Ich bin nicht Hilde

Uferlos

Uferlos heißt das neue Festival im Theater Akzent, das die Geschlechterverhältnisse buchstäblich zum Tanzen bringt und Bühnenhighlights von A wie Adonis bis Z wie Zarah Leander bietet. Mit dabei sind unter anderen Irmgard Knef und Lilo Wanders.

Tim Fischer als Zarah Leander

Eine gute alte Bekannte sitzt da auf der Bühne und erzählt zum - wahrscheinlich zigtausendsten Mal - ihre Geschichte. Irmgard Knef alias Ulrich Michael Heissig, die verleugnete, fiktive Zwillingsschwester von Hildegard Knef. Eine Solokarriere ist ihr im hohen Alter doch noch gelungen. Seit zehn Jahren ist Irmgard Knef regelmäßig auf deutschen Kleinkunstbühnen zu sehen, zurzeit mit ihrem vierten Programm: "Himmlisch oder: Ewigkeit kennt kein Pardon".

Am 13. März 2009 eröffnet sie im Wiener Theater Akzent "Uferlos, das Festival vom anderen Ufer". Bis zum 28. März 2009 will dieses neue "Queer Kulturfestival" der Wiener Szene neue Impulse geben und auch unterschiedlichste Publikumsschichten ansprechen, denn von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist Wien auf der europäischen Landkarte der "andersrum"-Festivals ein weißer Fleck.

Auftreten werden neben Irmgard Knef auch Lilo Wanders, Tim Fischer, Maren Kroymann, die Croonettes und Georgette Dee.

Sex ist ihr Hobby

So nennt Lilo Wanders vielsagend ihr aktuelles Programm. Bekannt ist sie aus der ehemaligen Fernsehsendung "Wa(h)re Liebe". Sie hat schon beim Festival "Wien ist andersrum" im Jahr 2004 bewiesen, dass sie eine gute Talkmasterin ist. Damals hat sie sich an mehreren Abenden prominente Wiener eingeladen, um mit ihnen über Gott und die Welt zu diskutieren. Und sie sie war zu Gast bei Kurt Ostbahn in seiner Radio-Wien-Sendung "Trost und Rat".

Lange Beine, schlanke Figur, markantes Gesicht, blonde Perücke. Hinter der Person Lilo Wanders steckt ein Mann, nämlich Ernie Reinhardt. Seine Figur hat er Ende der 1980er Jahre auf der Bühne des Hamburger Schmidt-Theaters erschaffen: eine bissige, alternde Theaterdiva mit zahlreichen Allüren. Das Vorbild war die Schauspielerin Evelyn Künneke.

Da er sich immer schon gerne mit dem Thema Sex beschäftigt hatte, sagte der Travestiekünstler einmal in einem Interview, zögerte er nicht lange, das Angebot des privaten Fernsehsenders Vox anzunehmen. Ernie Reinhardt moderierte zehn Jahre lang die Sendung "Wa(h)re Liebe", in der es ausschließlich um Sexualität ging.

Auch wenn es diese Sendung mittlerweile nicht mehr gibt, von der Thematik ist Lilo Wanders nicht mehr losgekommen. In ihrem Programm "Sex ist ihr Hobby" stellt sie sich am 14. März 2009 den wichtigsten Fragen in Sachen Sex und singt natürlich über die Liebe und ihre Untiefen.

Wien ist andersrum

Bekannt geworden sind die Künstler, die bei "Uferlos" zu sehen sind, durch die beiden "Wien ist andersrum"-Festivals, die in den Jahren 2003 und 2004 stattgefunden haben. Die Veranstalter, Hannes Sulzenbacher und der mittlerweile schon verstorbene Jochen Herdieckerhoff wollten damals Künstler in die Bundeshauptstadt holen, die bis dahin kaum in Wien aufgetreten waren. Und man wollte damit damals auch ein politisches Statement setzen.

Die meisten Künstler, wie die Geschwister Pfister, Georgette Dee, Tim Fischer und Irmgard Knef, die damals im Festivalzelt vor der Votivkirche zu sehen waren, wurden allesamt in der Berliner Bar jeder Vernunft entdeckt - damals ein Zentrum der schwulen Kleinkunst.

Die Zeiten haben sich mittlerweile geändert, nicht nur künstlerisch sondern auch gesellschaftspolitisch. Die Bar jeder Vernunft ist nicht nur ein Veranstaltungsort für ein heterogenes Publikum geworden, auch die Künstler haben den Sprung in den sogenannten "Mainstream" geschafft.

Zarah im neuen Kleid

Ein altes Programm wieder aufzunehmen ist für jeden Künstler ein Wagnis. Tim Fischer stellt sich zurzeit dieser Herausforderung. Letztes Jahr hat er sein legendäres Programm "Zarah ohne Kleid" in einem neuen Gewand auf die Bühne gebracht.

1991 gelang ihm mit seinem Zarah-Leander-Abend der große Durchbruch. Im eng anliegenden schwarzen Hosenanzug mit breitem Elvis-Kragen und tiefstmöglichem Dekolleté tritt der Chanson-Interpret auf. Er rollt das "R" und gibt Anekdoten des ehemaligen UFA-Stars zum Besten.

Tim Fischer beschränkt sich aber nicht nur auf das Repertoire der Diva sondern legt ihr auch Lieder in den Mund, die sie durchaus hätte singen können. Zum Beispiel - am 17. März 2009 - die tragische Geschichte der Rinnsteinprinzessin.

Schellacks und gebrauchte Lieder

Zu Frühlingsbeginn, also am 21. März 2009, nehmen Sie dann "The Croonettes" mit auf eine Reise in eine versunkene Epoche, als sich noch die Schellacks drehten und frisurenmäßig die Wasserwellen wogten. Mit feiner Ironie schwingen die Croonettes mit ihrem Close-Harmony-Gesang à la Andrews Sisters durch ihr neues Programm. Titel: "Travelin'".

In den 1950er Jahren beginnt dann der nächste Abend im Rahmen des Festival "Uferlos". Am 24. März 2009 präsentiert Maren Kroymann ihre gebrauchten Lieder. Die Schauspielerin galt als umwerfende Überraschung, als sie im Mitternachtssalon der Bar jeder Vernunft in Berlin im Jahr 2000 ihr Liederprogramm präsentiere. Seitdem tourt sie damit durch den deutschsprachigen Raum und bietet einen Mix aus Soul, Country & Western, Udo Jürgens, Tom Jones und Elvis Presley.

Die Mutter der Berliner Gay-Kleinkunstszene

Erotisches hat auch jene Künstlerin zu bieten, die als die Mutter der Berliner Gay-Kleinkunstszene gilt, und heuer "Uferlos", das Festival vom anderen Ufer, beendet: Georgette Dee. Die Diseuse mit dem weichen, rauchigen Timbre hat für diesen Abend jede Menge Jazz- und Soulballaden ausgesucht. Lieder von Tom Waits, einiges von der Pianistin und Sängerin Roberta Flack und von Leonard Cohen.

Georgette Dee ist eine richtige Diva. Außer ihrem roten Kleid, das sie bei ihren Auftritten trägt, gibt es noch zwei wichtige Accessoires für einen gelungenen Abend: jede Menge Sekt und jede Menge Zigaretten.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 8. März 2009, 22:05 Uhr

CD-Tipp
Irmgard Knef, "Mein Wien", erhältlich im Ö1 Shop.

Veranstaltungs-Tipp
Uferlos, das Kulturfestival vom anderen Ufer, 13. bis 28. März 2009, Theater Akzent,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Links
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Agentur Charis - The Croonettes
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