"Zu den Sachen selbst!"
Eine Philosophie der Verantwortung
Das Streben nach wissenschaftlicher Klarheit und die ethische Verantwortung des Menschen sind zwei Leitmotive im Werk des Begründer der Phänomenologie, Edmund Husserl. Philosophie sollte Erkenntnis aus Selbstbesinnung und Selbstverantwortung sein.
17. Jänner 2014, 14:06
Dimensionen, 8. April 2009
Bekannt wurde Husserl in der akademischen Philosophie für seine umfangreiche, höchst komplexe Lehre vom Wesen der Erscheinungen, die als Phänomenologie zu den wichtigsten philosophischen Traditionen des 20. Jahrhunderts zählt. Der Begründer der Phänomenologie suchte die Gegenstände so zu erfassen, wie sie sich dem Beobachter präsentieren. Seine Devise lautete: "Zu den Sachen selbst!".
Von der Sonderwelt zum Universalhorizont
Die Wahrnehmung von Gegenständen betrachtet Husserl als stetigen Annäherungsprozess des Menschen, der bestimmte, je subjektive Perspektiven oder Horizonte eröffnet. Im Laufe der menschlichen Biografie entsteht so eine "Sonderwelt", in der die Menschen auf das fixiert sind, was für sie von Nutzen ist.
Die Beschränktheit auf die "Sonderwelt" verengt den Blick auf den Gesamtzusammenhang der Welt, den Husserl "Universalhorizont" nennt. Der Philosoph ruft nun dazu auf, sich der spezifisch-subjektiven Sichtweise der Welt bewusst zu werden. Das kann nur geschehen, wenn die natürliche Einstellung gleichsam eingeklammert wird, um den Blick auf den Universalhorizont freizugeben.
Ethische Konsequenzen
Diese Einklammerung hat auch eine ethische Konsequenzen: Das subjektive, egoistische Handeln wird radikal in Frage gestellt, es ergeht die Forderung, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und sich auch um die Anderen zu sorgen.
Solch eine Ethik sollte nicht verbindliche Handlungsanweisungen geben, sondern Orientierungshilfen für die Lebenspraxis anbieten. Husserl rief zu einer Erneuerung im Sinne einer ethischen Umkehr auf.
Verantwortungsethik
Diese ethische Umkehr bedarf einer grundlegenden Einstellungsänderung. Gefragt ist eine aktive Gesinnung, die den Menschen als wollendes Subjekt sieht, das in die Umwelt eingreift und sie mit - und umgestaltet.
Husserl spricht von dem "wunderbaren Phänomen der Selbstbestimmung". Diese radikale Selbstreform ist die Basis für ein selbstbestimmtes und selbst verantwortetes Leben, das von der Vernunft geleitet werden soll. Der Mensch, der dies befolgt, löst sich allmählich von seinem Leben, das von den egoistischen Interessen der Sonderwelt bestimmt wurde. Er übernimmt nicht nur Verantwortung für sein Leben, sondern sorgt sich auch um die Mitmenschen.
Service
Buch-Tipps
Edmund Husserl, "Cartesianische Meditationen", Felix Meiner Verlag
Edmund Husserl, "Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie", Felix Meiner Verlag
Verena Mayer, "Edmund Husserl", C.H. Beck Verlag
Peter Prechtl, "Husserl zur Einführung", Junius Verlag
Ferdinand Fellmann, "Phänomenologie zur Einführung", Junius Verlag
Links
Die Philosophie-Seiten - Edmund Husserl
Universitäts-Bibliothek Freiburg - Edmund Husserl
Universitäts-Bibliothek Freiburg - Wegweiser durch die Husserl-Literatur
Arbeitsblätter - Edmund Husserl
wikipedia - Edmund Husserl