Litauens junge Komponistinnen und Komponisten

Zwischen den Künsten

Im Jahr 2002 erwarteten Litauens Musikschaffende gut vorbereitet den Beitritt ihres Landes zur EU. Und auch sieben Jahre später scheinen Enthusiasmus und Tatendrang ungebrochen. Eine Wanderung durch Litauens facettenreiche Musiklandschaft.

Viel hat sich in Litauen seit unserem letzten Besuch im Jahr 2002 verändert. In den vergangenen sieben Jahren ist eine neue Generation an Künstlerinnen und Künstlern herangewachsen, die einen völlig neuen Zugang zur Musik hat, und sie wird vom litauischen Musikinformationszentrum, das bereits damals mit Aufgeschlossenheit und Engagement beeindruckte, tatkräftig unterstützt.

Diese jungen Künstlerinnen und Künstler bewegen sich ganz selbstverständlich zwischen E und U, so Linas Paulauskis, der Leiter des litauischen Musikinformationszentrums.

Große Produktivität

"Im Moment sehen wir eine vermehrte Aktivität zwischen den unterschiedlichen Kunstbereichen", berichtet Paulauskis. "Viele junge Künstlerinnen und Künstler kommen in großen Projekten zusammen, um etwa Poesie, Musik, Klangkunst, Theater oder Tanz, miteinander zu verschmelzen. Es passiert so viel, dass es uns nicht mehr gelingt, den Überblick zu behalten, aber wir versuchen es zumindest. Wir versuchen für all diese neuen Entwicklungen offen zu sein, und die jungen Künstlerinnen und Künstler in ihrer Arbeit zu unterstützen, solange wir die Möglichkeit dazu haben."

Die Romantiker und Maschinisten

Zum ersten Mal seit rund 25 Jahren, so Paulauskis, scheint sich in Litauen eine neue Generation an Komponistinnen und Komponisten herauszubilden. Die vorangegangene Generation nennt man heute die Maschinisten.

"Die Komponistinnen und Komponisten jener Generation, die wiederum den Maschinisten vorangegangen war, machte betont wohl klingende romantische Musik, voller Nostalgie und Melancholie, und die Maschinisten zerstörten all diese Schönheit", erläutert Paulauskis. "Ihre Musik war laut und hart, klang wie das Lärmen defekter Maschinen. Es war nun aber nicht so, dass sie etwas gegen die Musik der älteren Generation hatten, so wollten auch nicht schockieren, ganz und gar nicht! Sie wollten es einfach nur anders machen, ihren eigenen Weg gehen.

Musik kündete von neuer Freiheit

Die Musik der Maschinisten entstand in den 1980er Jahren, wenige Jahre bevor die Sowjetunion auseinander brach und sie kündete bereits von der Freiheit, die Litauens Musikschaffende heute genießen, der, wie Antanas Jasenka weiter ausführt, in den letzten Jahren nun auch Anerkennung folgte.

"Die Litauer sind nun unabhängig und frei und können mit Menschen auf der gesamten Welt ihre Ideen und Erfahrungen teilen", so Jasenka. "Glauben sie mir, vor 30 Jahren hat man Leute wie mich noch in die Nervenheilanstalt gesperrt. Heute ist es wichtig, authentisch zu sein, sich ständig weiterzuentwickeln. Niemand sollte Angst davor haben, zu experimentieren."

Ein weiteres zentrales Merkmal der jungen Komponistinnen und Komponisten sei, so Linas Paulauskis, dass sie besonders organisationstüchtig seien: "Sie veranstalten kleinere und größere Events, Festivals, mal hier, mal dort. So viel Aktivität haben wir bei noch keiner Komponisten- oder Musikergruppe gesehen."

Musik ist sehr wichtig

Eine ganz besonders Umtriebige ist Ruta Vitkauskaite. Sie studiert Komposition, spielt diverse Instrumente und organisiert Konzertreihen und Festivals, etwa eine Konzertreihe mit dem schönen unmissverständlichen Namen "music is very important", in dessen Rahmen sie gemeinsam mit ihren Freundinnen, Freunden, Kolleginnen und Kollegen die neue Musik aus Vilnius hinaus zu den Menschen auf dem Land bringt.

