Was tun mit den massiven NS-Relikten?

Die Wiener Flaktürme und ihre Nutzungen

Die sechs von den Nazis in Wien errichteten Flaktürme sind unübersehbar. Für die unter Einsatz von Zwangsarbeitern gebauten Bauwerke gab und gibt es viele Ideen: Luxus-Hotel, Café mit Ausblickterrasse, Fischbecken, Kunstmuseum oder Datenspeicher.

Architekturhistorikerin Ute Bauer über die Flaktürme

Bei den Flaktürmen handelt es sich um aufschlussreiche Dokumente eines Regimes, das Menschen systematisch ermordet hat und das auch bei der baulichen Manifestierung seiner Ideologie weder Kosten noch Menschenleben gescheut hat. Auffällig ist, dass die Umstände ihrer Errichtung selten in Betracht gezogen werden, wenn Nutzungsvorschläge erarbeitet werden - und das hat Tradition.

Bereits 1958 ist in den Flakturm im Esterhazy-Park ein Zoo eingezogen, der dem historischen Bauwerk längst eine neue Identität übergestülpt hat: das Haus des Meeres.

"Die sechs Flaktürme in Wien sind bis heute nicht kommentiert, weder weiß man, wozu sie gedient haben, wozu sie errichtet wurden, noch ist irgendein Erinnerungswille ausgedrückt", sagt die Architekturhistorikerin Ute Bauer. "Das ist schon sehr bezeichnend für den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit. Man hat fast den Eindruck, als würden die Österreicher denken, die Flaktürme seien von den Nationalsozialisten hier bei uns abgestellt worden, und nun müssen wir uns mit diesem Erbe herumquälen. Aber es gibt keinen bewussten Umgang mit den Flaktürmen."

Gebaute Propaganda

Der Gefechtsturm im Augarten wurde erst im Jänner 1945 fertiggestellt. Dass man diesen aufwändigen Bautypus entwickelt und - trotz der Baustoffknappheit und der militärischen Lage gegen Kriegsende - umgesetzt hat, ist laut Ute Bauer Zeugnis dafür, dass die Flaktürme gezielt propagandistische Funktionen erfüllen sollten: "Man sollte glauben, dass das NS-Regime sich um die Zivilbevölkerung kümmert, ihr Luftschutzbunker zur Verfügung stellt. Es sollte die Wehrhaftigkeit ausgedrückt werden und die Opferbereitschaft in der Bevölkerung gesteigert werden. Das heißt, es handelt sich um eine bewusste propagandistische Inszenierung der Flaktürme." In den Bauwerken heute nur die beiden Funktionen Luftabwehr und Schutzbunker zu sehen, meint Ute Bauer, bedeute eine unbeabsichtigte, positive Besetzung.

Genügend Speicherplatz vorhanden

Der baufällige Gefechtsturm im Augarten wird, ebenso wie der Leitturm, von der Burghauptmannschaft an eine Firma vermietet und soll als Datenspeicher ausgebaut werden. Für das Personal soll eine Aufstockung errichtet werden. Erschlossen wird dieser Servicebereich über einen Lift, der laut Plan seitlich angebaut wird. Zur Finanzierung von Aufstockung und Lift kommt noch die Errichtung eines Tunnels, sowie die Rückvergütung der erfolgten Sanierungen. Ob sich die Firma DCV GmbH, die das Datenschutzzentrum plant, das alles leisten kann, kümmert die vermietende Burghauptmannschaft dabei wenig.

"Es wurde uns glaubhaft versichert, dass der finanzielle Background oder das Interesse an Speicherplatz so groß ist, dass sehr viele Unternehmungen interessiert sind, in Wien, im Zentrum Europas, einen Speicherplatz zu haben", sagt Burghauptmann Wolfgang Beer. Doch warum muss der Datenspeicher ausgerechnet in diesem NS-Relikt untergebracht werden, inmitten eines denkmalgeschützten, barocken Parks im Stadtzentrum?

Mythos Unzerstörbarkeit

Die Stahlbetonwände signalisieren Unzerstörbarkeit, ob bei feindlichen Angriffen, Einbruchsversuchen oder Naturkatastrophen. Dabei könnte man die Flaktürme - mit entsprechendem finanziellen Aufwand - gemütlich abtragen, und das ohne die Umgebung zu beeinträchtigen. Die Nationalsozialisten hatten die Flaktürme als Manifestation der Beständigkeit des "Tausendjährigen Reichs" entworfen, als uneinnehmbare Trutzburgen.

Eine kommerzielle Nutzung, die von der Geschichte losgelöst ist, hält Wolfgang Beer, wie auch andere Entscheidungsträger, für vertretbar. Außer Acht gelassen wird dabei, dass jede neue, gelebte Nutzung die Geschichte des Bauwerks überblendet.

Manta-Rochen obendrauf

Vor zehn Jahren hatten Entwürfe des Architekten Wilhelm Holzbauer für ein Hotel auf dem Flakturm Esterhazy-Park für Aufregung gesorgt. Letzten Herbst ist das Haus des Meeres nun mit neuen Plänen an die Öffentlichkeit getreten: Der Baukörper soll mit knallbunten Unterwasser-Cartoons ummantelt werden - nach dem Motto "Farbe statt Beton". Ein mehrere Stockwerke tiefer Schacht, der während des Luftkrieges zur Versenkung der Radaranlage vorgesehen war, soll in ein Haifischbecken umgewandelt werden.

In den Dachausbau soll Gastronomie einziehen. Als krönender Abschluss liegt ein Flugdach in Form eines Manta-Rochens über dem Erlebnis-Café. Die Bezirksvorstehung will die Bürger befragen - inzwischen liegt das Projekt, dessen Finanzierung noch nicht gesichert ist, auf Eis.

Zwangsarbeiter auf der Baustelle

Mit dem IFAG (Interdisziplinäres Forschungszentrum Architektur und Geschichte) bemüht sich die Architekturhistorikerin Ute Bauer um eine Kommentierung der Türme hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte. Auf den Baustellen wurden Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt, die in Barackenlagern untergebracht waren. Beim Bau kam es zu Arbeitsunfällen, und die Versorgung war denkbar schlecht. Bei Arbeitsverweigerung drohte den Zwangsarbeitern die Internierung in Arbeitserziehungslager.

Im Leitturm Arenbergpark, also dem Pendant zum vom MAK als Gegenwartskunstdepot genutzten Gefechtsturm, sind zahlreiche authentische Spuren erhalten geblieben, die das IFAG sichert und wissenschaftlich aufarbeitet. Diese Spuren reichen von Schriftzügen an der Wand über Feldpostbriefe bis hin zu Gebrauchsgegenständen wie Seifendosen und Knäckebrotpackungen. Den Turm unverändert der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so argumentiert Ute Bauer, würde zur Entmystifizierung der Bauwerke beitragen, denn riesige Hallen, wie das monumentale Äußere vermuten lässt, sind hier nicht zu finden.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 7. März 2009, 17:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Ute Bauer, "Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur”, Phoibos Verlag

Links
Erinnerungsort Flakturm
CAT - Contemporary Art Tower
Zukunftspläne Haus des Meeres
Burghauptmannschaft
Bundesdenkmalamt
Phoibos Verlag