Der Bariton Tito Gobbi

Die männliche Callas

Tito Gobbi war der männliche Gegenpol zu Maria Callas: in erster Linie nicht Belcantist, sondern charismatischer Singschauspieler. Am 5. März begang man seinen 25. Todestag. Gobbi wurde vor allem in den angelsächsischen Ländern gefeiert.

"The Acting Voice" hat der deutsche Stimmenpapst Jürgen Kesting sein Kapitel über Tito Gobbi überschrieben und damit auch schon festgemacht, wo dieser Künstler die breiteste Anerkennung gefunden hat: in den angelsächsischen Ländern, wo er stets als genialer Singschauspieler gefeiert wurde, während man in seiner Heimat doch auch die relativ rasche Abnützung seines ursprünglich reichen Stimmmaterials registriert hat.

Gobbi hat allerdings sehr klug auf die physischen Einschränkungen reagiert und sein ursprünglich sehr breites Repertoire von rund 100 Rollen auf einige typische Charakterpartien reduziert, also beispielsweise Simone und Falstaff von Verdi, Scarpia ("Tosca") und Gianni Schicchi von Puccini – Rollen, in denen er Interpretationsgeschichte geschrieben hat und die bis heute mit ihm identifiziert werden.

Jusstudent und Tennisfreak

Tito Gobbi wurde in der Nähe von Venedig geboren, in Bassano del Grappa, am 24. Oktober 1913, die Familie seiner Mutter stammte allerdings aus Innsbruck. Zuerst hat er Jus studiert, an der Universität von Padua, die Entdeckung seiner Stimme jedoch basiert eher auf einem Zufall, genauer gesagt auf einem Flirt mit einer jungen Dame, der er nach einem Tennismatch coram publico ein Liebeslied vorgeträllert hat.

Schließlich fand er sich nicht sehr viel später bei einem einst berühmten Tenor als Gesangsaspiranten wieder, bei Giulio Crimi in Rom, der für ihn zum kongenialen Lehrer wurde

Ein Tenor als Lehrer

Gobbi hat Crimi 1931 kennen gelernt und war von dessen Persönlichkeit sofort fasziniert. Bei dieser ersten Begegnung traf er auch ein junges Mädchen, das ihn am Klavier begleitet hat, eine Freundin von Crimis Tochter, und dieses Mädchen wurde später seine Frau. Während der nächsten Jahre nahm er dann täglich Gesangsstunden bei Crimi, der ihn fast in seine Familie aufgenommen hat.

Crimi hat ihn dazu gebracht, 1936 in Wien bei einem internationalen Gesangswettbewerb teilzunehmen, den er auch gewonnen hat. Er hat ebenso seinen ersten Filmvertrag ausgehandelt – als Partner von Louis Trenker - und ebenso Gobbis Debüt als Germont am Tetaro Adriano überwacht, zu dem Crimi schließlich den damaligen Chef der Römischen Oper eingeladen hat: Tullio Serafin, der Gobbi sofort unter seine Fittiche genommen hat: mit väterlicher Güte und der Strenge eines wahren Maestro.

Unter Serafins Fittichen

Serafin hat dann die Anfangsjahre des jungen Baritons begleitet, unter seiner Obhut hat er sechs Jahre lang große und kleine Partien gesungen hat, wie Gobbi in seiner Autobiographie berichtet: "Ein wirklicher maestro concertatore e direttore … ein unschätzbarer Ratgeber für junge Sänger und ein unfehlbarer Richter über Stimme und Charakter."

Unter Serafin hat Gobbi in der Folge seine wichtigsten Rollendebüts gegeben, vom Ford bis zum Falstaff, Posa, Simone, Wozzeck etc. Dabei schildert Gobbi in seinen Memoiren eine interessante Anekdote über seinen ersten Posa unter Serafin.

Eigensinniger Posa

Wie ein junger Gaul, der ausbrechen will, hatte der junge Gobbi schon damals eine sehr bestimmte Vorstellung, wie er den Tod des Posa gestalten wollte. Nämlich mit ersterbender Stimme am Schluss und einem letzten Seufzer infolge seiner tödlichen Schussverletzung, doch Serafin hat diese veristische Manier kategorisch abgelehnt.

Trotzdem wagte Gobbi vor der zweiten Vorstellung einen neuerlichen Anlauf und bat Serafin, das wenigstens einmal ausprobieren zu dürfen, was der Maestro mit ziemlichen Unwillen dann doch erlaubt hat und was vom Publikum auch heftig akklamiert wurde. Nach der Vorstellung kam Serafin schließlich in Gobbis Garderobe und meinte: "Heute Nacht habe ich gelernt, dass auch ein alter, erfahrener Mann von einem jungen etwas lernen kann."

Seltener Gast in Österreich
In Wien war Tito Gobbi leider nur in der Karajan-Ära präsent und auch da war er nur ein sehr seltener Gast: Gerade 26 Vorstelllungen nennt die Staatsopernchronik zwischen 1957 und 1964: vier Mal Amonasro, vier Mal Jago, acht Mal Falstaff und zehn Mal Scarpia.

Wären noch seine Salzburger Auftritte zu vermelden: Da war er zuletzt 1961 als Simone, 1957 als Falstaff, während sein erster Salzburger Auftritt bereits 1950 als Titelheld in Mozarts "Don Giovanni" stattgefunden hat, unter Furtwängler und inmitten eines illustren (Wiener) Ensembles mit Elisabeth Schwarzkopf, Irmgard Seefried, Ljuba Welitsch, Anton Dermota, Erich Kunz, Alfred Poell und Josef Greindl.

Idealpartner der Callas
Gobbis Aufstieg zur Spitzenklasse ist ähnlich wie der von Maria Callas, Giuseppe di Stefano und anderen eng mit dem Siegeszug der Langspielplatte in den 1950er Jahren verbunden. In einer Reihe von Gesamtaufnahmen ist die Callas dabei seine kongeniale Partnerin. Bereits 1951 sind die beiden zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne gestanden, in Verdis "La Traviata" in Sao Paulo, und dabei hörte Gobbi, wie er in seinen Memoiren schreibt "Klänge, die man nur einmal im Leben zu hören bekommt."

Leider sind sie dann auf der Bühne gar nicht mehr so oft zusammen gekommen, wie man aufgrund ihrer gemeinsamen Plattenaufnahmen erwarten würde, in den meisten aufgenommenen Opern eigentlich überhaupt nicht.

Auch als Regisseur erfolgreich
Aufgrund des frühen Nachlassens seiner stimmlichen Mittel hat Tito Gobbi sich bereits ab 1965 auch der Opernregie verschrieben, hat unter anderem mehrfach in Chicago inszeniert, in London, in Paris, in Zürich und zuletzt 1982 "Gianni Schicchi" in München mit Wolfgang Sawallisch am Pult.

Sein Credo blieb dabei das gleiche wie als Sänger: "Mein modus vivendi besteht vor allen Dingen darin, mir einen Charakter physisch vor Augen zu stellen, um instinktiv zu begreifen, wie er fühlt und denkt. Ich stelle mir eine Art von physiologischem und psychologischem Dossier zusammen."

Ein Vierteljahrhundert lang tot
Vor 25 Jahren, am 5. März 1984, ist Tito Gobbi in Rom gestorben. Weniger Belcantist als überragender Singschauspieler, der übrigens auch in nicht weniger als 17 Filmen (zwischen 1937 und 1955) zu bewundern ist, darunter auch in einigen Streifen, die nicht vorwiegend mit Oper zu tun haben.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 10. März 2009,15:06 Uhr