"Das ist sehr lustig. Wir lieben unsere Kunst, unsere Musik und wir finden wirklich, dass sie sehr wichtig ist, deswegen auch der Name unserer Konzertreihe: music is very important", erläutert Vitkauskaite. "Ja, wir sind davon überzeugt. Wir fahren also hinaus in die Dörfer und präsentieren dort unsere Stücke, aber nicht auf die herkömmliche Art und Weise, begleitend zur Musik zeigen wir auch immer Videos, denn wir glauben, dass diese zusätzliche Ebene, die Bildebene den Menschen hilft unsere Musik zu verstehen. Oftmals hören sie ja auch zum ersten Mal neue Musik. Und es ist gar nicht schwer, in diesen kleinen Dörfern Konzerte zu organisieren, denn davon gibt es ja dort auch nicht so viele und wir verlangen keine Bezahlung. Wir schreiben einfach einen Brief, in dem steht, dass wir gerne kommen und uns präsentieren würden, vor Ort verbreitet dann jemand die Nachricht und dann kommen wir und spielen. Nach dem Konzert können sich die Leute dann ihre eigene Meinung bilden."

Verschmelzung der Künste

Ruta Vitkauskaite erzählt auch von einer Gruppe, die die Verschmelzung der verschiedenen Künste bereits in ihrem Namen trägt, von der Gruppe Synthesia nämlich, die nun aber, wie sie meint, in der Gruppe Operamania aufgegangen sei. Bald wieder wird Vitkauskaite gemeinsam mit einigen anderen zum bereits zweiten Mal ein Festival für kurze neue Opern veranstalten, für - wie es im Titel heißt - New Opera Action. Komponistinnen und Komponisten schreiben heute nicht mehr alleine im stillen Kämmerchen, sie arbeiten gleich von Anfang an in Gruppen, führt sie weiter aus.

"Heute ist es möglich, gemeinsam zu erschaffen. Litauen ist ein unabhängiger Staat und wir können uns in Freiheit entfalten" sagt Vitkauskaite. "Man muss nicht ständig aufpassen, dass man auch ja nicht das Falsche sagt oder tut, so wie das in der Sowjetunion der Fall war. Der Gedanke daran ist sehr beängstigend. Aber heute sind wir frei! Wir können jedem von unseren Ideen erzählen und wenn jemand das nicht mag, was wir tun, dann soll er sich eben umdrehen und gehen. Wenn aber dem gegenüber jemand das, was wir tun, gut findet, dann können wir ihn einladen und sagen: Lass uns doch etwas zusammen machen!"

Kein Platz für die Kleinen

Die Unabhängigkeit brachte den Litauerinnen und Litauern Freiheit, aber auch neue Probleme. Tomas Butkus vom Trio Betoniniai Triusiai: "Kultur hat in diesem politischen und ökonomischen System einen ganz anderen Stellenwert. Wir sehen die Entwicklung von neuen Kulturkomplexen, von riesigen multifunktionalen Gebäuden mit großen Arenen. Es gibt dort sehr viel Platz, aber die Soundanlagen sind auf Massenbeschallung ausgerichtet. Was fehlt, sind kleine Räume für kleine Veranstaltungen. Dafür aber gibt es in diesem Kapitalismus keinen Platz. In einem System, in dem Politik und Wirtschaft derart eng miteinander verflochten sind, kann es auch gar nicht anders sein. Überall werden alte Häuser niedergerissen und durch diese Großbauten ersetzt. Man baut nicht wieder kleine Häuser, die der Größe des Menschen entsprechen, nein, alles wird riesig."

Mit Enthusiasmus und Tatendrang

Bei unserem ersten Besuch im Jahr 2002 erwarteten Litauens Musikschaffende gut vorbereitet den Beitritt ihres Landes zur europäischen Union. Und auch sieben Jahre später scheinen Enthusiasmus und Tatendrang ungebrochen, und das obwohl seit einigen Monaten ein scharfer Wind bläst. Die Wirtschaftskrise hinterlässt auch in Litauens Musiklandschaft erste Spuren der Verwüstung. Das Budget für Projekte, die im Rahmen von Vilnius 09, im Rahmen des europäischen Kulturhauptstadtjahres, stattfinden sollen, wurde vor einigen Wochen empfindlich gekürzt. Und auch das litauische Musikinformationszentrum muss seit einigen Monaten mit weniger Geld auskommen.

"Für Institutionen wie die unsere ist die Situation ebenfalls sehr schwierig", betont Paulauskis. "Bis zum Ende des Jahres kommen wir wohl durch, aber was 2010 sein wird, das weiß keiner. Vielleicht müssen wir dann auch zusperren. Im Moment arbeiten wir erst einmal weiter und hoffen, dass sich die Situation verbessert."

Hör-Tipps
Zeit-Ton, Donnerstag, 12. März 2009, 23:03 Uhr

Zeit-Ton, Freitag, 13. März 2009, 23:03 Uhr

Mehr zu allen Sendungen des Programmschwerpunkts "Nebenan: Litauen" finden Sie hier.

Links
Litauisches Musikinformationszentrum
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Betoniniai Triusiai
Vilnius 09
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