Tatiana Trouvé im Porträt

Die Tücke des Objekts

Durch ihre verstörenden, raumgreifenden und doch grazilen Installationen schaffte die französische Künstlerin Tatiana Trouvé in den letzten Jahren den Durchbruch. Derzeit läuft eine Ausstellung mit ihren Werken im Hamburger Kunstverein.

In der Eingangsszene von "Odyssee 2001", dem Science-Fiction-Klassiker von Stanley Kubrick, kauert eine verunsicherte Affenhorde um einen aufgerichteten schwarzen Quader in der urzeitlichen Wüste, der buchstäblich vom Himmel gefallen zu sein scheint.

2007 stehen einige Nachfahren der Affenhorde mit nachdenklichen, staunenden Blicken wieder vor einem rätselhaften, dunklen Stein. Das befremdliche Ding lagert in der weißen Wüste eines Ausstellungsraums im Centre Pompidou in Paris: ein wuchtiger Felsbrocken, beschlagen mit einigen Vorhängeschlössern aus Messing und mit Büroklammern, die die kristalline Masse nochmals an mehreren Stellen versperren, den Stein gegen unsre Wirklichkeitsvorstellung abdichten. Hier, in die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, führt kein Weg hinein und keiner hinaus.

"Man weiß nicht, ob der Stein die Schlösser hält, ob die Schlösser den Stein halten", meint Tatiana Trouvé, die Schöpferin dieses irritierenden Ufos, das seitdem die Kunstwelt nicht mehr verlassen will. 2008 wird man eine Variante des Felsens in ihrer Berliner Galerie Johann König finden, in dem ein weißgrauer Felsen mit einigen angeschraubten Aluminiumplatten versehen ist - fast so, als ob die opake Oberfläche gegen den Betrachter gespiegelt werden sollte. Noch eine Art Annäherung an ein absurdes Spiegelkabinett der Projektionen, wie es die französische Künstlerin Tatiana Trouvé seit Jahren mit Stahlsäge, Lötpistole, Ledermesser und Schraubstock in zäher Konsequenz in Szene setzt.

"So habe ich mein ganzes Werk um das Nichts herum entwickelt", sagt die 1968 in Kalabrien geborene Künstlerin, die diese irritierende Implosion des Imaginären nicht nur in massive Felsen, sondern vor allen in raumgreifenden Installationen in Szene setzt. Mentale Landschaften seien es, die uns der spätberufene, neue Star der französische Kunst seit einigen Jahren auf Großveranstaltungen wie der Biennale in Venedig 2007, der Manifesta 2008 in Rovereto oder einer Soloshow im Pariser Centre Pompidou präsentiert.

Eine fremde, seltsame und unmögliche Welt

Ihr Interesse für Raumgestaltung rührt möglicherweise auch aus ihrer Jugend. Als Teenager lebte sie einige Jahre in Dakar im Senegal, wo ihr Vater an der Universität Architektur lehrte. In Dakar half Tatiana ihrem Vater schon vor ihrem Kunststudium in Nizza regelmäßig bei Architekturzeichnungen aus. Und bis heute sind ihre Papierarbeiten auch Konstruktionen und Studien von Wänden und Möbeln und Gängen, deren gerade Linien plötzlich unsicher werden, bröckeln oder abbrechen.

Es ist eine fremde, seltsame und eigentlich unmögliche Welt, die von Trouvé entworfen wird. Es sind Entwürfe, die von der stoischen Komik eines Buster Keaton und vom magischen Bürokratismus eines Franz Kafka, vom Nihilismus eines Samuel Beckett und der zwänglerischen Technikerotisierung des Romanciers James G. Ballard inspiriert erscheinen. Besonders irritierend wirken aber, gerade in den filigransten und formal verführerischsten Werken, ihre abgründig-sexuellen Bezüge.

Trouvé verweist nämlich mit Vorliebe auf den Fetischismus, als zentrales Moment unserer Beziehung zur Welt der Dinge, und zwar sowohl in der Kunst wie auch in der Sexualität. Die Kunstkritikerin Catherine Millet schlägt vor, die Werke Trouvés als Junggesellenmaschinen zu begreifen, also als jene Anordnungen, die das Begehren in technisierte Selbtbezüglichkeit und mechanischen Leerlauf überführen.

So ragen in Trouvés phantastischen Räumen schon mal steife Elektrokabeln in die Luft, deren Stecker in übergroßen Steckdosen fixiert sind. Oder sie schweißt sadomasochistisch getönte Fitnessmaschinen zusammen, oder sie ersinnt totemistisch anmutende Skupturen mit Leder- und Nagelapplikationen. Bei einer der bedeutendsten Kunstmessen der Welt, der Art Miami 2007, pflanzte sie gar gleich einen Wald aus Metall-Bäumen, deren kahle Äste in einem Lederkorsett verschnürt waren.

Hollywood doesn't want me

Neben dem Spiel mit der fetischistischen Aufladung von Traum und Trauma weisen manche Werke der Französin aber auch Bezüge zum Slapstick, zur sisyphoshaften Arbeit und zur Poetik des Unfalls auf, wie man sie auch beim Schweizer Roman Signer oder bei Hans Schabus finden kann. Immer wieder finden sich eine falsche Tür, ein umgestürzter Stuhl oder plötzlich ein Aufzug im Maßstab 1:2, dessen Türen sich so langsam schließen, dass sie zehn Jahre benötigen würden, bis sie ganz geschlossen wären. Oder eine Ballettstange, die in nur einem Meter Höhe an der Wand befestigt ist und wohl nur für Zwerge infrage kommt, wie man sie aus David-Lynch-Filmen kennt.

Tatiana Trouvé fertigt ihre arbeitsintensiven Arbeiten nach wie vor in ihrem Atelier in dem Pariser Banlieu Pantin, am Gelände des ehemaligen Frachtbahnhofs. Seit ihrer Ankunft in Paris lebt Trouvé nun schon in den Vororten von Paris. "2000" nannte die lange Jahre kaum beachtete Künstlerin aus dieser Distanz zum schicken Pariser Galerienleben ein Werk einmal in ironischer Verbitterung: Hollywood doesn't want me. Will heißen: die Pariser Kunstszene will mich nicht.

Aus dem Misserfolg hat Trouvé über die Jahre eine Tugend gemacht. Seit 1997 archiviert sie in ihrem sogenannten Büro für implizite Aktivitäten all ihre Entwürfe, Skizzen, abgelehnten und nicht realisierten Projekte. Von Anfang an wurde hier aber das Scheitern zum Prinzip: Anträge für Stipendien und Bewerbungen etwa wurden so vertrackt verfasst, dass mit einem positiven Bescheid kaum zu rechnen war.

Geister voll Ideen

Seit letzter Woche stellt Trouvé nun im Hamburger Kunstverein ein Modell dieses Büros für implizite Aktivitäten als Installation aus. Zu sehen sind da nicht nur auf Tischen platzierte architektonische Modelle sondern auch die sogenannten Ghosts.

Diese Geister sind wie Reisegepäck aussehende Skulpturen aus transparentem Klebeband, in die Entwürfe von bisher unrealisierten Projekten oder Ideen gestanzt sind. Sie wirken wie durchsichtige Widergänger vielfältiger Wünsche und Vorhaben, die die Balance zwischen Flüchtigkeit und Erinnerung halten.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 4. April 2009, 17:05 Uhr

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Links
Galerie Johann König - Tatiana Trouvé
Kunstverein Hamburg