Architektur der sozialen Durchmischung

königlarch architekten

Das Architekturfestival Turn On gibt im März einen Überblick über die österreichische Architekturszene. Die Präsentationen werden durch Vorträge zum Thema Wohnen ergänzt. oe1.ORF.at die Vortragenden via E-Mail-Interview zu diesem Thema befragt.

Das Büro königlarch architekten wurde 2006 von Claudia König-Larch und Werner Larch gegründet. Bei Turn On sind sie mit dem Projekt "Bike City". Ausgangspunkt dafür war der im Herbst 2003 gewonnene städtebauliche Ideenwettbewerb "Wohnen am Park" für eines der ersten Wohnbauprojekte auf dem ehemaligen Nordbahnhofgelände. Die "Bike City" stellt sich als themenbezogener Wohnbau dar, mit Rad und Wellness im Vordergrund. In Summe wurden für 99 Wohnungen zirka 330 Fahrradstellplätze und separate Kinderfahrradräume geschaffen, die sich auf allen Ebenen der Wohnhausanlage finden.

oe1.ORF.at: Gebaute Strukturen sind stets auch Ausdruck gesellschaftlicher Wirklichkeiten - auf der Mikroebene des Wohnungsgrundrisses ebenso wie auf der Makroebene der Stadtplanung. Welche Konzepte beobachten Sie augenblicklich in diesen Bereichen, und welche Entwicklungen interessieren Sie - sowohl national als auch international - besonders?
königlarch architekten: Beobachtbar sind multifunktionale Konzepte, nicht nur im Hinblick auf Grundrisskonzeptionen, sondern auch hinsichtlich städtebaulicher Entwicklungen. Nachhaltigkeit - in jeder Dimension - als auch Lösungskonzepte für die sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen sind die spannendsten Themen der Zukunft.

Welche Entwicklungen erhoffen Sie?
Um die vielfältige Anzahl an innovativen Konzepten auch gebaute Wirklichkeit werden zu lassen, erwarten wir auf der einen Seite flexiblere Rahmenbedingungen der Wohnbauförderung und Bauordnung als auch mehr Risikobereitschaft seitens der Bauherrschaft.

Kann Architektur Antworten auf soziale Herausforderungen, wie Migration und Integration geben? Können Sie je ein aus Ihrer Sicht gelungenes und misslungenes Beispiel nennen?
Architektur sollte darauf antworten können und Lösungsvorschläge, die eine soziale Durchmischung ermöglichen, anbieten. Jede gute Wohnhausanlage wird sich inhaltlich dieser Thematik stellen und kann unterschiedlichste Beiträge anbieten, beginnend beim Grundrisskonzept bis hin zu den Angeboten an sozialen Einrichtungen zur Förderung der nachbarschaftlichen Beziehungen.

In den 1980er und 1990er Jahren wurden plakative "Themenstädte" - von der Stadt der Frauen bis zur autofreien Stadt - forciert. Wie beurteilen Sie rückblickend diese Versuche, ideale Wirklichkeiten unter Laborbedingungen herzustellen?
Um Veränderungen zu bewirken, benötigt es oftmals radikaler Ansätze. So gesehen waren diese Themenstädte sehr wichtig für den weiteren Umgang mit dem Thema Wohnbau. Viele Planungsansätze, wie frauen- und alltagsgerechte Planung oder energie- und umweltbewusstes Bauen, die damals auf Unverständnis stießen, sind heute eine Selbstverständlichkeit beziehungsweise erfahren eine immer weitere Entwicklung zugunsten qualitativer und sich den gesellschaftlichen Veränderungen anpassender Wohnbauten.

Die jüngste Energiekrise hat die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern eindringlich ins Bewusstsein gerückt. Wie wichtig ist das Thema der Energieeffizienz für Sie und welche Auswirkungen hat es auf Ihre Architektur?
Das Thema Energieeffizienz ist nicht neu und ohnehin Bestandteil der Anforderungen an einen geförderten Wohnbau. Der Forderung nach mehr Passivwohnhäusern im sozialen Wohnbau stehen wir aber kritisch gegenüber. Ein Passivhaus verlangt gewisse Nutzungs- und Verhaltensregeln, für die nicht Jedermann zugänglich ist. Passivhäuser können nicht für anonyme Benutzer geplant werden, sondern nur für bestimmte Zielgruppen, die mit diesem Thema vertraut sind und dieses Wohnmodell bewusst wählen. Jedoch beeinflusst energieeffizientes Bauen unsere Architektur in vielen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Wahl der Baustoffe, Baukörperausformulierung, Orientierung der Wohnungen bis zur Nutzung der passiven Sonnenenergie.

Wie schätzen Sie das heute sehr aktuelle Thema der Nachhaltigkeit oder auch das Thema der Sanierung in der Architektur generell ein?
Die Sanierung von einzelnen Bauten oder ganzen "Grätzeln" darf sich nicht nur auf das "aufmöbeln" von gründerzeitlichen Wohnungen beschränken, sondern sollte auch aus der Sicht der Stadtplanung betrachtet werden. Längerfristig zielführend können Sanierungen nur dann sein, wenn zeitgleich sowohl die Erdgeschosszonen als auch der öffentliche Raum eine Aufwertung erfahren. Die Aktivierung brachliegender Flächen erhöht die Attraktivität des Wohnumfeldes und fördert die wichtige soziale Durchmischung im innerstädtischen Bereich. In diesem Zusammenhang ist auch das Thema der Nachhaltigkeit, sowohl der sozialen als auch der ökonomischen, zu sehen.

Das Thema Wohnbau ist ein brisantes und wird in Wien besonders auch von politischer Seite sehr forciert. Wie sehen Sie das Thema Wohnbau - architektonisch, politisch, im Rahmen Ihres Werkes und Ihrer Auseinandersetzung?
Gutes und leistbares Wohnen stellt ein Grundbedürfnis dar, das jede Gesellschaftsform zu berücksichtigen hat. Ohne Wohnungspolitik der öffentlichen Hand, die durch Rechte und Pflichten, wie Wohnraumschaffung und -bewirtschaftung oder Mietpreisbildung regelnd eingreift, können diese Bedürfnisse nicht sichergestellt werden. Wohnbau stellt in unserer Arbeit einen der wichtigsten Aufgabenbereiche dar. Aber Wohnbauqualität entsteht nicht alleine durch die Planung von attraktiven Wohnbauten, sondern steht immer im Kontext zum städtebaulichen Umfeld. Dichte, Infrastruktur, Nahversorgung und Nutzung der Erdgeschosszonen und Freiräume, also die Qualitäten des öffentlichen Raumes bilden ein wichtiges Kriterium um eine hohe Wohnzufriedenheit erzielen zu können.

Welche Wohnform bevorzugen Sie selbst?
Wir bevorzugen den innerstädtischen, mehrgeschossigen Wohnbau, bei dem Leben auf mehreren Ebenen und mit hohem Bezug zum Außenraum ermöglicht wird.

Bei Turn On sind Sie mit "Bike City" vertreten. Was war für Sie zentral an dieser Arbeit und wie fügt sie sich in Ihr Schaffen ein?
Zentral war nur das Thema "Fahrrad" und die sich daraus ergebenden, speziellen Anforderungen. Die Behandlung der grundsätzlichen Themen, wie Gender, Sicherheit, Erschließung, Flexibilität beziehungsweise Nutzungsneutralität, Freiraumqualitäten etc., werden von uns bei allen Wohnbauten kontinuierlich weiterverfolgt.

Links
Turn On
Radiokulturhaus - Turn On Architekturfestival
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