Welches medizinische Angebot benötigen alte Menschen?

Gesund altern

Der Anstieg der Lebenserwartung ist eine Herausforderungen für unser Gesundheitssystem. Im Alter steigen Gesundheitsausgaben an. 15 Prozent der Versicherten verursachen 85 Prozent der Kosten. Doch sind alle diese Ausgaben nötig? Eine neue Studie sagt: Nein.

Unser Gesundheitswesen ist auf die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte nur bedingt vorbereitet. Die Bedürfnisse älterer Menschen unterscheiden sich von jenen jüngerer Patienten sehr stark. Nicht zuletzt deshalb, weil viele betagte Menschen nicht nur eine spezielle Krankheit haben, sondern oft multimorbid sind. Deshalb müssen nicht nur mehrere medizinische Fachbereiche bei der Behandlung kooperieren, sondern auch der Pflege kommt eine besondere Rolle zu.

Leistbare Medizin?

Auf etwa 15 Prozent der Versicherten entfallen 85 Prozent der gesamten Ausgaben, sagen die Krankenkassen. Der Großteil dieser 15 Prozent sind naturgemäß ältere und betagte Menschen. Tatsächlich steigen die Pro-Kopf-Ausgaben mit zunehmendem Alter deutlich an. Experten sprechen von einer höheren Krankheitsneigung im Alter. Statistisch gesehen wird vor allem in den letzten Lebensmonaten am meisten für Pflege und medizinische Behandlungen ausgegeben. Gleichzeitig wächst die Zahl alter und hochbetagter Menschen.

Zu viele Medikamente

Allerdings sind nicht alle der wachsenden Ausgaben für alte Menschen nötig und unvermeidbar. Salzburger Mediziner und Wissenschafter haben die Medikation älterer Patienten untersucht und bei mehr als 36 Prozent von ihnen verzichtbare Medikamente gefunden. Weitere 30 Prozent der Wirkstoffe waren für alte Menschen schlicht inadäquat. Im Durchschnitt nahmen die Patienten täglich bis zu elf verschiedene Arzneimittel ein.

Nicht selten sind zudem Medikamente, die meist an jungen, fitten Patienten getestet werden, für alte Menschen ungeeignet. Gleichzeitig führt die Polypragmasie, also die Einnahme von vielen verschiedenen Medikamenten, zu Wechselwirkungen, die auch nachteilige Folgen haben können.

Die richtigen Ärzte fehlen

Während es etwa in der Schweiz, den Niederlanden und in England längst Fachärzte für Geriatrie gibt, steht diese Entwicklung in Österreich noch am Anfang. Das Fach Geriatrie umfasst Gesundheitsförderung und die Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von Erkrankungen alter Menschen.

Die öffentliche Diskussion über die Bedeutung dieser Maßnahmen hat erst vor wenigen Jahren begonnen. Es gibt nach Ansicht von Ärzten auch noch zu wenig tatsächliches Wissen über die physiologischen und pathophysiologischen Veränderungen bei Hochbetagten.

Neue Sichtweisen erforderlich

Die "normale" Medizin ist stark organzentriert, also etwa auf Lunge, Herz, Leber fokussiert. Die geriatrische Betrachtungsweise muss hingegen eher funktionsorientiert sein: Themen wie Sturz, Vergesslichkeit, Schwindel stehen im Vordergrund. Zudem können bei Erkrankungen mehrere Organe beteiligt sein, wobei im Alter eben auch die Multimorbidität typisch ist.

Experten fordern aber nicht nur mehr speziell ausgebildete Ärzte, sondern auch zusätzliche Angebote in Bereichen wie Neurologie, Orthopädie und Rehabilitation. Nicht selten liegen alte Menschen zudem in Krankenhäusern, obwohl sie keine medizinische Versorgung, sondern Pflege oder gar nur eine entsprechende Betreuung benötigen.

Steigende Lebenserwartung spart Kosten

Die steigende Lebenserwartung der Menschen verursacht nach Ansicht von Experten trotz allen Veränderungen kaum zusätzliche Kosten im Gesundheitssystem. Sie spart vielmehr sogar Ausgaben. Und zwar 15 bis 20 Prozent, weil Menschen in der Lebensphase zwischen 60 und 80 Jahren heute deutlich fitter sind, als die Menschen früherer Generationen. Viele der zusätzlich gewonnenen Jahre sind also auch gesunde Jahre.

Die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen werden dadurch verursacht, dass immer mehr Menschen alt werden - aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge, die in den kommenden Jahren in Pension gehen. Der Mehrbedarf steigt um 23 Prozent. Rechnet man aber die beiden Entwicklungen zusammen kann der rechnerische Mehrbedarf der geburtenstarken Jahrgänge zum größten Teil durch die steigende Lebenserwartung kompensiert werden, sagen deutsche Forscher. Wenn also die Menschen in Summe älter werden, gibt es zwar insgesamt immer mehr Hochbetagte. Doch diese sind eben deutlich gesünder und zahlen auch in der Pension länger Beiträge in die Versicherungssysteme.

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  • Welche medizinische Versorgung benötigen alte Menschen wirklich?
  • Welche Angebote fehlen?
  • Sind Medikamente, die meist an jungen, fitten Patienten getestet werden, für alte Menschen überhaupt geeignet?
  • Was braucht es, um überhaupt gesund alt werden zu können?
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Hör-Tipp
Radiodoktor, Montag, 23. Februar 2009, 14:20 Uhr