Welttheatertag am 27. März 2009

Theater in Zeiten der Krise

Seit 1961 feiert man am 27. März den "Welttheatertag". Die bedeutendsten Theaterschaffenden unserer Zeit schicken ihre "Botschaften" an Theater und an die Welt. In diesem Jahr stammt die Botschaft vom brasilianischen Theatermacher Augusto Boal.

Im Jahr 1961 rief das Internationale Theaterinstitut (ITI) erstmals den 27. März zum Welttheatertag aus. Seitdem feiern die Theaterschaffenden der ganzen Welt diesen Tag mit verschiedenen Veranstaltungen. Höhepunkt ist dabei alljährlich die Verlesung der Botschaft zum Welttheatertag. Die erste Botschaft aus dem Jahr 1962 stammt von Jean Cocteau. Ihm folgten in den Jahren danach Arthur Miller, Laurence Olivier und Jean-Louis Barrault, Peter Brook, Pablo Neruda, Maurice Bejart, Luchino Visconti, Richard Burton, Ellen Stewart, Eugene Ionesco, um nur einige zu nennen.

Augusto Boal und seine Botschaft

Dieses Jahr wurde die Botschaft zum Welttheatertag vom bekannten brasilianischen Theater-Regisseur, Dramatiker, Theoretiker und Pädagogen Augusto Boal verfasst. Boal ist Gründer der internationalen Bewegung "Theatre of the Oppressed" ("Theater der Unterdrückten"), die in der ganzen Welt eine große Zahl Anhänger und Nachfolger fand. Sein gleichnamiges Buch sollte "von jedem, der in der Theaterwelt den Anspruch auf politisches Engagement erhebt, gelesen werden", meinte der englische Autor John Arden einmal.

So ist auch die Arbeit von Augusto Boal als ein rein politisch engagiertes Theater zu sehen. Er selbst bezieht sich in seinem Buch "Legislative theatre" aus dem Jahre 1998 auf eine Szene aus Shakespears "Hamlet", in der dieser das Theater als Spiegel und Chronik der Gesellschaft bezeichnet. "Ich wollte durch diesen Spiegel dringen, um dieses verwandelte Abbild der Realität, das ich im Spiegel sah, in die Lebenswahrheit zurück zu bringen", schreibt Boal.

Seine Theaterphilosophie gründet er auf dem "spektakulären und inszenierten" Wesen unserer Gesellschaften. Er findet in den menschlichen Beziehungen "theatralische Strukturierung", egal ob es um den Gebrauch des Raumes, der Körpersprache, der Wortwahl, der Modulierung der Stimme oder im Aufeinandertreffen von Gedanken und Emotionen geht. Bewusst oder unbewusst organisieren wir unser Leben, sagt Boal, als wäre es Theater - "alles ist Theater".

Eine hässliche Fiktion von Volkswirtschaftlern

Als politisch außergewöhnlich engagierter Mensch bezog sich Augusto Boal in seiner Botschaft erwartungsgemäß auch auf die aktuelle Wirtschaftskrise. Bisher hätten wir unsere Welt - trotz der Kriege und Völkermorde, trotz Massensterbens und Folter - als sicher wahrgenommen, da es diese Dinge ja nur "in fernen, wilden Ländern" gab, so Boal. Doch jetzt erleben wir, wie durch "eine theatralische Enthüllung" überrascht, dass die Welt tatsächlich "eine virtuelle, hässliche Fiktion einiger Volkswirtschaftler" ist.

"Ein Bürger ist nicht, wer bloß in der Gesellschaft lebt. Ein Bürger ist, wer sie ändert!", ist sein Apell an die Gesellschaft. Es sei die Zeit gekommen, dass wir unsere Welt mit eigenen Händen ergreifen und mit eigenen Händen sollten wir "auf der Bühne des Theaters wie auf der Bühne des Lebens" eine gerechte Welt bauen. Schließlich seien wir alle Akteure. Er beendet seinen Text mit dem Satz "Theater ist nicht nur Ereignis, es ist eine Lebensform!"

Die "Welttage"

Nun, die "Welttage" haben einen Haken. Man ruft sie aus, um, in den meisten Fällen, auf die prekäre Lage einer Gruppe aufmerksam zu machen. Der "Frauentag" oder "Muttertag" - interessanterweise gibt es auch einen "Vatertag", der "Panda-" oder "Welttag des Waldes" sind Beispiele dafür. Manchmal genügt nicht nur ein Tag im Jahr, um auf die bedrohliche Lage eines Subjekts (sehr oft Objekts) aufmerksam zu machen - es gibt sogar eine "Dekade der Roma" (2005-2015).

Dient ein "Welttheatertag" also dazu, die gesellschaftliche Wichtigkeit des Theaters zu betonen oder um zu zeigen, dass sich das Theater in unserer Zeit in einem Gefahrenbereich findet? Es kann sein, dass beide Möglichkeiten nebeneinander stehen. In der zunehmend wachsenden "virtuellen Welt", die stärker als früher "technologisch" geprägt ist, stellt sich die Frage, was der "Spiegel" von Shakespeare heute zeigen kann. Es kann sein, dass, wenn sich die virtuelle Welt mit der realen so vermischt, wie wir es erleben, Boal und wir alle, nur die Geister aus dem Spiegel finden, den wir durchdringen, um das "verwandelte Abbild der Realität, in die Lebenswahrheit wiederzubringen".

Beste Wünsche, liebes Theater!
Es bleibt zu hoffen, dass das Theater mit seinen lebendigen, noch immer körperlichen Akteuren und dem Publikum noch viele "Welttage" erleben wird. Liebes Theater, beste Wünsche für Deinen Tag!