwillig dem Sturm des sozialen Wandels aussetzt. Sein Film mit dem Titel "Memorias del Subdesarrollo" kam - mit der Musik von Leo Brouwer - 1968 in Havanna in die Kinos. Fünf Jahre später gab es eine amerikanische Version.
Kritische Gedichte
Das Jahr 1968 war nicht nur für Europa, sondern auch für die Geschichte Kubas ein "Stichjahr". In diesem Jahr begann "Die Affäre Padilla". Basierend auf den Überlegungen "Jede Revolution birgt Hoffnung und zerstört Althergebrachtes. Daher muss sich jede Revolution gefallen lassen, nicht nur nach ihren Ergebnissen, sondern auch danach beurteilt zu werden, wie sie mit ihren Kritikern umgeht" erlaubte sich Padilla, in seinen Gedichten den neuen Alltag kritisch zu betrachten. Vor allem der immer rauer werdende Ton den Intellektuellen gegenüber störte ihn, denn die revolutionäre Bürokratie hielt sich genau an die Maxime Fidel Castros, der 1961 verkündet hatte: "Welche Rechte haben die Autoren und Künstler, revolutionär gesinnt oder nicht? Alle, wenn sie für die Revolution, keine, wenn sie gegen die Revolution sind."
Als Padilla mit seinen kritischen Gedichten den höchsten Lyrikpreis gewann, den Kuba zu vergeben hatte, den Julian del Casal Award, meldeten sich Stimmen seiner Kollegen, die wie er im UNEAC, der nationalen Schriftstellervereinigung, organisiert waren. "Diese Gedichte stehen außerhalb der revolutionären Prinzipien in Kuba", lautete das Urteil. Das genügte, um Padilla offiziell zu ächten. Erst ließ man ihn in Ruhe. 1971 trug er bei einer Lesung aus alten und neuen Werken vor, immer noch kritisch eingestellt. Das war zu viel. Er wurde vom Fleck weg verhaftet. Daraufhin wurde Havanna von der Frage beherrscht: "Wo ist Padilla?"
Als er ein Monat später auf Druck weltweiter Proteste freigelassen wurde, gab er vor einem großen Forum bekannt, wem er seine "Abwesenheit" verdanke. Kurz darauf verschwand er wieder. Hausarrest, Publikationsverbot, Ausreiseverbot. Er konnte Kuba erst 1980 verlassen, Edward Kennedy persönlich hatte sich für ihn eingesetzt. Padillas jüngster Roman "In meinem Garten grasen die Helden" wurde von Freunden und von ihm selbst hinausgeschmuggelt.
"Kuba wird frei sein"
Ein ähnliches Schicksal erlitt Reinaldo Arenas. Er war dem Regime nicht nur als Kritiker, sondern auch als Homosexueller ein Dorn im Auge. Auch er durfte, sollte, musste Kuba 1980 verlassen: Er war einer der Marielitos, der über hunderttausend Menschen, die über die nordkubanische Hafenstadt Mariel ausreisen durften. Das heißt, eigentlich durfte er nicht ausreisen: Sein Name stand auf einer Liste von Personen, denen die Ausreise ausdrücklich verboten war. Arenas suchte Zuflucht zu einem kleinen Schwindel: Er verbesserte die Schreibweise seines Namens im handschriftlich erstellten Reisepass auf "Reynaldo Arinas". Als er sich am 7. Dezember 1990 nach Vollendung seiner Autobiografie "Bevor es Nacht wird" das Leben nahm, hinterließ er seinen Freunde einen Abschiedsbrief, der mit den Worten endet: "Kuba wird frei sein. Ich bin es schon."
Service
Edmundo Desnoes, "Erinnerungen an die Unterentwicklung", Suhrkamp
Heberto Padilla, "In meinem Garten grasen die Helden", Rowohlt
Reinaldo Arenas, "Bevor es Nacht wird. Autobiografie", zebra Literaturverlag
Berkley Graduate School of Journalism - Artikel "Four Writers"